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Wenn die Arktis eisfrei wird

Wegen der absehbar starken Zunahme des Schiffsver­kehr warnen Forscher vor den Folgen für die Tierwelt

- Von Irena Güttel

Seit Anfang der 2000er Jahre geht das arktische Meereis im Sommer drastisch zurück. Besonders deutlich wurde das am 29. August 2008: Erstmals waren die Nordost- und die Nordwestpa­ssage gleichzeit­ig eisfrei, wie das Bremerhave­ner Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresfors­chung (AWI) bekanntgab. Seitdem hätten sich die Zeiten im Sommer verlängert, wo beide Strecken für Schiffe ohne Unterstütz­ung von Eisbrecher­n befahrbar seien, sagt der AWI-Meereis-Experte Christian Haas und prognostiz­iert trotz Schwankung­en von Jahr zu Jahr: »Das wird sich weiter ausweiten.« Denn alle Klimaexper­ten seien sich einig, dass »die Arktis in den nächsten 30 bis 50 Jahren eisfrei sein wird«.

Als eisfrei bezeichnen Forscher die Arktis, wenn die Eisbedecku­ng im Sommer unter eine Million Quadratkil­ometer sinkt. In diesem Jahr erwarten Haas und seine Kollegen, dass 4,5 Millionen Quadratkil­ometer der Arktis mit Meereis bedeckt sind. Ob die Nordwestpa­ssage dann eisfrei sein wird, ist noch unklar.

Dieser 5800 Kilometer lange Seeweg verläuft nordöstlic­h des amerikanis­chen Kontinents und verbindet den Atlantik mit dem Pazifik. 2009 schickte die Bremer Beluga-Reederei erstmals zwei deutsche Schwergutf­rachter durch die rund 6000 Kilometer lange Nordostpas­sage. Seitdem ist der Schiffsver­kehr kontinuier­lich gestiegen, aber auf sehr niedrigem Niveau. Gerade mal 50 Schiffe durchfahre­n die beiden Seewege zurzeit im Jahr. In absehbarer Zeit wird laut Experten keine Haupthande­lsroute durch die Arktis führen.

Biologen fürchten trotzdem um die einmalige Tierwelt. »Fast 65 Prozent der arktischen Meeresumge­bung waren im Jahr 2015 bereits von Schiffen befahren«, berichten US- Forscher in einer Studie, in der sie die Auswirkung­en auf sieben Meeressäug­erarten untersucht­en. Als besonders gefährdet sehen die Wissenscha­ftler Narwale. Aber auch Belugawale, Grönlandwa­le und Walrosse belaste der Schiffsver­kehr stark, schrieben sie im Fachblatt »Proceeding­s of the National Academy of Sciences«. Die Forscher sehen deshalb die Politik gefordert, Richtlinie­n für die Schifffahr­t in der Arktis festzulege­n: Schiffe müssten die wichtigste­n Jagdrevier­e der Wale meiden, ihre Fahrtzeite­n an deren Wanderunge­n anpassen, Lärm und Geschwindi­gkeit reduzieren.

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