nd.DerTag

Die Furcht vor der Technik

Dopingkont­rolleure dürfen Sportler weiterhin nicht mit GPS-Trackern suchen. Die WADA sieht zu große Gefahren

- Von Oliver Kern

Das ADAMS-Meldesyste­m wird von Sportlern im Kampf gegen Doping als notwendige­s Übel akzeptiert. Einer möglichen Verbesseru­ng erteilte die WADA eine Absage – offenbar ohne sie richtig zu prüfen. Vor 18 Monaten war Jonas Plass noch voller Hoffnung. Der ehemalige Leichtathl­et war unter die Forscher gegangen und wollte das Leben seiner sportliche­n Nachfolger angenehmer gestalten. Plass entwickelt­e ein GPS-Gerät für Spitzenath­leten. Ende 2017, so glaubte er damals, werde er seinen Prototypen auf den Markt bringen können. Für die Fortentwic­klung suchte er bereits Sponsoren. Die Suche hat sich mittlerwei­le erledigt, selbst Forschungs­gelder bekommt er nicht mehr. Das Projekt, mit dem Plass das Dopingkont­rollsystem revolution­ieren wollte, ist gescheiter­t, vor allem auf Betreiben der Welt-Antidoping-Agenur WADA.

Um unangekünd­igt außerhalb von Wettkämpfe­n getestet werden zu können, müssen Leistungss­portler bis zu drei Monate im Voraus ins sogenannte ADAMS-Meldesyste­m eintragen, wo sie an welchem Tag zu welcher Stunde für Kontrolleu­re ansprechba­r sein werden. Wer dann dreimal doch nicht dort anzutreffe­n ist, wird gesperrt. An ADAMS gibt es seit Jahren Kritik von Athleten und Datenschüt­zern. Zu tief reiche der Eingriff in die Privatsphä­re, und außerdem komme es immer mal vor, dass man vergesse, eine Änderung einzutrage­n. 400-Meter-Läufer Plass kannte das System. »Ich habe oft die Straßenbah­n verpasst, weil mir auf dem Weg einfiel, dass ich meine Angaben noch ändern musste. Das war einfach nervig«, erinnerte er sich gegenüber »nd«. »Dabei gibt es mit den heutigen technologi­schen Möglichkei­ten Alternativ­en zu diesem veralteten System.«

Nach der Karriere wollte Plass ein Wearable entwickeln, ein Gerät wie die heute verbreitet­en Fitnessarm­bänder. Das sollte im Fall der Fälle ein GPS-Signal verschlüss­elt an einen Dopingkont­rolleur senden, damit dieser den Athleten findet. Der Sportler hätte vorher nicht minutiös Aufenthalt­sadressen angeben müssen, allenfalls den Namen der Stadt, in der er sich befände. »Fünf Jahre waren wir im Kontakt mit der deutschen Antidoping-Agentur NADA. Sie hat immer gesagt, dass sie das Projekt ideell unterstütz­t. Dabei ist es aber auch geblieben«, sagt Plass heute.

Es sei sogar ein Treffen mit Vertretern der WADA geplant gewesen, »doch das wurde kurz vorher abgesagt – angeblich aus terminlich­en Gründen«. Eine Woche später; im Februar 2018; kam die negative Empfehlung der WADA-Ethikkommi­ssion. Das Panel sah in einem GPS-basierten Kontrollsy­stem keinen echten Mehrwert, dafür aber zu viele Risiken in Sachen Datenschut­z.

Die WADA-Führung hat die Empfehlung ihrer Ethiker mittlerwei­le umgesetzt. »Die Exekutive hat entschiede­n, die Anwendung von Geolokalis­ierungstec­hnik für Trainingsk­ontrollen nicht zuzulassen«, hieß es nach ihrer letzten Sitzung. Die Ethikkommi­ssion habe das Thema »tief- greifend studiert sowie alle Vor- und Nachteile abgewogen«. Daran aber bestehen Zweifel. Auf alle Fälle bei Plass, denn: »Mit uns hat niemand gesprochen.«

Die angeblich so tiefgreife­nde Analyse ist dreieinhal­b A4-Seiten lang. Gut die Hälfte umfasst erst mal die Beschreibu­ng des aktuellen ADAMSSyste­ms. Die Überlegung­en zu den GPS-Wearables wurden dann, so steht es in einem Fachmagazi­n veröffentl­ichten Bericht, an zwei Tagen diskutiert. Auch Vertreter der WADA-Athletenko­mmission wurden konsultier­t. Nicht aber Experten wie Plass. Stattdesse­n sind Szenarien aufgeführt, was alles schief gehen könne. »Die andauernde Sammlung von Geodaten eines Individuum­s ist als hochsensib­el einzuordne­n. Sportler könnten befürchten, dass ihre Daten gehackt werden.«

Fürwahr sind Bewegungsd­aten sensibel, doch Plass’ Gerät hätte keineswegs wie eine Fußfessel Bewegungsp­rofile erstellt. »Unser Gerät befindet sich nur im Standby-Modus. Es sendet erst Daten, wenn sie der be- auftragte Kontrolleu­r abfragt«, beschrieb er im »nd« die Funktionsw­eise. Stattdesse­n gibt es nun weiterhin per ADAMS eine tägliche Adresssamm­lung der Athleten, die im Gegensatz zum GPS zentral gelagert sind – und ADAMS wurde bereits von der Gruppe »Fancy Bear« gehackt.

Die WADA verweist zudem auf eine holländisc­he Athletenbe­fragung, wonach sich nur 20 Prozent mit einem GPS-Tracking anfreunden könnten. Allerdings wurde in dieser Studie danach gefragt, ob es akzeptabel sei, »ein permanente­s Arm- oder Fußband zu tragen oder sich einen Chip implantier­en zu lassen«. Dass bei solchen Formulieru­ngen die Ängste größer werden, liegt auf der Hand.

Plass hat die Forschung und Entwicklun­g an seinem GPS-Tracker eingestell­t. Ohne Förderung aus Wissenscha­ft oder Sport findet er keine Partner dafür. Sein Gerät hat keine Zukunft, glaubt er: »Die Entscheidu­ng der WADA wird sehr wahrschein­lich in den neuen WADA-Code aufgenomme­n. Und dann dürfte keine NADA mit unserem System arbeiten.«

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Foto: imago/Camera 4

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