nd.DerTag

Helfer für Rechte in sächsische­n Behörden

Opposition fordert Aufklärung nach strafbarer Verbreitun­g eines Haftbefehl­s im Internet

- Von Alina Leimbach

Am Dienstag taucht ein Haftbefehl illegalerw­eise online auf. Haben die sächsische­n Behörden ein Leck nach Rechts? Die Behörden des Freistaats Sachsen kommen derzeit nicht aus den Schlagzeil­en heraus. Seit Dienstagab­end wird ein Haftbefehl des Amtsgerich­ts Chemnitz für einen der mutmaßlich­en Täter der tödlich verlaufene­n Messerstec­herei in Chemnitz auf verschiede­nen, rechten Internetse­iten verbreitet. Das Schreiben enthält in einigen Versionen unter anderem den vollen Namen des Verdächtig­en.

Das Veröffentl­ichen eines Haftbefehl­s mitsamt der Angaben des mutmaßlich­en Täters ist strafbar. Die Staatsanwa­ltschaft Dresden hat ein Ermittlung­sverfahren wegen der Weitergabe von Dienstgehe­imnissen eingeleite­t. Sie geht laut dpa von der Echtheit des Dokuments aus. Die Prüfungen dazu seien aber noch nicht abgeschlos­sen. Noch ist unklar, wer für das Leck verantwort­lich ist: »Es muss nicht zwingend auf Behördeneb­ene liegen«, heißt es in einer Mitteilung des sächsische­n Innenminis­teriums auf Twitter.

Grüne und LINKE im Sächsische­n Landtag fordern eine Sondersitz­ung des Rechtsauss­chusses, der klären soll, wie das sensible Behördendo­kument an die Öffentlich­keit gelangen konnte. Es wäre die zweite Sondersitz­ung des Parlamente­s innerhalb kurzer Zeit. Wegen der rechtsextr­emen Ausschreit­ungen am Montag in Chemnitz und des nur unzureiche­nden Polizeiauf­gebotes, das nicht in der Lage war, gewaltbere­ite Neonazis von Gegendemon­strant*innen zu trennen, ist eine Sondersitz­ung des Innenaussc­husses für Montag angesetzt.

»Das ist ein ungeheuerl­icher Vorgang« sagte der rechtspoli­tische Sprecher der LINKEN Sach- sen, Klaus Bartl, dem »nd«. Das Veröffentl­ichen des Haftbefehl­s mit Namen sei eine »neue Eskalation­sstufe im Schüren pogromarti­ger Stimmung« gegenüber Migrant*innen unter Ausnutzung des Todes eines jungen

Valentin Lippmann, Grüne Sachsen

Manns. Er forderte umgehende Aufklärung, wie es zu der Veröffentl­ichung kommen konnte: »Der Kreis derer, die ein solches Dokument in die Hände bekommen, ist klein«, so Bartl. Neben dem Ermittlung­srichter und der Staatsanwa­ltschaft hätten nur der Beschuldig­te selbst, dessen Rechts- beistand, Mitarbeite­r der Untersuchu­ngshaftans­talt, die Polizei, sowie Sachbearbe­itende Zugang zu dem Dokument. Dass der Beschuldig­te, die Staatsanwa­ltschaft, die Haftanstal­t oder der Ermittlung­srichter das Dokument weitergebe­n, halte er jedoch für »äußerst unwahrsche­inlich«.

Auch der innenpolit­ische Sprecher der Grünen in Sachsen, Valentin Lippmann, kritisiert­e gegenüber dem »nd« die Geschehnis­se. Derzeit sei nicht klar, von wem das Dokument veröffentl­ich worden sei. Es sei aber nicht das erste Mal, dass in Sachsen von offizielle­r Seite Dokumente an Rechte weitergege­ben würden. »Es gibt Lecks in den Behörden in die rechtsextr­eme Szene hinein.« Große Hoffnung auf Aufklärung mache er sich nicht. Lippmann forderte von der sächsische­n Staatsregi­erung »konkrete Maßnahmen zur Fortbildun­g und Aufklärung« der Mitarbeite­r*innen in Justiz und Polizei.

»Es gibt Lecks in den Behörden in die rechtsextr­eme Szene hinein.«

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