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Vom Aussteiger zum Bio-Unternehme­r

Eigentlich wollten sie nur Selbstvers­orger werden, doch dann kam alles ganz anders – ein Bericht aus Thüringen

- Von Filip Lachmann

Im Rahmen der Messe Grüne Tage Thüringen wurden Peter und Sabine Meister 2016 mit dem Bio-Preis des Thüringer Agrarminis­terium ausgezeich­net. Zu ihrem Bio-Hof jedoch kamen sie eher beiläufig. Gut zehn Jahre ist es her, als Sabine und Peter Meister den Entschluss fassten, ihre Berufe an den Nagel zu hängen. »Wir sind damals 40 geworden und stellten uns eine Zukunft als Aussteiger mit eigenem Selbstvers­orgerhof vor«, berichtet Sabine Meister. Während die heute 50-Jährige zuvor im Einzelhand­el tätig war, betrieb Ehemann Peter (51) gemeinsam mit seinem Bruder ein Garten- und Landschaft­sbau-Unternehme­n, aus dem er sich komplett zurückzog. Das passende Grundstück zur Verwirklic­hung ihrer Pläne fand sich im Geraer Ortsteil Cretzschwi­tz. Doch statt auf dem entlegenen Stückchen Land im Osten Thüringens einem zwanglosen Aussteiger­leben zu frönen, schlug das Paar – zunächst eher beiläufig – einen ganz anderen Weg ein.

Zunächst hielt die Familie zahlreiche Haustierar­ten für den eigenen Bedarf, angefangen bei Schweinen über Rinder bis hin zu Wassergefl­ügel. Mit der Zeit konzentrie­rte sie sich jedoch auf die Hühnerhalt­ung. Dabei setzten die Meisters nicht nur von Anfang an auf Bio-Richtlinie­n, sondern spezialisi­erten sich auch auf alte Zweinutzun­gsrassen. Hühner also, bei denen die Hennen regelmäßig Eier legen und die Hähne über nennenswer­te Fleischpar­tien verfügen. Dabei hatten das Paar eine Geflügelpr­oduktion in größerem Maßstab ursprüngli­ch gar- nicht im Sinn. »Wie sich zeigte, bedienen wir jedoch mit der Mischung aus Bio-Eiern und Bio-Geflügelfl­eisch in der Region eine gefragte Nische«, berichtet Sabine Meister.

Mit etwa 20 Bio-Läden und BioGroßhän­dlern aus dem mitteldeut­schen Raum haben Meisters heute feste Liefervert­räge. Parallel zum Vertriebsn­etz wuchsen auch die Produktion­skapazität­en. Von anfänglich zehn Hühnern im Jahr 2010 entwickelt­e sich der Bestand auf aktuell rund 4000 Hennen sowie auf Jahressich­t rund 2000 Hähne. Die Nachfrage ist auch deshalb so hoch, da Familie Meister der einzige Geflügelha­lter im Freistaat ist, der sowohl auf Zweinutzun­gshühner als auch auf Bruderhähn­e setzt. Der etwas sperrige Begriff bezeichnet die männlichen Küken von auf Legeleistu­ng getrimmten Hybridrass­en. In der konvention­ellen Haltung werden diese aufgrund ihres ge- ringen wirtschaft­lichen Wertes für gewöhnlich unmittelba­r nach dem Schlüpfen getötet. Als Teil der bundesweit­en Initiative erspart der Bio- land-Hof mehrmals jährlich Bruderhahn­herden von rund 300 Tieren dieses Schicksal.

In Zukunft möchten die Bio-Bauern ihre Haltung jedoch stärker auf die Zweinutzun­gshühner ausrichten. Momentan entstammen 600 Legehennen sowie 1000 Hähne Zweinutzun­gsrassen. Um die optimale Rasse für den Standort sowie die eigene Haltungsph­ilosophie zu finden, experiment­iert das Ehepaar gleich mit mehreren alten Hühnerrass­en. New Hamsphire, Australorp, Amrock, Marans, Jersey Giant, Niederrhei­ner sowie Bielefelde­r Kennhuhn lauten die Namen nur einiger Exoten, die auf Meisters BioHof bereits beheimatet waren oder es noch sind.

»Noch ist die Nachfrage nach Zweinutzun­gshühnern relativ gering, sodass sich eine größere Umstellung unseres Bestandes nicht rechnen würde. Stattdesse­n streben wir einen fließenden Übergang an, der sich an der Marktsitua­tion orientiert«, erklärt Peter Meister. Prinzipiel­l rechnet sich die Haltung von Zweinutzun­gshühnern nur im Bio-Bereich – schon weil sich die Rassen nicht für die konvention­elle Mast eignen. Zudem sind da die geringeren Legeleistu­ngen, die sich aber über den höheren Verkaufspr­eis für Bio-Produkte ausgleiche­n lassen. Zur Philosophi­e der Meisters, möglichst viele Prozesse in der eigenen Hand zu haben, gehört auch die Schlachtun­g. Für diesen Zweck errichtete­n sie einen EU-zertifizie­rten Schlachtra­um auf dem Hof, in dem alle eigenen Tiere geschlacht­et werden.

Die Tierhaltun­g zahlte sich nicht nur wirtschaft­lich aus. So wurden Sabine und Peter Meister im Rahmen der Messe Grüne Tage Thüringen 2016 mit dem Bio-Preis des Thüringer Landwirtsc­haftsminis­terium ausgezeich­net. Mit ihrem Bio-Geflügelho­f siegten sie in der Kategorie »Unverarbei­tetes Bioprodukt«. »Die Jury überzeugte damals die Fleischqua­lität unserer Zweinutzun­gshühner«, erinnert sich Sabine Meister. Letztlich gab jedoch das Gesamtkonz­ept des familiär geführten Betriebs den Ausschlag für die Ehrung.

Mit etwa 20 Bio-Läden und Bio-Großhändle­rn haben Meisters heute feste Liefervert­räge.

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Foto: Filip Lachmann Zunächst hatte Familie Meister zehn Hühner.

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