Neue Wege durch dünnes Eis
Dänische Mærsk-Reederei sendet erstmals Containerschiff durch die Nordostpassage
Der Containerreeder Mærsk hat den ersten internationalen Gütertransport durch die Nordostpassage angekündigt. Die Wirtschaftlichkeit des Seeweges bleibt weiter fraglich. Vielleicht wird 2018 als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem der lang erwartete Durchbruch in der arktischen Schifffahrt gelungen ist. Mærsk, die weltweit größte Containerreederei, hat angekündigt, dass die Jungfernfahrt der auf einer chinesischen Werft gebauten Venta Maersk durch die sogenannte Nordostpassage führen soll. Es wäre der erste internationale Gütertransport, der durch das Nordpolarmeer führt. Bisher waren hier ausschließlich Frachter für die innerrussische Versorgung unterwegs.
Der arktische Seeweg verkürzt die Fahrt zwischen Europas Nordseehäfen und den Häfen in Japan beziehungsweise Nordchina um etwa 40 Prozent. Sinn macht er insbesondere beim Transport von Erzen, Öl und Flüssiggas ohne Zwischenstopp.
Auch wenn der Klimawandel neue Transportrouten möglich macht, bleiben große Fragezeichen, was die Wirtschaftlichkeit angeht. Bei der Containerschifffahrt werden Tausende von Stahlboxen gleichzeitig transportiert; Umladungen zwischen Startund Zielhafen sind bei Reedern gern gesehen, um die Reise profitabler zu machen. Zudem sind die Fahrpläne auf Stundenbasis aufgebaut und Verspätungen lassen die Kosten rasch in die Höhe schnellen. Absolute Pünktlichkeit lässt sich aber trotz des dünneren Eises immer noch nicht gewährleisten. Auch deshalb haben Containerreedereien bisher von der Benutzung sowohl der Nordost- als auch der Nordwestpassage entlang der kanadischen Küste Abstand genommen.
Mærsk spricht daher von einer Testfahrt, deren Ergebnisse erst ausgewertet werden müssen, bevor kommerzielle Überlegungen zur Nutzung angestellt werden. Der Test soll Aufschluss geben über Brennstoffverbrauch, Manövrierfähigkeit, Geschwindigkeit und die Fähigkeiten der Besatzung. Für Notfälle hat sich die Reederei der Hilfe russischer Eisbrecher versichert, die insbesondere östlich der nordwestsibirischen JamalHalbinsel auch im Sommer notwendig werden kann. Die Venta Maersk ist eigens dafür gebaut, durch bis zu 90 Zentimeter dickes Eis fahren zu können. Daher hat sie wie auch ihre drei Schwesterschiffe eine hohe Eisklasse, die einen mehrmonatigen Einsatz in der Arktis erlauben würde. Primär ist die Schiffsreihe jedoch für die Fahrt im Nord- und Ostseebereich vorgesehen, wo trotz globaler Erwärmung nach wie vor mit kräftigem Wintereis gerechnet werden muss.
Bisher hat die Nordostpassage die hohen Erwartungen Russlands von ei- ner lebhaft befahrenen Schiffsroute nicht erfüllt. Die dortige Schifffahrtsbehörde hat in den vergangenen Jahren stark in Häfen, Seenotstationen, Eisbrecher und Lotsendienst investiert. Breitbandverbindungen und Satellitendeckung für die Navigation sind aber weiter unzureichend. Durch die Erschließung neuer Erdgasfelder in Nordsibirien ist die Anzahl der Versorgungsfahrten sowie der Transport von Flüssiggas in Richtung Asien zwar gestiegen, aber der kommerzielle Transitverkehr ist weit hinter den Prognosen zurückgeblieben. 2013 sah den bisherigen Rekord mit 71 Durch- fahrten, bei denen 1,36 Millionen Tonnen Fracht transportiert wurde; dagegen waren es 2017 nur 24 Fahrten mit 194 000 Tonnen Ladung. Trotzdem setzt Präsident Waldimir Putin bis 2025 auf eine rapide Entwicklung. Zu diesem Zeitpunkt sollen schon 80 Millionen Tonnen Fracht die Nordostpassage durchfahren. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden durch den Suezkanal 1,06 Milliarden Tonnen Güter transportiert.
Schifffahrtsexperten erwarten, dass der wirkliche Boom erst einsetzen wird, wenn Transpolarrouten zumindest im Sommer zur Verfügung ste- hen und die Wege dadurch noch kürzer werden. Es sei nämlich notwendig, dass Schiffe die relativ flachen Gewässer entlang der sibirischen Küste meiden können.
Allgemein gibt es jedoch kaum Zweifel daran, dass der Schiffsverkehr in der Arktis dank des schmelzenden Meereises steigen und die strategische Bedeutung der Region erhöhen wird. Russland betrachtet weite Teile der Arktis als seine Domäne und behandelt die Nordostpassage als innerrussischen Seeweg, auf dem man Gebühren kassiert. Deswegen stärkt das Land hier seine militä- rische Präsenz und wird eine harte Haltung einnehmen, wenn in den kommenden Jahren die Verhandlungen zur Festlegung der Grenzen der exklusiven Wirtschaftszonen geführt werden. Die USA sehen die Nordostroute dagegen als internationale Wasserstraße mit freiem Passagerecht an. Ähnlich wie China, das nach Alternativen zum Suez- bzw. Panamakanal sucht, um strategische Einkapselungen zu vermeiden. Konfliktpotenzial ist vorhanden, aber allgemein wird erwartet, dass sich alle Seiten zurückhalten, um die Erschließung der Arktis nicht zu gefährden.