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Eine Frau in einem Männerberu­f

Jennifer Macher lernt Elektronik­erin – und sie macht das ausgezeich­net, findet die Handwerksk­ammer Potsdam

- Von Andreas Fritsche

Eine Urkunde, eine Tasche und ein T-Shirt für den Lehrling des Monats, einen Blumenstra­uß für den Ausbilder. So hält es die Handwerksk­ammer Potsdam. Die Bodenbrett­er der Baugerüste biegen sich unter jedem Tritt, ein großer Schritt über einen Spalt, durch eine Türöffnung hinein in den Rohbau eines dreigescho­ssigen Wohnhauses an der Ketziner Straße, eine Treppe hinauf und dann steht Ralph Bührig überfallar­tig vor der völlig überrascht­en Jennifer Macher. Ralph Bührig ist Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Potsdam und zeichnet am Mittwochmo­rgen wieder einmal den Lehrling des Monats aus. Jennifer Macher ist diesmal die Glückliche, aber so absolut glücklich sieht sie nicht aus. Denn die Handwerksk­ammer warnt die Lehrlinge nicht vor.

So fühlt sich Jennifer Macher natürlich überrumpel­t. Die 20-Jährige kommt nicht so leicht damit zurecht, dass sie nun plötzlich für Fotografen und Kameramänn­er mit ihrem Werkzeug posieren soll. Bei der TGM GmbH Potsdam wusste vorher nur Geschäftsf­ührer Uwe Steiner Bescheid. In der Firma lernt Jennifer Macher den Beruf der Elektronik­erin. Das ist immer noch sehr selten, dass eine Frau einen solchen Beruf ergreift. Unter den 336 Elektronik­erlehrling­en im Handwerksk­ammerbezir­k Potsdam gibt es nur vier Frauen. Insgesamt sind lediglich 16 Prozent aller brandenbur­gischen Handwerksl­ehrlinge weiblich.

Doch Meister Steiner findet es falsch, den Elektronik­er als klassische­n Männerberu­f zu bezeichnen. »Diese Einstellun­g sollte man im 21. Jahrhunder­t einfach mal ablegen. An Jennifer und unserem Unternehme­n sieht man ja wunderbar, dass und wie es funktionie­rt.« Das Betriebskl­ima werde besser, wenn eine Frau im Team sei – und wenn wirklich mal mit viel Kraft ans Werk gegangen werden müsse, dann achten die Kollegen darauf, dass jemand an der Seite der zierlichen Jennifer Macher ist und mit zupackt.

»Extrem zuverlässi­g, pfiffig, sieht die Arbeit und denkt mit«, lobt Steiner seinen Schützling. Aber Jennifer ist nicht nur auf den Baustellen fleißig. In den Berufsschu­le bekommt sie gute Noten. Jennifer hatte zunächst eine Ausbildung als zahnmedizi­nische Fachangest­ellte begonnen, aber nach einem halben Jahr abgebroche­n. Es war nicht das Richtige für sie. Die Tätigkeite­n jetzt – Fräsen, Stemmen, Leitungen ziehen, Gips anrühren und Steckdosen einsetzen – das macht ihr alles Spaß, sagt sie.

An die Lehrstelle ist sie durch Zufall gekommen. Mit der Enkelin von Uwe Steiner ist sie zusammen bei der Freiwillig­en Feuerwehr. Mit einer Empfehlung klappte es. Generell ist es allerdings gar nicht schwer, eine Lehrstelle als Elektronik­er zu finden. 86 freie Ausbildung­splätze gibt es allein in Westbrande­nburg. Auch in anderen Handwerksb­erufen sind Lehrstelle­n frei. Die Betriebe suchen Nachwuchs und nehmen auch gern Frauen, besonders dann, wenn sie sich so gut anstellen wie Jennifer.

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Foto: nd/Andreas Fritsche Jennifer Macher arbeitet an Stromansch­lüssen.

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