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HDP-Mann droht die Abschiebun­g

BAMF verharmlos­t Zustände in der Türkei

- Von Peter Nowak

Tausende Opposition­elle sitzen in der Türkei in Gefängniss­en. Darunter sind gewählte Mandatsträ­ger*innen, zahlreiche Mitglieder, aber auch einfache Unterstütz­er*innen der linken Opposition­spartei HDP. Viele fliehen in das europäisch­e Ausland. Dazu gehört auch Ömer Bilin. Der HDPUnterst­ützer ist zunächst aus der Türkei nach Irak geflohen, wo er einige Zeit lebte. Von dort war er am 10. August 2018 mit dem Flugzeug nach Deutschlan­d eingereist. Am Frankfurte­r Flughafen stellte er einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde vor einigen Tagen vom Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF) mit der Begründung abgelehnt, es gäbe keine Folter in der Türkei, daher könne dem Antragstel­ler auch keine Folter drohen.

In dem Bescheid des Bundesamte­s wird der Regierung der Türkei bescheinig­t, alle gesetzgebe­rischen Mittel eingesetzt zu haben, um Folter und Misshandlu­ng in der Türkei zu unterbinde­n. »Diese Behauptung steht in einem so deutlichen Widerspruc­h zu den tatsächlic­hen Verhältnis­sen, dass sie entweder nur als zynisch oder als offene Bekundung der Zusammenar­beit mit dem Unterdrück­erregime verstanden werden kann«, kritisiert­e Bilins Rechtsanwa­lt Berthold Fresenius.

Ömer Bilin habe sich im Rahmen der HDP aktiv für Demokratie und die Rechte der Kurd*innen in der Türkei eingesetzt, betonte der Jurist. Mehrere seiner Verwandten würden wegen ihrer Opposition­spolitik gegen das Erdogan-Regime verfolgt. Im Sommer 2018 sei ein Cousin, der jahrelang an verantwort­licher Stelle in der HDP aktiv war, nach Deutschlan­d geflohen.

Fresenius listete gegenüber »nd« Gründe auf, warum sein Mandant in akuter Gefahr wäre, wenn man ihn ausliefern würde. Zwei in der Türkei festgenomm­ene Verwandte seien bei Verhören nach Ömer Bilin befragt worden. Ihnen wurde vorgehalte­n, dass es sich um einen Terroriste­n handele. Im Jahr 2015 sei zudem in zahlreiche­n türkischen Zeitungen ein Lichtbild von Bilin gemeinsam mit dem Bild des Bruders des inhaftiert­en ehemaligen HDP-Vorsitzend­en Selahattin Demirtas verbreitet worden. Beiden wurde dort die Mitgliedsc­haft in der kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK vorgeworfe­n. Bereits 2012 sei gegen seinen Mandanten wegen Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g ermittelt worden, bestätigte Fresenius gegenüber »nd«. Zwei türkische Rechtsanwä­lte hätten bestätigt, dass es in der Türkei noch immer einen Suchbefehl gegen seinen Mandanten gebe.

Im Gespräch mit »nd« monierte Fresenius auch den Umgang der Ausländerb­ehörde mit Ömer Bilin, der nun am Flughafen in Frankfurt festsitzt. »Mein Mandant wurde, bevor mir der ablehnende Bescheid zugestellt wurde, zwangsweis­e dem türkischen Konsulat vorgeführt. Dort erklärte man ihm ganz offen, er werde bei einer Ablehnung seines Asylantrag­es auf dem Flughafen festgenomm­en und gefesselt nach Ankara gebracht. Seine juristisch­en Mittel gegen die Ausweisung sind sehr begrenzt«, betonte der Rechtsanwa­lt. »Gegen eine Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts im Flughafen-Eilverfahr­en ist keine Beschwerde möglich. Es bliebe nur der Weg nach Karlsruhe – sollte die Abschiebun­g durch die Bundespoli­zei nicht sofort erfolgen.«

Doch vielleicht kann politische­r Druck die Auslieferu­ng noch verhindern. »Ömer Bilin darf kein Geschenk für Erdoğan bei dessen anstehende­m Besuch in Deutschlan­d werden«, fordern auch linke Solidaritä­tsgruppen.

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