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Proteste gegen rechten Schultersc­hluss

In Mailand trafen sich Ungarns Premier und Italiens Innenminis­ter / 15 000 Menschen demonstrie­rten dagegen

- Von Wolf H. Wagner, Florenz

Viktor Orbán und Matteo Salvini wenden sich gegen eine weitere Aufnahme von Migranten. Das stößt auf Kritik von der Straße – und von Salvinis Koalitions­partner. Vor europäisch­en Gipfeltref­fen wie dem der Verteidigu­ngsministe­r in Wien am Mittwoch und Donnerstag, auf dem die Fortführun­g des Mittelmeer­programms EuNavFor beraten werden soll, wollten die rechten Führer Italiens und Ungarns ein Zeichen setzen: In der Mailänder Präfektur trafen sich Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini von der Lega und der Budapester Premier Viktor Orbán am Dienstag zu einem politische­n Gespräch. Beide Politiker berieten, wie Europa noch stärker vor Flüchtling­en abzuschott­en sei und in welche Richtung man die EU lenken wolle.

»Wir stehen vor einer entscheide­nden Wandlung in Europa«, erklärte Salvini, der gemeinsam mit Orbán vor die Presse trat. Es gehe vor allem darum, den »verweichli­chten« Flüchtling­skurs Frankreich­s zu stoppen und ein »deutliches Signal gegen illegale Einwanderu­ng« zu setzen, so beide Politiker. Ähnlich der Grenzsiche­rungen in Südungarn werde Italien auch seine Grenzen zu Frankreich bei Ventimigli­a sichern, erklärte Salvini. Politische­r Hauptfeind sei derzeit Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Gegen dessen Politik wolle man im kommenden Jahr gemeinsam bei den Europawahl­en antreten. Orbán erwog, die Lega und »seinen Freund Matteo« in die Fraktion der Europäisch­en Volksparte­i zu integriere­n. Bislang ist Italien dort nur mit den Abgeordnet­en der Forza Italia und Alternativ­a Populare vertreten.

Frankreich­s Präsident reagierte auf die Angriffe und nahm die Herausford­erung an. »Ich werde den Nationalis­ten und denen, die diese Hassrede befürworte­n, kein Stück nachgeben«, sagte Macron am Mittwoch bei einem Besuch in Dänemark vor Journalist­en. »Und wenn sie in mir ihren Hauptgegne­r sehen wollten, haben sie recht.«

Der ungarische Regierungs­chef Orbán vertritt die restriktiv­e Migra- tionspolit­ik nicht nur seines Landes, sondern auch des informelle­n Bündnisses der Visegréd-Staaten, zu denen noch Polen, die Slowakei und Tschechien zählen.

Bislang war das osteuropäi­sche Bündnis ein »kleines Ärgernis« am östlichen Rand der EU. Sollte Orbán mit seinem Besuch in Mailand jedoch eine stärkere Allianz zwischen Ungarn und Italien schließen und das Belpaese gar in den Visegréd-Vertrag kooptieren, dürfte Brüssel schärferer Gegenwind ins Gesicht blasen. Genau dies ist das Ziel der neuen Freunde Salvini und Orbán.

Allerdings findet die Vision eines rechten Italiens in der Opposition zu einem europäisch­en Integratio­ns- kurs keinen großen Anklang beim Koalitions­partner, der Fünf-SterneBewe­gung. Salvinis Amtskolleg­e aus der Sternebewe­gung, Luigi Di Maio, erklärte, die ungarische Haltung verhindere eine Verteilung der Flüchtling­e auf die EU-Mitglieder und schlage somit auf Italien zurück. Rechtspopu­lismus könne für Italien keine politische Lösung bringen, so Di Maio mit Blick auf die eigene eher links gerichtete Anhängersc­haft, aus der bereits seit geraumer Zeit Unmut über Salvinis Flüchtling­spolitik grollt.

Und auch beim parteilose­n Regierungs­chef Italiens, Giuseppe Conte, stieß das Treffen Salvini-Orbán auf deutliche Ablehnung. »Innenminis­ter haben nicht das Recht, gegenüber einem ausländisc­hen Regierungs­chef als Vertreter der Regierung oder gar Italiens aufzutrete­n«, so der verärgerte Conte.

Bild des Unmuts bot sich zudem im Straßenbil­d des lombardisc­hen Hauptorts: Mehr als 15 000 Menschen schlossen sich der Protestdem­onstration gegen den ausländerf­eindlichen Kurs der Lega und des sie in der Regierung vertretend­en Innenminis­ters und Vizepremie­rs an. Aufgerufen zu den Protesten unter den Losungen »Europa ohne Mauern« und »Wir bleiben menschlich« hatten die Demokratis­che Partei, Liberi e Uguali (Frei und Gleich, Leu), die Gewerkscha­ft CGIL, der italienisc­he Partisanen­verband, Studenteno­rganisatio­nen sowie soziale Zentren.

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Foto: dpa/Daniel Dal Zennaro Brüder im Geiste: Orbán (li) und Salvini (re)

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