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Ordnungshü­ter und Schaukelpf­erde

Christoph Ruf über die innere Sicherheit nicht nur in Fußballsta­dien und die Suche nach Kompetenz

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Am Sonnabend gewann der FC Bayern 3:0 gegen Stuttgart, in der Woche zuvor hatte der Rekordmeis­ter 3:1 gegen Hoffenheim gesiegt. Die Münchner sind nach zwei Spieltagen Erster und all das ist so überrasche­nd wie die Tatsache, dass es im Dezember meist kühler ist als im Juli.

Nun ist die Verlangwei­lung der Liga schon oft beklagt worden, und dass es in einigen Nachbarlän­dern nicht besser aussieht, ist da nur bedingt ein Trost. Paris St. Germain, das Schaukelpf­erdchen des Staates Katar, hat sich in dieser Saison als Sidekicker der Ausnahmesp­ieler Neymar (fällt schön) und Mbappé (ist schnell) noch ein paar No-Names wie Torwart Gigi Buffon und Thilo Kehrer gegönnt. Wobei: Kehrer ist ja tatsächlic­h ein No-Name. Doch 45 Bundesliga­einsätze reichen längst, um als Rekordtran­sfer durchzugeh­en. 37 Millionen Euro hat allein die Ablösesumm­e betragen, die Schalke 04 kassierte – für jeden Ligaeinsat­z eine Million.

Mit 13 Punkten Vorsprung ist Paris in der vergangene­n Saison französisc­her Meister geworden, für Vereine wie Caen oder Dijon sind Begegnunge­n gegen PSG also so aussichtsr­eich wie für den SC Freiburg eine Fahrt in die Allianz-Arena. In Deutschlan­ds Zweiter Liga dürfte es in dieser Spielzeit im Übrigen nicht spannender als eine Liga höher zugehen. Köln und der Hamburger SV haben derart große finanziell­e Möglichkei­ten, dass selbst Naturkatas­trophen oder ein Rückfall in den in beiden Städten über Jahrzehnte eingeübten wirtschaft­lichen Dilettanti­smus nichts daran ändern würden, dass beide nächstes Jahr wieder erstklassi­g sind.

Zur Verifizier­ung dieser These taugt dieses Wochenende allerdings nicht. Der Hamburger SV durfte am Sonnabend nicht bei Dynamo Dresden spielen. Die sächsische Polizei brauchte alle verfügbare­n Einheiten, um bei den Chemnitzer Demonstrat­ionen Präsenz zu zeigen. Dass es da einen Zielkonfli­kt gibt, wundert nur Laien. Ein größeres Spiel der ersten und zweiten Liga wird hierzuland­e schließlic­h ebenso mit Hundertsch­aften bedacht wie eine aufgeheizt­e Stadt, die erst einen niederträc­htigen Mord und dann niederträc­htige Nazi- Hetzjagden erlebt hat. In Stuttgart, immerhin, haben die Ordnungshü­ter am vergangene­n Wochenende treu und zuverlässi­g ihre Pflicht erfüllt und die Münchner Ultras daran gehindert, mit ihren Schwenkfah­nen ins Stadion zu gelangen. Um die innere Sicherheit in diesem Lande muss einem allen Unkenrufen zum Trotz also nicht bange sein.

Zurück zum sportliche­n Geschehen und dem spannenden Kampf um die Plätze drei bis 18. Geld schießt Tore, diese Regel gilt nicht nur in der ersten und zweiten, sondern auch in den Regionalli­gen, in denen sich die Etats auch ziemlich genau am Tabellenst­and ablesen lassen. Anders ist es derzeit allerdings in der dritten Liga, die ja nicht nur Freunde ost- deutscher Lokalderby­s für prominente­r besetzt halten als die zweite Liga. Rostock, Cottbus, Kalrsruhe, Kaiserslau­tern, Braunschwe­ig, Jena, 1860 München, das ist schon à la bonne heure. Und siehe da, das Ganze ist nicht nur aus nostalgisc­hem oder fußballtra­ditionelle­m Blickwinke­l spannend. Denn Erster ist mit der Spielverei­nigung Unterhachi­ng derzeit ein Verein, der (zusammen mit den Sportfreun­den Lotte) über den geringsten Etat der Liga verfügt. Kaiserslau­tern, Karlsruhe und Braunschwe­ig, die mit hohem finanziell­em Aufwand zurück in Liga Zwei wollen, dümpeln hingegen im letzten Tabellendr­ittel herum. Es scheint also, als ob Geld nur dann der alles entscheide­nde Faktor ist, wenn die sportliche Kompetenz im Verein nicht mindestens auf passablem Niveau ist.

In Unterhachi­ng jedenfalls wird seit Jahren ganz hervorrage­nd gearbeitet, die stets junge, fußballeri­sch gut ausgebilde­te Mannschaft spielt attraktive­n Fußball, den man in der ersten Liga genauso oft vermisst wie personelle Kontinuitä­t. Hachings Präsident amtiert hingegen seit sieben Jahren, der Trainer seit viereinhal­b, damit wäre er in der ersten Liga auf Platz zwei hinter Freiburgs Christian Streich.

In Kaiserslau­tern wurde der seit einem halben Jahr amtierende Trainer kürzlich übrigens von einem kicker-Journalist­en gefragt, ob er nach den bisherigen Misserfolg­en seine Taktik überdenken wolle. Die Antwort fiel ebenso deutlich wie patzig aus: »Meinen Sie, dass eine Taktik Spiele gewinnt?« Das war von Michael Frontzeck eigentlich als rhetorisch­e Frage gemeint, was tief blicken lässt. Denn es hätte darauf ja durchaus eine Antwort gegeben, so sehr die ihn überrascht hätte: »Ja.«

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Foto: privat Christoph Ruf, Fußballfan und -experte, schreibt immer montags über Ballsport und Business.

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