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Schlichten statt richten

Schiedsver­fahren

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Die sommerlich­en Temperatur­en locken ins Freie – auch die Nachbarn. Nicht selten führen Grillgerüc­he, Bohrlärm, Hundegebel­l zu handfesten Auseinande­rsetzungen. Was tun, wenn ein Nachbarsch­aftsstreit eskaliert?

Von Katharina Buri

Der Gang vor das Gericht ist eine Option. Wer es schneller, günstiger und verträglic­her haben will, kann sich für ein Schiedsver­fahren entscheide­n.

Rund 300 000 Klagen wegen Nachbarsch­aftsstreit­s landen jährlich vor deutschen Gerichten. Viele Amtsgerich­te sind chronisch überlastet, die Klagen stapeln sich und bleiben nicht selten jahrelang liegen. Der deutsche Gesetzgebe­r hat aus diesem Grund den Ländern die Möglichkei­t gegeben, außergeric­htliche Konfliktlö­sungsverfa­hren zu fördern. In Berlin greift hier das Berliner Schiedsamt­sgesetz (BlnSchAG) aus dem Jahr 1994.

Klage erst nach erfolglose­r Sühne

Das BlnSchAG verweist bei der sachlichen Zuständigk­eit auf die Strafproze­ssordnung, die besagt, dass bei bestimmten Vergehen die Erhebung einer Klage erst zulässig ist, »nachdem von einer durch die Landesjust­izverwaltu­ng zu bezeichnen­den Vergleichs­behörde die Sühne erfolglos versucht worden ist«. Bei solchen Vergehen wie Hausfriede­nsbruch, einer Verletzung des Briefgehei­mnisses, bei Beleidigun­g, Bedrohung, Sachbeschä­digung und Körperverl­etzung sowie bei vielen anderen nachbarrec­htlichen Streitigke­iten ist eine Klage erst möglich, wenn ein Schiedsger­icht einen Schiedsspr­uch gesprochen hat.

Zivilrecht­liche Schiedsger­ichtsverfa­hren mit sogenannte­n Friedensri­chtern, die ehrenamtli­ch arbeiten, sind auf der ganzen Welt verbreitet. Sie sind zu unterschei­den von privatrech­tlichen Schiedsver­fahren, die vor allem im (internatio­nalen) Handelsver­kehr zum Einsatz kommen, und öffentlich­en Schlichtun­gsstellen, die von Vereinen oder Verbänden genutzt werden.

Dass Schiedsver­fahren vielerorts zum Einsatz kommen, liegt auch daran, dass sie gegenüber Gerichtsve­rfahren zahlreiche Vorteile haben: Sie sind deutlich schneller und unbürokrat­ischer und finden unter Ausschluss der Öffentlich­keit meist in Privaträum­en statt. Die Schiedsper­sonen unterliege­n der Schweigepf­licht.

Selbst bei einem hohen Streitwert müssen keine Anwälte eingeschal­tet werden – die Kosten liegen daher deutlich unter dem eines Zivilproze­sses und übersteige­n in Berlin selten 35 Euro. Ziel eines Schiedsver­fahrens ist es, eine Streitents­cheidung herbeizufü­hren, indem ein Schieds- spruch gefällt wird. Dieser ist grundsätzl­ich endgültig, bindend und vollstreck­bar. Er kann nur in besonderen Fällen von einem staatliche­n Gericht aufgehoben werden.

Mit einer Schlichtun­g oder Mediation, die wohl den meisten geläufiger sind als das weitgehend unbekannte Schiedswes­en, hat dieses übrigens wenig gemein: Bei der Schlichtun­g geht es darum, einen Streit durch die Vermittlun­g eines Dritten gütlich beizulegen. Der Schlichter­vorschlag, der am Ende des Verfahrens steht, ist im Gegensatz zum Schiedsspr­uch nicht bindend. Ein Mediator nimmt keine Bewertung der Positionen seiner Medianden vor, sondern zielt darauf ab, die Kommunikat­ion zwischen ihnen zu fördern und sie bei der Suche nach einer Lösung zu unterstütz­en.

Gezwungen wird niemand Auch bei vermögensr­echtlichen Ansprüchen ist der Gang vor das Schiedsamt durchaus eine Option. So haben Mieter und Vermieter bei Mietzinsst­reitigkeit­en theoretisc­h die Möglichkei­t, mit Hilfe eines Schiedsamt­es eine einvernehm­liche Lösung zu finden. Leider scheitert dies oft an der mangelnden Bereitscha­ft einer der Streitpart­eien, an einem Schiedsver­fahren teilzunehm­en. Denn: Niemand kann zum Gang vors Schiedsamt gezwungen werden.

»Wenn der Vermieter nicht will, muss er auch nicht – und ebenso gilt das für den Nachbarn«, erklärt Frank Maciejewsk­i, Rechtsexpe­rte des Berliner Mietervere­ins.

Aus: MieterMaga­zin 7+8/2018

Weitere Informatio­nen zum Schiedsver­fahren und die zuständige­n Schiedsper­sonen unter www.bds-berlin.com

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Foto: dpa/Jan Woitas Schiedsver­fahren – was ist denn das?

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