Die Furcht vor der Technik
Dopingkontrolleure dürfen Sportler weiterhin nicht mit GPS-Trackern suchen. Die WADA sieht zu große Gefahren
Das ADAMS-Meldesystem wird von Sportlern im Kampf gegen Doping als notwendiges Übel akzeptiert. Einer möglichen Verbesserung erteilte die WADA eine Absage – offenbar ohne sie richtig zu prüfen. Vor 18 Monaten war Jonas Plass noch voller Hoffnung. Der ehemalige Leichtathlet war unter die Forscher gegangen und wollte das Leben seiner sportlichen Nachfolger angenehmer gestalten. Plass entwickelte ein GPS-Gerät für Spitzenathleten. Ende 2017, so glaubte er damals, werde er seinen Prototypen auf den Markt bringen können. Für die Fortentwicklung suchte er bereits Sponsoren. Die Suche hat sich mittlerweile erledigt, selbst Forschungsgelder bekommt er nicht mehr. Das Projekt, mit dem Plass das Dopingkontrollsystem revolutionieren wollte, ist gescheitert, vor allem auf Betreiben der Welt-Antidoping-Agenur WADA.
Um unangekündigt außerhalb von Wettkämpfen getestet werden zu können, müssen Leistungssportler bis zu drei Monate im Voraus ins sogenannte ADAMS-Meldesystem eintragen, wo sie an welchem Tag zu welcher Stunde für Kontrolleure ansprechbar sein werden. Wer dann dreimal doch nicht dort anzutreffen ist, wird gesperrt. An ADAMS gibt es seit Jahren Kritik von Athleten und Datenschützern. Zu tief reiche der Eingriff in die Privatsphäre, und außerdem komme es immer mal vor, dass man vergesse, eine Änderung einzutragen. 400-Meter-Läufer Plass kannte das System. »Ich habe oft die Straßenbahn verpasst, weil mir auf dem Weg einfiel, dass ich meine Angaben noch ändern musste. Das war einfach nervig«, erinnerte er sich gegenüber »nd«. »Dabei gibt es mit den heutigen technologischen Möglichkeiten Alternativen zu diesem veralteten System.«
Nach der Karriere wollte Plass ein Wearable entwickeln, ein Gerät wie die heute verbreiteten Fitnessarmbänder. Das sollte im Fall der Fälle ein GPS-Signal verschlüsselt an einen Dopingkontrolleur senden, damit dieser den Athleten findet. Der Sportler hätte vorher nicht minutiös Aufenthaltsadressen angeben müssen, allenfalls den Namen der Stadt, in der er sich befände. »Fünf Jahre waren wir im Kontakt mit der deutschen Antidoping-Agentur NADA. Sie hat immer gesagt, dass sie das Projekt ideell unterstützt. Dabei ist es aber auch geblieben«, sagt Plass heute.
Es sei sogar ein Treffen mit Vertretern der WADA geplant gewesen, »doch das wurde kurz vorher abgesagt – angeblich aus terminlichen Gründen«. Eine Woche später; im Februar 2018; kam die negative Empfehlung der WADA-Ethikkommission. Das Panel sah in einem GPS-basierten Kontrollsystem keinen echten Mehrwert, dafür aber zu viele Risiken in Sachen Datenschutz.
Die WADA-Führung hat die Empfehlung ihrer Ethiker mittlerweile umgesetzt. »Die Exekutive hat entschieden, die Anwendung von Geolokalisierungstechnik für Trainingskontrollen nicht zuzulassen«, hieß es nach ihrer letzten Sitzung. Die Ethikkommission habe das Thema »tief- greifend studiert sowie alle Vor- und Nachteile abgewogen«. Daran aber bestehen Zweifel. Auf alle Fälle bei Plass, denn: »Mit uns hat niemand gesprochen.«
Die angeblich so tiefgreifende Analyse ist dreieinhalb A4-Seiten lang. Gut die Hälfte umfasst erst mal die Beschreibung des aktuellen ADAMSSystems. Die Überlegungen zu den GPS-Wearables wurden dann, so steht es in einem Fachmagazin veröffentlichten Bericht, an zwei Tagen diskutiert. Auch Vertreter der WADA-Athletenkommission wurden konsultiert. Nicht aber Experten wie Plass. Stattdessen sind Szenarien aufgeführt, was alles schief gehen könne. »Die andauernde Sammlung von Geodaten eines Individuums ist als hochsensibel einzuordnen. Sportler könnten befürchten, dass ihre Daten gehackt werden.«
Fürwahr sind Bewegungsdaten sensibel, doch Plass’ Gerät hätte keineswegs wie eine Fußfessel Bewegungsprofile erstellt. »Unser Gerät befindet sich nur im Standby-Modus. Es sendet erst Daten, wenn sie der be- auftragte Kontrolleur abfragt«, beschrieb er im »nd« die Funktionsweise. Stattdessen gibt es nun weiterhin per ADAMS eine tägliche Adresssammlung der Athleten, die im Gegensatz zum GPS zentral gelagert sind – und ADAMS wurde bereits von der Gruppe »Fancy Bear« gehackt.
Die WADA verweist zudem auf eine holländische Athletenbefragung, wonach sich nur 20 Prozent mit einem GPS-Tracking anfreunden könnten. Allerdings wurde in dieser Studie danach gefragt, ob es akzeptabel sei, »ein permanentes Arm- oder Fußband zu tragen oder sich einen Chip implantieren zu lassen«. Dass bei solchen Formulierungen die Ängste größer werden, liegt auf der Hand.
Plass hat die Forschung und Entwicklung an seinem GPS-Tracker eingestellt. Ohne Förderung aus Wissenschaft oder Sport findet er keine Partner dafür. Sein Gerät hat keine Zukunft, glaubt er: »Die Entscheidung der WADA wird sehr wahrscheinlich in den neuen WADA-Code aufgenommen. Und dann dürfte keine NADA mit unserem System arbeiten.«