Die Rückkehr des Gelbfiebers per Anhalter
Brasilien: Mücken mit Erregern reisten per Auto und Lastwagen von Amazonien in den Süden.
Vergangenen April infizierten sich auf der westlich von Rio de Janeiro gelegenen und bei Touristen beliebten Regenwaldinsel Ilha Grande drei Deutsche mit Gelbfieber. Nach Angaben des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI) sind dies seit 1999 die ersten an diesem gefährlichen Fieber erkrankten deutschen Staatsbürger. Einer der Brasilienurlauber überlebte die Erkrankung nicht.
Seit 2016 leidet Südostbrasilien unter der seit rund hundert Jahren größten Gelbfieberepidemie. Brasiliens Gesundheitsbehörden registrierten zwischen Juli 2016 und Juni dieses Jahres mehr als 2000 bestätigte Infektionen. Wenigstens 850 Menschen starben in den betroffenen Bundesstaaten Minas Gerais, Espirito Santo, Rio de Janeiro und São Paulo an dem von Stechmücken übertragenen Virus. Ein internationales Wissenschaftlerteam der Universität Oxford und des staatlichen Gesundheitsinstituts Fiocruz in Rio de Janeiro untersuchte nun die Ursachen der Epidemie in Minas Gerais, wo die ersten Infektionen auftraten.
Gelbfieber wird von einem Virus ausgelöst, der durch drei unterschiedliche Stechmückenarten auf Menschen und Affen übertragen werden kann: Die im Regenwald heimischen Sabethes- und Haemagogus-Mücken und die aus Asien eingeschleppte und in Städten sich verbreitende Ägyptische Tigermücke (Aedes aegypti).
Brasiliens Südosten galt seit Jahrzehnten als frei von Gelbfieber. Der letzte größere Ausbruch fand hier 1942 statt. Die Viren wurden damals von der städtischen Tigermücke verbreitet. Das seit 2016 grassierende Fieber indes ist in Atlantischen Regenwaldgebieten in der Region des Rio Doce ausgebrochen und ließ zu- Aufforderung zur Gelbfieberimpfung in São Paulo
nächst Dutzende von Affen verenden. Stechmücken des Regenwaldes übertrugen das Virus schließlich auf die in den Gebieten lebenden oder arbeitenden Menschen, vornehmlich Männer.
Eine jüngst im Fachblatt »Science« (DOI: 10.1126/science.aat7115) veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass 85 Prozent der Erkrankten im Untersuchungsgebiet Männer der Altersgruppe von 35 bis 54 Jahren waren. Die meisten von ihnen waren Landarbeiter, die im Schnitt fünf Kilometer von Waldgebieten entfernt wohnten. In den ländlichen Regionen seien Männer mobiler und deshalb häufiger den Regenwaldmücken ausgesetzt als Frauen, die eher häuslichen Beschäftigungen nachgingen, erläutert Luiz Alcântara Fiocruz.
Die Forscher untersuchten die DNA des Gelbfiebervirus im Blut der erkrankten Primaten und Menschen und verglichen sie mit Virusgenen von früheren Epidemien. Die Ergebnisse zeigten, dass der Ausbruch nicht durch eine bereits früher in der Affenpopu-
lation Südostbrasiliens zirkulierende Gelbfieberviruslinie ausgelöst wurde, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit durch einen erst 2016 aus Amazonien eingeschleppten Stamm.
Die Studie widerlegt damit die vorige These, nach der der Dammbruch von Samarco die Ursache war. 2015 war der Damm eines mit Minenabraum gefüllten Stausees in Minas Gerais gebrochen und hatte den Rio Doce über Hunderte von Kilometern auf fast seiner gesamten Länge verschlammt und vergiftet. Nach Meinung des Tropenmediziners Eduardo Massad von der Universität von São Paulo (USP) hatte diese Umweltkatastrophe die Region aus dem ökologischen Gleichgewicht gebracht. Der giftige Schlamm hätte demnach die natürlichen Feinde der Moskitos dezimiert und zugleich das Immunsystem der Affen geschwächt, was sie anfälliger für die in der Region bereits seit langem zirkulierenden Gelbfieberviren machte.
Doch die Genanalyse der Forscher aus Oxford und Rio de Janeiro wi- derspricht dieser Annahme. Die DNA der in Minas Gerais isolierten Erreger entspricht weitestgehend einem im Nordamazonasgebiet vorkommenden Virusstamm. Die Forscher vermuten, dass dieser Erreger möglicherweise durch illegalen Handel mit Amazonasaffen nach Minas Gerais kam oder durch Stechmücken, die als »Trittbrettfahrer« per Auto von Nordbrasilien über Tausende von Kilometern in den Südosten des Landes reisten. Die kontinuierliche Erschließung Amazoniens durch weitere Straßen und seine Anbindung ans nationale Straßennetz wäre damit einer der Auslöser für die jetzige Gelbfieberepidemie in Südostbrasilien. »Nach der Ankunft in Minas Gerais im Juli 2016 verbreitete sich das Virus aus Amazonien rasch in den lokalen Moskito-Populationen und Affen mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 3,3 Kilometern pro Tag in Richtung der Metropolen São Paulo und Rio de Janeiro«, so Luiz Alcântara.
Dass es nicht auch zu einem Ausbruch von Gelbfieber in den Millionenmetropolen kam, hält Nuno Faria vom Zoologischen Institut der Universität Oxford für einen Glücksfall. »Obwohl die Bedingungen für die Übertragung in den Städten vorherrschen, ist dies glücklicherweise nicht geschehen«, so der Co-Autor der »Science«-Studie. Es sei jedoch noch unklar, warum sich der städtische Zyklus der Krankheit mit der Tigermücke als Übertragungsfaktor nicht entwickelte. Möglicherweise habe das Gelbfiebervirus Probleme mit der seit den 1970er Jahren eingeschleppten Tigermückenvariante. Denn jene Moskitos, die die letzte urbane Gelbfieberepidemie 1942 in Rio de Janeiro ausgelöst hatten, waren in den 1950er Jahren in Brasilien ausgerottet worden.