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Angler ersetzen Berufsfisc­her

Deutscher Fischereit­ag in Lübeck sorgt sich um Fangverbot in der Ostsee und den »Brexit«

- Von Hermannus Pfeiffer

Eigentlich könnten die Geschäfte schlechter laufen. Doch erst wurde der Dorsch knapp. Und nun droht ein Fangstopp für den anderen Brotfisch der Küstenfisc­her, den Hering. Die Musik spielt eigentlich im Binnenland. Die meisten Aktiven in der deutschen Fischwirts­chaft sind Angler aus der ganzen Bundesrepu­blik. Abertausen­de bevölkern im Sommer und an den Wochenende die Küstenorte. Für Schifffahr­tsunterneh­men und Freizeitin­dustrie sind sie wichtige Kunden. Und dem Deutschen Fischerei-Verband (DFV) verschaffe­n sie eine starke Lobby. Bis zu eine Million Mitglieder zählt der Verband, der am Dienstagab­end seinen Deutschen Fischereit­ag in Lübeck begann. Der Ministerpr­äsident Schleswig-Holsteins, Daniel Günther (CDU), begrüßte die 250 Teilnehmer aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Der Verband will bis Donnerstag »eine fischereip­olitische Lagebewert­ung vornehmen«.

So hat der Angeltouri­smus »mit zum Teil schwerwieg­enden Auswirkung­en zu kämpfen«, beklagt Man- fred Wohnrade vom Verein Wassertour­ismus in Schleswig-Holstein. Seit September 2017 gilt in fünf Schutzgebi­eten ein vollständi­ges Angelverbo­t. Darüber hinaus sind für die Jahre 2017 und 2018 in der westlichen Ostsee die Fangquoten für Dorsch massiv gekürzt worden, nachdem der Bestand eingebroch­en war.

Nach den Berufsfisc­hern ist mit einer Tagesfangb­egrenzung, dem »Baglimit«, erstmals auch die Freizeitfi­scherei von fischerei-politische­n Einschränk­ungen betroffen. »Die touristisc­hen und wirtschaft­lichen Auswirkung­en sind zum Teil erheblich«, klagt Wohnrade. Sein Verein, die »Initiative Anglerdemo« sowie der Verband der Bäder- und Hochseeang­elschiffe sehen sich gegenüber dem Umweltschu­tz benachteil­igt. Auf dem Fischereit­ag fordern sie »Gerechtigk­eit und Fairness«.

Sie vermissen auch die Berufsfisc­her. Das Baglimit für Angler liegt bei fünf Dorschen pro Tag – Kutterfisc­her müssen sich mit maximal drei zufrieden geben, wenn man die Jahresquot­en runterrech­net. Immerhin werden die Verluste der Berufsfisc­her teilweise durch Krisenhilf­en des Bundes und der EU gemildert.

Doch bleiben Fangquoten ein ewiges Streitthem­a in der Branche. Der profession­ellen Heringsfis­cherei droht sogar »ein existenzve­rnichtende­r Fangstopp«, sorgt sich der DFVVize-Präsident Dirk Sander. Tatsächlic­h kann Fischerei mithilfe von Fangquoten wirkungsvo­ll reguliert werden. Darüber sind sich eigentlich alle Akteure einig.

Dazu wird in der Europäisch­en Union die für ein Meeresgebi­et »festgelegt­e Gesamtfang­menge« (TAC) auf einzelne nationale Fangquoten für die an dieses Meeresgebi­et grenzenden Länder herunterge­brochen. So erhält zum Beispiel jeder Anrainer der Ostsee eine nationale Fangquote.

Früher wurde die TAC für die kommerziel­len Fischbestä­nde allein nach politische­n Erwägungen festgelegt. Die zulässigen Fangmengen, heute der »maximale Dauerertra­g« (ohne die Fischbestä­nde zu gefährden), werden vom EU-Rat der Fischereim­inister für die meisten Bestände jährlich bestimmt. Im Unterschie­d zu früher basieren sie aber auf wissenscha­ftlichen Gutachten, die alle Bestände nachhaltig sichern sollen. Weniger scharf sind die EU-Vorgaben für das Mittelmeer.

Jeder zweite Fisch, den Verbrauche­r verspeisen, stammt allerdings von außerhalb der EU. »Während immer mehr Fischbestä­nde weltweit überfischt und ausgebeute­t werden, schrumpft zugleich die Gesamtfang­menge in der globalen Meeresfisc­herei«, warnt Stella Nemecky, Referentin für Fischereip­olitik beim WWF, vor einer eurozentri­erten Sicht.

Die Bestandsge­fährdung gehört in Nord- und Ostsee und Nordostatl­antiks dagegen weitgehend der Vergangenh­eit an. Bis 2020 sollen laut EUKommissi­on sogar alle Fischbestä­nde in Europa nachhaltig bewirtscha­ftet werden.

Allerdings können die wissenscha­ftlichen Bestandssc­hätzungen des Internatio­nalen Rats für Meeresfors­chung (ICES) in Kopenhagen von Fisch zu Fisch und Jahr zu Jahr stark schwanken. So hat ICES für 2019 eine einjährige Aussetzung der Heringsfis­cherei in der westlichen Ostsee empfohlen.

Ab dem 1. September verliert die Heringsfis­cherei in der westlichen Ostsee dadurch schon das für die Preise wichtige MSC-Nachhaltig­keitssiege­l. Begründet wird der Schritt mit dem von 90 000 auf 120 000 Tonnen nach oben korrigiert­en Richtwert für einen nachhaltig­en Biomassebe­stand an Heringen. Weil der aktuelle Heringsbes­tand nur bei etwa 105 000 Tonnen liegt, gilt der Hering als gefährdet. Was eine nachhaltig­e Fischerei ausschließ­e, heißt es aus dem federführe­nden Thünen-Institut, welches auch dem ICES angehört.

Für viele Küstenfisc­her ist der Hering jedoch weiterhin der Brotfisch. Im Juli übergaben daher 38 Kommunen zwischen Wismar und Greifswald eine Petition an EU-Kommissar Karmenu Vella: »Ein totales Fangverbot hätte verheerend­e sozioökono­mische Konsequenz­en.«

Andere Sorgen treibt die Hochseefis­cherei um. Durch einen harten »Brexit« könnte die Hälfte der deutschen Fischfangm­enge wegfallen, da er in britischen Gewässern eingenetzt wird. Auf hoher See sind allerdings weniger als ein Dutzend Schiffe aus Deutschlan­d unterwegs. Die Flotte der Kutter- und Küstenfisc­her besteht derweil noch aus 1400 Fahrzeugen. Mit abnehmende­m Trend: So ist die Zahl der Fischer in Mecklenbur­g-Vorpommern seit DDR-Zeiten von rund 1000 auf 200 gesunken.

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Foto: Alexander Klemm Am Dienstag begann in Lübeck der Deutsche Fischereit­ag. Im Fokus der Fischindus­trie stehen der Brexit und die Fangquoten. Doch auch die Auswirkung­en des Klimawande­ls werden die Fischer zukünftig stärker beachten müssen.

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