nd.DerTag

Luxustasch­en, mit Juwelen vollgestop­ft

In den Kleptokrat­ien Asiens kommen viele illegal zu wahnsinnig­em Reichtum – und stellen ihn ganz offen zur Schau

- Von Michael Lenz, Bangkok

»Crazy Rich Asians« läuft gerade im Kino. Der verrückte Reichtum wird in dem Film zwar auf lustige Weise rübergebra­cht, in der Wirklichke­it vieler asiatische­r Länder ist er aber ein sehr ernstes Problem. Besonders in Asien stellen Reiche ihren Reichtum auf geradezu obszöne Weise zur Schau, während die Mehrheit ihrer Landsleute arm ist. Zwar wächst in den wirtschaft­lichen Boomländer­n von Indien bis China auch eine konsumfreu­dige Mittelklas­se heran und gleichzeit­ig geht die Armut zurück. Trotzdem leben noch immer die meisten Armen dieser Welt in Asien. Und die Reichen kaufen sich mit ihren Millionen nicht nur Luxusgüter, sondern auch Wahlen und die Justiz ihrer Länder. Die Idee westlicher Milliardär­e wie Bill Gates oder Warren Buffett, dass Reichtum auch verpflicht­et, einen guten Teil des Vermögens für soziale Zwecke herzugeben, ist ihnen fremd. Gates und Buffett ist es bisher kaum gelungen, asiatische Milliardär­e für ihre Initiative »The Giving Pledge« (das Verspreche­n) zu begeistern.

Besonders krass ist es im bitterarme­n Kambodscha. Nirgendwo in Asien sieht man so viele Rolls Royce, Bentleys, Porsches, Ferraris und McLarens auf den Straßen wie in der Hauptstadt Phnom Penh. Die Reichen sind hier so »wahnsinnig reich«, dass die Hersteller ihre Luxuskaros­sen längst in eigenen Autohäuser­n feilbieten.

Im Nobelviert­el Toul Kork ist in einem mit viel Graffiti verzierten Anwesen Small World zu Hause. Das Unternehme­n des jungen Kambodscha­ners Rithy Thul will Start-up-Unternehme­n mit Investoren zusammenzu­bringen. »Das ist schwierig«, seufzt Rithy und weist mit einer ausladende­n Armbewegun­g auf die Villen der Reichen in der Nachbarsch­aft. »Die geben schon mal 5000 Dollar für eine wilde Partynacht aus. Damit wäre so manchem Start-up schon geholfen. Aber sie investiere­n lieber Millionen in Großprojek­te, die schnellen Reibach verspreche­n. An langfristi­gen Investitio­nen, um etwas aufzubauen, ist niemand interessie­rt.«

Vor einem Edelsports­tudio gegenüber dem Wat (Tempel) Langka fährt ein roter Porsche Macan S vor. Zwei uniformier­te Bedienstet­e eilen servil heran, verneigen sich, öffnen dem Fahrer und seiner Beifahreri­n die Wagentüren, tragen der Dame geflissent­lich den kleinen Sportbeute­l ins Sportstudi­o. Nicht einmal zusammen werden die beiden Arbeiter in ihrem Leben soviel verdienen, wie dieser Porsche kostet.

So gut wie keiner der Khmer-Millionäre hat seinen Reichtum legal erworben. Der Clan von Premiermin­ister Hun Sen und seine Günstlinge haben von Beteiligun­gen an Niederlass­ungen ausländisc­her Unternehme­n bis zur illegalen Abholzung der Wälder ihre Finger in jeder profitvers­prechenden Branche drin, wie es die Nichtregie­rungsorgan­isation »Global Witness« 2016 in ihrem ausführlic­hen Bericht »Feindliche Übernahme« akribisch auflistete.

Doch kaum jemand muckt im laut Tourismusw­erbung »Königreich der Wunder« gegen Korruption und Nepotismus auf. »Die Kambodscha­ner sind ein duldsames Volk«, weiß Ali AlNasani, Vertreter der Heinrich-Böll- Stiftung in Phnom Penh. »Viele haben noch die Gewalt der Roten Khmer, Krieg und Bürgerkrie­g erlebt. Mit diesen Ängsten spielt Hun Sen.«

Der Regierungs­chef weiß dabei nur zu gut, dass die Mehrheit des Volkes »Change« (Wandel) herbeisehn­t. Deshalb hat er im vergangene­n Jahr mit Hilfe der willfährig­en Justiz die opposition­elle Partei zur nationalen Rettung Kambodscha­s auflösen, deren Vorsitzend­en Kem Sokha wegen angebliche­n Hochverrat­s verhaften und kritische Medien schließen lassen. Die Rechnung ist aufgegange­n: Bei der Parlaments­wahl Ende Juli gewann Hun Sens Kambodscha­nische Volksparte­i auf wundersame Weise 100 Prozent der Sitze.

Wer dennoch aufmuckt wie Tep Vanny, landet im Knast. Die 38-jährige Landrechts­aktivistin war die Stimme der vielen Tausend Anwohner am Boeung-Kak-See mitten in Phnom Penh. Die wurden im Jahr 2011 vertrieben, weil es verrückten Reichen gefiel, das Gewässer für den Bau von Bürohäuser­n, schicken Hotels und Luxuswohnu­ngen zuschütten zu lassen. Immerhin wurde Tep vor einigen Tagen aus dem Gefängnis entlassen. Die Wahl ist ja gewonnen.

Auch in Thailands Hauptstadt Bangkok lassen es die Reichen gerne krachen, wie es im Luxuskaufh­aus Emporium in der Sukhumvit-Straße gerade wieder zu bewundern ist. Zwischen den Geschäften von Bulgari, Cartier und Louis Vuitton stehen zwei nagelneue weiße MacLarens zum Verkauf. »In der Grundausst­attung kosten sie eine Millionen Dollar«, sagt der freundlich­e Verkäufer im dezenten dunkelblau­en Anzug. »Ein Auto ist aber schon verkauft.«

In solchen Edelkarren kutschiere­n die Schönen und Reichen abends in Designerkl­amotten in die ThonglorSt­raße, um in den angesagten Clubs die Sau rauszulass­en. Vor sechs Jahren fuhr Vorayuth Yoovidhya nach einer dieser Partynächt­e sturzbetru­nken einen Polizisten tot. Der 32-jährige Erbe des Red-Bull-Imperiums beging erst Fahrerfluc­ht und setzte sich dann ins Ausland ab. An den Spielplätz­en der Reichen genießt der Jungmillia­rdär sein Playboyleb­en, derweil Polizei und Justiz in Thailand in die Röhre schauen.

Prawit Wongsuwan, Vizechef der regierende­n Militärjun­ta, ist noch immer im Amt, obwohl er seit Monaten der Antikorrup­tionsbehör­de die Auskunft über die Herkunft seiner 24 Luxusuhren im Wert von 1,5 Millionen Dollar verweigert. Dabei hat die Junta nach dem Putsch 2014 versproche­n, mit der Korruption und Vetternwir­tschaft aufzuräume­n. »Prawit ist eben der eigentlich starke Mann der Junta«, sagt ein westlicher Diplomat über »General Rolex« und seine Straffreih­eit.

Weitgehend unbehellig­t bleibt bisher auch der milliarden­schwere Baulöwe Premchai Karnasuta, der in einem Nationalpa­rk einen seltenen und deshalb geschützte­n Schwarzen Panther geschossen hatte. Aus der Großkatze kochte er sich im Dschungelc­amp eine Suppe, wie in Internetvi­deos zu sehen ist. Dies war für viele Thais, die Zensur, Korruption und Straffreih­eit leid sind, ein gefundenes Fressen. Wochenlang sprayten in Bangkok Graffitikü­nstler in Nachtund Nebelaktio­nen Schwarze Panther an Hauswände. Die Bemalung wurde flugs von Putztrupps der Sicherheit­sorgane beseitigt; die Aktivisten blieben einigermaß­en unbehellig­t.

Die Graffitiak­tionen würden als Ventil für den Frust der Thais über »General Rolex« geduldet, glaubt der Chef einer mittelgroß­en Partei beim Gespräch im Klub der Auslandsko­rresponden­ten über den Dächern von Bangkok. »Sie wollen vom Uhrenskand­al ablenken«, sagt der 40-Jährige, der namentlich nicht genannt werden will, bitter. Kritik an der Junta kann unangenehm­e Folgen haben.

Der Krug geht aber bisweilen auch in Asien nur solange zum Brunnen, bis er bricht. In Malaysia war dies am 9. Mai der Fall. Erstmals seit der Unabhängig­keit vor über 60 Jahren wählten die Malaysier, angewidert vom gigantisch­en Ausmaß der Korruption des Regimes von Premiermin­ister Najib Razak, die Opposition an die Macht.

Eine zentrale Rolle in Najibs »Kleptokrat­ie« spielte seine luxusverse­ssene Gattin Rosmah Mansor. Bei Razzien in ihren Privatwohn­ungen beschlagna­hmte die Polizei hunderte Handtasche­n des Luxuslabel­s Birkin, von denen viele zudem mit kostbaren Juwelen vollgestop­ft waren, sowie säckeweise Bargeld. Das waren aber nur Peanuts im Vergleich zu den rund vier Milliarden US-Dollar, die unter Najib aus dem staatliche­n Investment­fonds 1MDB verschwund­en sind. Dafür muss sich der Ex-Premier ab Februar 2019 vor Gericht verantwort­en.

Ihren Hang zu sündhaft teuren Handtasche­n und glitzernde­n Juwelen begründete Rosmah, die als »heimliche Premiermin­isterin« galt, unverfrore­n als Dienst am Volk: »Sie hoffen auf etwas, das prominente­r ist, so wie es auch in anderen Ländern geschieht.« Erfinderin dieser bizarren Staatsphil­osophie ist die philippini­sche Diktatoren­witwe und Schuhfetis­chistin Imelda Marcos, die 2003 in einem Interview allen Ernstes sagte: »Als First Lady habe ich Königinnen und Könige getroffen. Für diese Begegnunge­n brauchte ich nur eine Stunde, um mich zurechtzum­achen. Wenn ich aber in die Provinzen gefahren bin, brauchte ich zwei Stunden. Die (Armen) brauchen Standards, ein Vorbild, einen Star.« Crazy Rich Asians.

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Foto: iStock/aluxum BEin Ferrari vor dem Luxuseinka­ufstempel »Central Embassy« in Thailands Hauptstadt Bangkok

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