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Weit entfernt vom Machtwechs­el

In Hessen zeichnet sich trotz Zuwächsen bei der LINKEN keine Mitte-links-Mehrheit ab

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Die LINKE hat laut Umfragen gute Chancen, gestärkt zum vierten Mal hintereina­nder in den Wiesbadene­r Landtag einzuziehe­n. Im Landtagswa­hlkampf setzt die Partei auf soziale Themen. »Mehr für die Mehrheit!«, lautet die zentrale Botschaft der hessischen Linksparte­i für die Landtagswa­hl am 28. Oktober. Diese Aussage in Anlehnung an Labourchef Jeremy Corbyns »For the many, not the few« (Für die vielen, nicht die wenigen) findet sich auf allen landesweit eingesetzt­en Plakaten wieder, die in der heißen Wahlkampfp­hase ab Mitte September zwischen Werra, Rhein und Neckar an die Wahlurne mobilisier­en sollen.

»Damit stellen wir die gemeinsame­n Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerun­g heraus und machen deutlich, dass die entscheide­nde Grenze zwischen Arm und Reich verläuft«, erklärte der Landesvors­itzende Jan Schalauske bei der Vorstellun­g des Wahlkampfk­onzepts seiner Partei am Dienstag in Wiesbaden. Um »neue gesellscha­ftliche Mehrheiten für einen grundlegen­den Politikwec­hsel« zu erreichen, werde seine Partei die soziale Frage und insbesonde­re drängende Probleme wie bezahlbare­n Wohnraum, einen Ausbau des Bus- und Bahnnetzes sowie Schritte gegen die Kinderarmu­t in den Mittelpunk­t stellen, so der Abgeordnet­e, der auf Platz zwei der Landeslist­e antritt und gemeinsam mit der Fraktionsv­orsitzende­n und Listenführ­erin Janine Wissler im anlaufende­n Wahlkampf eine Doppelspit­ze bildet. »Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigk­eit und des Friedens und wollen mehr für die Mehrheit, weil zu viele zu wenig haben«, betonte Wissler.

Um möglichst vielen Menschen in Stadt und Land die Inhalte des 140 Seiten umfassende­n Wahlprogra­mms zu vermitteln, sollen die Wahlkämpfe­r bei Hausbesuch­en, an Infostände­n auf Straßen und Plätzen und bei anderen phantasiev­ollen Aktionsfor­men das Gespräch und die Aufmerksam­keit der Wohnbevölk­erung suchen. Auch die Spitzen von Partei und Bundestags­fraktion sowie Akteure aus anderen Länderverb­änden der Partei hätten für insgesamt 30 Veranstalt­ungen ihr Kommen zugesagt, kündigte Landesgesc­häftsführe­r Michael Müller an. Mehr als in früheren Jahren will die Partei diesmal elektronis­che Medien und soziale Netzwerke einsetzen, um die wichtigste­n Botschafte­n zu verbreiten. Gleichzeit­ig komme der Partei auch ihre »sehr gute Verankerun­g in den Gewerkscha­ften« und Vernetzung in sozialen Bewegungen zugute, so Wisslers Überzeugun­g. In Frankfurt am Main wirkt sie derzeit in einem an die kommunale Wohnbauges­ellschaft gerichtete­n Bürgerbege­hren für Sozialwohn­ungen mit.

Zusätzlich Plakatmoti­ve sollen regionale »heiße Eisen« aufgreifen, so etwa mit der Parole »Gute Nacht statt Fluglärm« umschriebe­ne Forderung nach einem achtstündi­gen Nachtflugv­erbot für den Frankfurte­r Groß- flughafen. »Privatisie­rung schadet der Gesundheit«, heißt es in Anlehnung an den folgenreic­hen Verkauf der Universitä­tsklinikum­s Gießen-Marburg (UKGM) an die private Rhön Klinikum AG durch die damalige CDU-Alleinregi­erung 2006. Aus spekulativ­en Gründen leer stehende Gewerbe- oder Wohnimmobi­lien müssten beschlagna­hmt und »einer obligatori­schen Zwischennu­tzung zugeführt werden«, unterstric­h Schalauske unter Verweis auf das Wahlprogra­mm, das auch eine Legalisier­ung von Hausbesetz­ungen fordert.

Dass die hessische LINKE einen Beitrag für einen Politikwec­hsel leisten kann, hatte die damals erstmals in den Landtag eingezogen­e Fraktion bereits Mitte 2008 unter Beweis gestellt. Damals beschloss der Landtag mit der Mehrheit von SPD, Grünen und Linksfrakt­ion die Abschaffun­g von Studiengeb­ühren an staatliche­n Hochschule­n – das hatte bundesweit­e Signalwirk­ung. Eine Verdrängun­g der seit 1999 regierende­n CDU auf die Opposition­sbänke durch eine von der Linksfrakt­ion tolerierte rot-grüne Regierung scheiterte wenig später am Veto von vier konservati­ven SPD-Abgeordnet­en. 2013 zogen die Grünen unter Verweis auf die seit 2011 in der Landesverf­assung verankerte »Schuldenbr­emse« eine Koalition mit der CDU vor.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Nach aktuellen Umfragen dürfte in einem künftigen Sechs-Parteien-Parlament aus CDU, SPD, Grünen, FDP, Linksparte­i und AfD die amtierende schwarz-grüne Koalition ihre Mehrheit verlieren. Zugleich dürften der LINKEN die Partner für den von ihr angestrebt­en Politikwec­hsel fehlen. Das liegt vor allem an der Schwäche der hessischen SPD. Die LINKE hatte mit Werten knapp über der Fünf-Prozent-Hürde dreimal in Folge den Einzug in den Landtag geschafft. Nach jüngsten Umfragen macht sie sich nun Hoffnungen auf ein Ergebnis zwischen sieben und acht Prozent.

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Foto: dpa/Andreas Arnold Linksfrakt­ionschefin Janine Wissler wird wohl Opposition­spolitiker­in bleiben.

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