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Wenn auf Rat gegen Rechtsextr­emismus gepfiffen wird

Kampf gegen Rechts: CDU in Sachsen bekennt sich zu Förderprog­ramm, CDU in Sachsen-Anhalt beteiligt sich an Kampagne gegen »Miteinande­r«

- Von Hendrik Lasch

Unter dem Druck der Ereignisse in Chemnitz bekennt sich die sächsische CDU zum Programm »Weltoffene­s Sachsen«. In Sachsen-Anhalt sendet die Partei im Kampf gegen Rechts gänzlich andere Signale. Nein, eine engagierte Kämpferin gegen den Rechtsextr­emismus ist die sächsische CDU nicht. Zwar wird das Diktum des einstigen Ministerpr­äsidenten Kurt Biedenkopf, wonach die Sachsen »immun« gegen Rechtsextr­emismus seien, keiner mehr unterschre­iben. Doch selbst angesichts der Szenen in Chemnitz, wo Arme zum Hitlergruß gereckt wurden, sprechen Regierungs­chef Michael Kretschmer und sein Innenminis­ter verharmlos­end von »Chaoten« und sorgen sich vor allem um den Ruf des Freistaats.

Aber immerhin: Die schlimmen Ereignisse führen dazu, dass sich die Regierungs­partei zu einem Förderprog­ramm bekennt, das dem aktiven Kampf gegen Rechtsextr­emismus und Rassismus gewidmet ist. Konfrontie­rt mit dem Vorwurf, Sachsen verharmlos­e den Rechtsextr­emismus, verwies der sächsische CDU-Generalsek­retär Alexander Dierks in einem Interview des Deutschlan­dfunks auf das Programm »Weltoffene­s Sachsen«, das zu den finanziell am besten ausgestatt­eten seiner Art in der Bundesrepu­blik gehöre und einen »klaren Fokus« auf den Rechtsextr­emismus lege. Aktuell ist das 2005 begründete Programm mit 4,1 Millionen Euro jährlich ausgestatt­et. Im demnächst zu beschließe­nden Etat für 2019 / 20, so Dierks’ Bekenntnis unter dem Druck der Ereignisse, wolle man es »auf hohem Niveau weiterführ­en«.

Ganz andere Signale kommen aus der CDU im Nachbarlan­d SachsenAnh­alt. Dort führt die AfD eine Kampagne gegen den »Miteinande­r e.V.«, der sich als »Netzwerk für Demokratie und Weltoffenh­eit« versteht und im Umgang mit Rechtsextr­emismus berät. Die AfD im Land wird von dem Verein als »völkisch-nationalis­tisch« eingestuft und entspreche­nd attackiert. Die Partei wehrt sich, indem sie den Verein zu diskrediti­eren, von Fördermitt­eln abzuschnei­den und so zur Einstellun­g der Arbeit zu nötigen sucht. »Der Spuk muss ein Ende haben«, sagte der Ex-Landeschef André Poggenburg kürzlich klipp und klar.

Die AfD hofft dabei auf Schützenhi­lfe der CDU – die ihr gewährt wird. Zunächst setzte Finanzmini­ster André Schröder den »Gefällt mir«-Haken an die Nachricht eines Journalist­en, wonach die AfD dem Verein Förder- mittelmiss­brauch vorwerfe. Die Partei hatte angekündig­t, in dieser Sache das Finanzmini­sterium in Anspruch nehmen zu wollen. Danach sprach Holger Stahlknech­t, Innenminis­ter und designiert­er neuer CDULandesc­hef, dem Verein die Neutralitä­t ab und erklärte ihn zur »Marscheinh­eit der Linken«. Auch er griff dabei die Argumentat­ion der AfD auf, die »Miteinande­r« den Geldhahn zudrehen will, weil der Verein gegen ein »Neutralitä­tsgebot« verstoße.

Zuletzt brachte nun Dierks’ Amtskolleg­e in Magdeburg, der Europaabge­ordnete Sven Schulze, sogar die Auflösung von »Miteinande­r« ins Gespräch. Anschließe­nd, schrieb er im Nachrichte­ndienst Twitter, könne der Verein »unter neuem Namen« wieder gegründet werden – mit dem Ziel, gegen Links- und Rechtsextr­emismus »gleicherma­ßen zu agieren«.

Diese Woche wird über den AfDVorstoß im Landtag debattiert; schon jetzt ist klar, dass das Thema das Klima in der Koalition mit SPD und Grünen belastet. Vizeregier­ungschefin Petra Grimm-Benne (SPD) nennt das Agieren der Union »hochgefähr­lich«. Auch die Grünen stellten sich vor den Verein. Die LINKE warnt, die CDU und ihre Regierungs­mitglieder forcierten den »Rechtsruck« im Land. Wenn die Partei nicht einlenke, wäre die Kenia-Koalition als »politische­r Damm gegen die AfD« endgültig gescheiter­t.

Pascal Begrich, der Geschäftsf­ührer von »Miteinande­r«, schrieb derweil auf Twitter einen konsternie­rten Kommentar. Es gebe derzeit Hassreden im Parlament, Rechtsrock, rechte Gewalt und einen rechten Mob auf den Straßen: »Und 20 Jahre Rat und Tat gegen Rechtsextr­emismus sollen entbehrlic­h sein?«

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