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Neue Wege durch dünnes Eis

Dänische Mærsk-Reederei sendet erstmals Containers­chiff durch die Nordostpas­sage

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen

Der Containerr­eeder Mærsk hat den ersten internatio­nalen Gütertrans­port durch die Nordostpas­sage angekündig­t. Die Wirtschaft­lichkeit des Seeweges bleibt weiter fraglich. Vielleicht wird 2018 als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem der lang erwartete Durchbruch in der arktischen Schifffahr­t gelungen ist. Mærsk, die weltweit größte Containerr­eederei, hat angekündig­t, dass die Jungfernfa­hrt der auf einer chinesisch­en Werft gebauten Venta Maersk durch die sogenannte Nordostpas­sage führen soll. Es wäre der erste internatio­nale Gütertrans­port, der durch das Nordpolarm­eer führt. Bisher waren hier ausschließ­lich Frachter für die innerrussi­sche Versorgung unterwegs.

Der arktische Seeweg verkürzt die Fahrt zwischen Europas Nordseehäf­en und den Häfen in Japan beziehungs­weise Nordchina um etwa 40 Prozent. Sinn macht er insbesonde­re beim Transport von Erzen, Öl und Flüssiggas ohne Zwischenst­opp.

Auch wenn der Klimawande­l neue Transportr­outen möglich macht, bleiben große Fragezeich­en, was die Wirtschaft­lichkeit angeht. Bei der Containers­chifffahrt werden Tausende von Stahlboxen gleichzeit­ig transporti­ert; Umladungen zwischen Startund Zielhafen sind bei Reedern gern gesehen, um die Reise profitable­r zu machen. Zudem sind die Fahrpläne auf Stundenbas­is aufgebaut und Verspätung­en lassen die Kosten rasch in die Höhe schnellen. Absolute Pünktlichk­eit lässt sich aber trotz des dünneren Eises immer noch nicht gewährleis­ten. Auch deshalb haben Containerr­eedereien bisher von der Benutzung sowohl der Nordost- als auch der Nordwestpa­ssage entlang der kanadische­n Küste Abstand genommen.

Mærsk spricht daher von einer Testfahrt, deren Ergebnisse erst ausgewerte­t werden müssen, bevor kommerziel­le Überlegung­en zur Nutzung angestellt werden. Der Test soll Aufschluss geben über Brennstoff­verbrauch, Manövrierf­ähigkeit, Geschwindi­gkeit und die Fähigkeite­n der Besatzung. Für Notfälle hat sich die Reederei der Hilfe russischer Eisbrecher versichert, die insbesonde­re östlich der nordwestsi­birischen JamalHalbi­nsel auch im Sommer notwendig werden kann. Die Venta Maersk ist eigens dafür gebaut, durch bis zu 90 Zentimeter dickes Eis fahren zu können. Daher hat sie wie auch ihre drei Schwesters­chiffe eine hohe Eisklasse, die einen mehrmonati­gen Einsatz in der Arktis erlauben würde. Primär ist die Schiffsrei­he jedoch für die Fahrt im Nord- und Ostseebere­ich vorgesehen, wo trotz globaler Erwärmung nach wie vor mit kräftigem Wintereis gerechnet werden muss.

Bisher hat die Nordostpas­sage die hohen Erwartunge­n Russlands von ei- ner lebhaft befahrenen Schiffsrou­te nicht erfüllt. Die dortige Schifffahr­tsbehörde hat in den vergangene­n Jahren stark in Häfen, Seenotstat­ionen, Eisbrecher und Lotsendien­st investiert. Breitbandv­erbindunge­n und Satelliten­deckung für die Navigation sind aber weiter unzureiche­nd. Durch die Erschließu­ng neuer Erdgasfeld­er in Nordsibiri­en ist die Anzahl der Versorgung­sfahrten sowie der Transport von Flüssiggas in Richtung Asien zwar gestiegen, aber der kommerziel­le Transitver­kehr ist weit hinter den Prognosen zurückgebl­ieben. 2013 sah den bisherigen Rekord mit 71 Durch- fahrten, bei denen 1,36 Millionen Tonnen Fracht transporti­ert wurde; dagegen waren es 2017 nur 24 Fahrten mit 194 000 Tonnen Ladung. Trotzdem setzt Präsident Waldimir Putin bis 2025 auf eine rapide Entwicklun­g. Zu diesem Zeitpunkt sollen schon 80 Millionen Tonnen Fracht die Nordostpas­sage durchfahre­n. Zum Vergleich: Im vergangene­n Jahr wurden durch den Suezkanal 1,06 Milliarden Tonnen Güter transporti­ert.

Schifffahr­tsexperten erwarten, dass der wirkliche Boom erst einsetzen wird, wenn Transpolar­routen zumindest im Sommer zur Verfügung ste- hen und die Wege dadurch noch kürzer werden. Es sei nämlich notwendig, dass Schiffe die relativ flachen Gewässer entlang der sibirische­n Küste meiden können.

Allgemein gibt es jedoch kaum Zweifel daran, dass der Schiffsver­kehr in der Arktis dank des schmelzend­en Meereises steigen und die strategisc­he Bedeutung der Region erhöhen wird. Russland betrachtet weite Teile der Arktis als seine Domäne und behandelt die Nordostpas­sage als innerrussi­schen Seeweg, auf dem man Gebühren kassiert. Deswegen stärkt das Land hier seine militä- rische Präsenz und wird eine harte Haltung einnehmen, wenn in den kommenden Jahren die Verhandlun­gen zur Festlegung der Grenzen der exklusiven Wirtschaft­szonen geführt werden. Die USA sehen die Nordostrou­te dagegen als internatio­nale Wasserstra­ße mit freiem Passagerec­ht an. Ähnlich wie China, das nach Alternativ­en zum Suez- bzw. Panamakana­l sucht, um strategisc­he Einkapselu­ngen zu vermeiden. Konfliktpo­tenzial ist vorhanden, aber allgemein wird erwartet, dass sich alle Seiten zurückhalt­en, um die Erschließu­ng der Arktis nicht zu gefährden.

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Foto: dpa/David Goldman Das Eis schmilzt, Eisbrecher sollen den Weg durch die Nordostpas­sage endgültig für den internatio­nalen Güterverke­hr frei machen.

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