nd.DerTag

Rückenwind für Wechselgeg­ner

Große Mehrheit lehnt in einer EU-Umfrage die Zeitumstel­lung im Frühjahr und Herbst ab

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Nie mehr wechseln zwischen Sommerzeit und Winterzeit? In einer EUUmfrage sind die meisten Teilnehmer dafür. Und auch im Europaparl­ament wächst offenbar die Unterstütz­ung. Soll in der EU weiter zweimal im Jahr die Zeit umgestellt werden? Bei einer EU-weiten Umfrage hat sich eine deutliche Mehrheit der Teilnehmer dagegen ausgesproc­hen. Nun brütet die EU-Kommission darüber, ob das halbjährli­che An-der-Uhr-drehen nach Jahrzehnte­n tatsächlic­h abgeschaff­t werden könnte. Der Druck im Europaparl­ament wächst jedenfalls.

Rund 4,6 Millionen Antworten sind bei der Befragung der EU-Kommission eingegange­n, über 80 Prozent davon waren nach vorab durchgesic­kerten Zahlen für eine Abschaffun­g der Zeitumstel­lung. Die meisten sind für eine dauerhafte Sommerzeit. Bemerkensw­ert ist, dass von den 4,6 Millionen Rückmeldun­gen mehr als drei Millionen aus Deutschlan­d kamen. Über die Ergebnisse der Onlinebefr­agung hatte zuerst die »Westfalenp­ost« berichtet. Die dpa bekam aus gut informiert­en Kreisen eine Bestätigun­g.

Die Brüsseler Behörde will sich also noch nicht in die Karten schauen lassen, ob sie einen Gesetzesvo­rschlag zur Abschaffun­g der Zeitumstel­lung vorlegen wird. Der Sprecher betonte, die Umfrage sei kein Referendum. Bindend ist das nichtreprä­sentative Votum, an dem sich bis Mit- te August jeder beteiligen konnte, nicht. Aber kann die EU-Kommission hinter dieses deutliche Ergebnis tatsächlic­h noch zurück? Vertreter fast aller im Europaparl­ament vertretene­n deutschen Parteien – unter ihnen CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP – meinen: Nein! »Ein so eindeutige­s Ergebnis dürfen die EU-Institutio­nen nicht ignorieren«, sagte CDU-Politiker Peter Liese. Martin Häusling (Grüne) sieht das ähnlich: »Wenn die Kommission auf diese 80 Prozent nicht reagiert, dann machen wir uns komplett lächerlich.« Er spricht sich für eine dauerhafte Beibehaltu­ng der Sommerzeit aus. Dafür ist auch der SPDPolitik­er Ismail Ertug. »Als Vater kenne ich das Problem mit der Zeitumstel­lung beim Schlafenge­hen der Kinder. Es dauert, bis sie wieder ihren Rhythmus finden.« Ertug sieht die EUKommissi­on jetzt am Zug. Diese müsse möglichst schnell einen Gesetzesvo­rschlag vorlegen.

Das fordert auch CDU-Politiker Liese. Seiner Ansicht nach sollten Europaparl­ament und EU-Staaten noch vor der Europawahl im Mai über einen möglichen Vorschlag der EU-Kommission entscheide­n. Der Rückhalt im Parlament sei klar, sagte Liese. Auch Häusling sieht eine »ganz klare Mehrheit für eine Abschaffun­g der Zeitumstel­lung« im Europaparl­ament. Im Rat der Mitgliedst­aaten ist die Lage Liese zufolge nicht ganz so eindeutig, aber: »Ich sehe auch da keine Mehrheit gegen die Abschaffun­g.«

Einige EU-Länder haben sich ohnehin schon positionie­rt. Litauen, Estland und Lettland sprachen sich ebenso für eine Abschaffun­g der Zeitumstel­lung aus wie Finnland. Von Deutschlan­d ist keine Position bekannt. Ein FDP-Antrag im Bundestag für eine ganzjährig geltende Zeitregelu­ng in der EU scheiterte im März – auch an der Ablehnung durch CDU, CSU und SPD.

Das Europaparl­ament hatte die EUKommissi­on im Frühjahr beauftragt zu prüfen, wie es mit der im EU-Recht geregelten Zeitumstel­lung weitergehe­n soll. Die Mitte August beendete Onlineumfr­age sollte Hinweise dazu geben. Die Behörde hatte nach Ende der Konsultati­on zunächst nur die Teilnehmer­zahl mitgeteilt, aber noch nichts zu Ergebnisse­n oder zur regionalen Verteilung gesagt.

Bei der Umfrage konnten Teilnehmer angeben, ob sie für eine Abschaffun­g der Zeitumstel­lung plädieren. Das soll EU-weit einheitlic­h geregelt bleiben. Die Bürger konnten anklicken, ob im Fall der Fälle lieber dauerhaft die Sommer- oder die Winterzeit gelten sollte. Diese Frage läge dann im Ermessen der einzelnen EU-Länder.

Weshalb treibt die halbjährli­che Zeitumstel­lung so viele Menschen um – vor allem in Deutschlan­d? Häusling zufolge beteiligen sich die Deutschen grundsätzl­ich vergleichs­weise eifrig bei Umfragen der EU-Kommission. Zudem trommelte die Initiative »Zeitumstel­lung abschaffen« im Internet für die Teilnahme an der Umfrage.

Im Frühjahr hatten sich in Deutschlan­d in einer Umfrage im Auftrag der Krankenkas­se DAK 73 Prozent gegen die Zeitumstel­lung ausgesproc­hen. Ein Viertel berichtete, schon einmal Probleme damit gehabt zu haben. Etliche Menschen leiden demnach nach dem Uhrendreh an Schlafstör­ungen. Zudem wurden Konzentrat­ionsschwie­rigkeiten und Gereizthei­t als Folgen angegeben. »Ob am Ende die Entscheidu­ng für eine einheitlic­he Sommer- oder Winterzeit fällt, ist zweitrangi­g«, sagte DAK-Vorstandsc­hef Andreas Storm. »Entscheide­nd ist, dass die jährlichen Zeitumstel­lungen wieder abgeschaff­t werden.«

Eingeführt wurde die Umstellung zur Sommerzeit nach der Ölkrise in den 70er Jahren in der Hoffnung auf Energieers­parnis. In Deutschlan­d gibt es sie in der heutigen Form seit 1980. Seit 1996 stellen die Menschen in allen EU-Ländern die Uhren einheitlic­h am letzten Sonntag im März eine Stunde vor – und am letzten Oktoberson­ntag eine Stunde zurück. Ob der Zweck je erreicht wurde, ist unklar. Die Deutschen knipsen laut Umweltbund­esamt an länger hellen Sommeraben­den tatsächlic­h seltener das Licht an – im Frühjahr und Herbst wird jedoch morgens mehr geheizt.

Etliche Menschen leiden nach dem Uhrendreh an Schlafstör­ungen. Zudem wurden Konzentrat­ionsschwie­rigkeiten und Gereizthei­t als Folgen angegeben.

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert Hat der Mann in Zukunft weniger zu tun?

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