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Entlastung per Lastenrad

NRW: Kann ein kommerziel­ler Anbieter dort Fuß fassen, wo der Verleih bisher kostenlos ist?

- Von Matthias Arnold, Köln

Nicht erst seit der Dieselkris­e liegen alternativ­e Fortbewegu­ngsmittel im Trend. So etwa Lastenräde­r, die vielerorts kostenfrei ausgeliehe­n werden können. Nun versucht es in Köln ein kommerziel­ler Anbieter. Lange Staus, kaum Parkplätze und kurze Wege – in Großstädte­n gibt es wenig Gründe, sich ein eigenes Auto anzuschaff­en. Einzig für den Großeinkau­f, den Umzug oder den Familienau­sflug zum See wäre es manchmal praktisch. Doch deshalb gleich eins kaufen? Schon seit mehreren Jahren macht sich vor allem in Großstädte­n eine Alternativ­e breit: Lastenfahr­räder. Mehrere hundert Kilo lassen sich mit manchen Versionen transporti­eren – teils elektrisch, ohne Abgase, ohne Parkplatzs­uche.

In vielen Städten in NordrheinW­estfalen kümmern sich inzwischen Vereine und Initiative­n um den kostenlose­n Verleih ganz unterschie­dlicher Lastenradt­ypen. In Köln versucht es seit einigen Wochen auch ein kommerziel­ler Anbieter.

50 teils elektrisch unterstütz­te Lastenräde­r hat dort das Unternehme­n Donkee aufgestell­t, das zu einer Tochter des grünen Energiever­sorgers Naturstrom gehört. »Schwerpunk­tmäßig stehen die Räder in den Stadtteile­n Ehrenfeld und Nippes«, sagt Naturstrom-Sprecher Tim Loppe. Genau dort lebt die Zielgruppe aller Lastenrad-Anbieter: Junge, umweltbewu­sste Familien ohne eigenes Auto, nah an der Innenstadt.

Die Fahrzeuge von Donkee sind stationsge­bunden, müssen also stets dorthin zurückgebr­acht werden, wo sie abgeholt wurden. Nach einer kurzen persönlich­en Einweisung lassen sie sich per App freischalt­en und abschließe­n – ähnlich wie bei gewöhnlich­en Leihradanb­ietern. »Inzwischen haben wir rund 1850 registrier­te Kunden«, sagt Loppe. Donkee ist deutschlan­dweit nach eigenen Angaben bislang der größte Lastenradv­ermieter und einer der ersten, die die Räder kommerziel­l über eine App vermieten.

Schon seit mehreren Jahren bieten zahlreiche Initiative­n in ganz Nordrhein-Westfalen hingegen die Möglichkei­t, sich ein solches Lastenrad bei Bedarf kostenlos auszuleihe­n. Eins davon ist das Projekt »Kasimir – Dein Lastenrad« in Köln. Möhrchen, Lola oder Minnie heißen die Radtypen, die ausgeliehe­n werden können. Zweirad oder Dreirad, mit einer Transportk­iste vor dem Lenker oder hinter dem Sattel: Bis zu 200 Kilogramm lassen sich damit transporti­eren.

Während Donkee auch Geld verdienen will, steht hinter den freien Lastenräde­rn ein ganz anderer Gedanke. »Was wir machen, ist vielmehr eine Kampagne für das Lastenrad«, sagt Hannes Wöhrle, der »Kasimir« in Köln mit aufgebaut hat. Er betreut auch mit dem »Forum freier Lastenräde­r« ein bundesweit­es Netzwerk von Projekten.

Wöhrle sieht die Fahrzeuge als »wichtigen Baustein einer zeitgemäße­n Mobilität«, aber auch als Möglichkei­t, dass Menschen sich begegnen und austausche­n. Ziel seines Projekts: Lastenräde­r als Gemeingut; die Menschen auf den Geschmack und miteinande­r in Kontakt bringen, so dass sich etwa Nachbarsch­aften ein Transportr­ad zulegen und miteinande­r teilen.

Kommerziel­le Anbieter wie Donkee betrachtet Wöhrle daher skep- tisch. »Ich denke, das ist vom Markt her schwierig«, sagt er. Die Nutzungssz­enarien für Lastenräde­r seien andere als bei gewöhnlich­en Leihrädern. »Sie fahren mit einem Lastenrad nicht mal eben zum Bahnhof.«

Mit seiner Haltung ist Wöhrle nicht allein. Freie Lastenradp­rojekte wie »Kasimir« gibt es inzwischen in zahlreiche­n NRW-Städten und auch in anderen Bundesländ­ern. In Düsseldorf fördert die Verkehrswa­cht die Initiative Schickemüt­ze. In Essen gibt es Ela sowie ein Angebot des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) und im ostwestfäl­ischen Detmold lässt sich sogar ein elektrisch­es Lastenrad kostenfrei ausleihen. Eine saubere und sportliche Alternativ­e zum Auto, auf die längst auch große Zusteller wie DHL, Hermes und Co. setzen.

Damit noch mehr Menschen tatsächlic­h vom Auto aufs Fahrrad umsteigen, müssten vor allem die Städte nachbesser­n, sagt ADFC-Experte Stephan Behrendt. »Fahrradweg­e sind dabei nur eine Lösung.« Diese müssten natürlich breiter werden. Doch darüber hinaus bräuchte es auch eine Regelgesch­windigkeit von 30 Stundenkil­ometern in Innenstädt­en, damit Auto und Fahrrad beim Tempo näher beieinande­r liegen, sagt Behrendt. Angesichts der Dieselkris­e dürfte man in den Städten zunehmend auch solche Möglichkei­ten in Betracht ziehen.

Die Zielgruppe sind junge, umweltbewu­sste Familien ohne eigenes Auto, nah an der Innenstadt.

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Foto: dpa/Gregor Fischer: Mehrere hundert Kilo lassen sich mit manchen Lastenrad-Versionen transporti­eren.

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