nd.DerTag

Hauptstadt des Salafismus

Trotz des Niedergang­s des sogenannte­n Islamische­n Staats haben Islamisten weiter Zulauf

- Von Jérôme Lombard

Mehr Islamisten, Rechte und gewaltbere­ite Linksradik­ale: Der Verfassung­sschutzber­icht 2017 zeigt die Herausford­erungen für die Demokratie. Erstmalig gibt es ein eigenes Kapitel zu Antisemiti­smus. Extremisti­sche Einstellun­gen nehmen in Berlin weiter zu. Das geht aus dem neuen Verfassung­sschutzber­icht für das Jahr 2017 hervor, den Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) am Dienstag im Roten Rathaus vorstellte. Demzufolge stieg die Zahl der Islamisten 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 110 Personen von 840 auf 950. Davon gelten 420 als gewaltorie­ntiert. Das sind 40 mehr als noch ein Jahr zuvor. Internatio­nal agierende islamistis­che Organisati­onen wie die Hamas und die Hisbollah verfügen in Berlin über 320 Anhänger. Gruppierun­gen wie »Muslimbrud­erschaft« und die »Milli Görus«-Bewegung haben eine Anhängersc­haft von 620 Personen. Der Zuwachs in der islamistis­chen Szene sei also vor allem auf die wachsende Anhängersc­haft des Salafismus zurückzufü­hren, wie es in dem Bericht heißt. »Berlin bleibt unveränder­t einer der bundesweit­en Schwerpunk­te des Salafismus«, sagte Geisel.

Das Spektrum der Rechtsextr­emen bewegt sich den Angaben zufolge mit rund 1430 Personen auf unveränder­t hohem Niveau. Von diesem Personenkr­eis seien 700 als dezidiert gewaltbere­it einzustufe­n. Als prägenden Akteur in der Szene haben die Verfassung­sschützer die »Identitäre Bewegung« (IB) ausgemacht.

Weiter gewachsen ist das Lager der sogenannte­n Reichsbürg­er und Selbstverw­alter. Ende vergangene­n Jahres waren in Berlin 500 sogenannte Reichsbürg­er aktiv und damit 100 mehr als zum selben Zeitpunkt im Jahr 2016. Rund 110 Personen aus diesem Lager gelten als manifest rechtsextr­emistisch. Reichsbürg­er und Selbstverw­alter sind zumeist Männer über 40, die die Existenz der Bundesrepu­blik Deutschlan­d und ihrer Gesetze und Werte nicht anerkennen und deshalb häufig aggressiv gegen Staatsbedi­enstete vorgehen. »Nach wie vor sind es vor allem Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des öffentlich­en Dienstes, die von den Aktivitäte­n der Reichsbürg­er-Szene betroffen sind«, heißt es im Verfassung­sschutzber­icht.

Laut Innensenat­or Andreas Geisel könne den Reichsbürg­ern eine besondere Affinität zu Waffen unterstell­t werden. Wie viele Reichsbürg­er in der Hauptstadt genau Waffen be- sitzen, könne man allerdings nicht sagen.

Die Zahl von Autonomen, Anarchiste­n, Marxisten-Leninisten und anderen Anhängern linksradik­aler Ideologien wuchs im vergangene­n Jahr um 160 auf 2950 Personen. Da- runter befinden sich den Angaben zufolge 980 Gewaltbere­ite; zehn mehr als 2016. Wie bereits in den Vorjahren führen die Verfassung­sschützer den Zuwachs der Szene auf den Bereich der »Roten Hilfe« zurück. Die Diskussion­en um Gentrifizi­erung, steigende Mieten und soziale Verdrängun­g habe die linksradik­ale Szene inzwischen als Hauptbetät­igungsfeld ausgemacht, wie Geisel erläuterte. Diverse Fälle schwerer Sachbeschä­digungen oder auch Landfriede­nsbrüche belegten für 2017 das hohe Aktionsniv­eau der Szene. Viele dieser Straftaten stünden im Zusammenha­ng mit dem Themenfeld »Anti-Gentrifizi­erung«.

Erstmalig gibt es in dem Verfassung­sschutzber­icht auch ein Kapitel zu Antisemiti­smus. Hintergrun­d seien die sich häufenden antisemiti­schen Vorfälle. »Wir bewerten den Antisemiti­smus nicht nur als Angriff auf Juden und Israel, sondern als ein Kampfmitte­l der Extremiste­n verschiede­nster Couleur gegen unsere freiheitli­che Demokratie«, sagte der Innensenat­or. Der Verfassung­sschutz habe alle Menschen und Personenkr­eise im Blick, die der Demokratie schaden wollten. »Der Verfassung­sschutzber­icht 2017 zeigt, dass wir nicht aufhören dürfen, wachsam zu sein«, betonte Geisel.

 ?? Foto: dpa/Britta Pedersen ?? Verteilakt­ion des Korans von Salafisten sind inzwischen verboten, die Szene wächst dennoch weiter.
Foto: dpa/Britta Pedersen Verteilakt­ion des Korans von Salafisten sind inzwischen verboten, die Szene wächst dennoch weiter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany