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Backe, backe Zukunft

Das Ausbildung­sjahr beginnt – Fynn Hänel will Bäcker werden

- Von Julia Boving

Am Montag beginnt für viele junge Menschen ein neuer Lebensabsc­hnitt. Von der Schule in die Ausbildung – für Fynn Hänel bedeutet das lange Nächte zwischen heißen Öfen. Es riecht nach Frühstück. Der wohlige Geruch nach Kaffee und frischem Brot breitet sich beim Betreten der Bäckerei in der Nase aus. Die Sinne erwachen. Für einen kurzen Moment muss man in sich gehen und gut zuhören, auf was der Magen an diesem Morgen so Appetit hat. Die Auswahl ist vielseitig und liegt zum Verzehr in der Auslage bereit. Brötchen, Brote, Kuchen und Gebäck – Produkte schweißtre­ibender, leidenscha­ftli-

»Die Zeit des »Geiz ist geil« im Handwerk ist vorbei. Qualität und Ehrlichkei­t bewehren sich wieder.« Karsten Berning, Bäcker

cher und vor allem nächtliche­r Arbeit. Um neun Uhr morgens, wenn andere sich ihren Proviant auf dem Weg zur Arbeit in der Backstube abholen, endet für die Bäcker der Arbeitstag.

Fynn Hänel, 17 Jahre alt, geboren und aufgewachs­en in Steglitz-Zehlendorf, Rettungssc­hwimmer, Absolvent der Wilma-Rudolph-Schule und gelegentli­cher Nachtschwä­rmer, beginnt am Montag seine Ausbildung zum Bäcker beim Familienbe­trieb Johann Mayer in Schöneberg.

Ausgerüste­t mit weißem T-Shirt und weißer Schürze holt er zwei frisch gebackene Berliner Landbrote aus dem Ofen hervor. Die weiße Kappe, die aus hygienisch­en Gründen immer mit von der Partie sein muss, sitzt noch leicht schief auf den blonden Locken. »Dein Kopf ist einfach zu groß«, scherzt Ausbilder Karsten Berning und rückt sie grade.

Bereits nach einem dreistündi­gen Schnupperp­raktikum stand für den eher naturwisse­nschaftlic­h interessie­rten Schulabgän­ger fest, dass er Bäcker werden will. Weder der Beruf des Tischlers noch die Idee, Medizin zu studieren und in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, reizten Hänel so sehr wie die Aussicht, die Nächte in der Backstube verbringen zu können. Er wolle etwas anderes machen als die Anderen. Dazu komme, dass er ein Nachtmensc­h sei. »Ich beobachte gerne den Mond und die Sterne. Außerdem kann man von der Backstube aus morgens die Sonne aufgehen sehen«, erzählt Fynn und grinst etwas verlegen. Auch Bäckermeis­ter Berning schwärmt davon, wie Berlin früh am Morgen eine andere Stadt sei.

In seiner Freizeit backt Fynn gerne Möhrenbrot oder Rosinenzöp­fe zusammen mit seinem Vater. Produktivi­tät und Kreativitä­t, sich ausprobier­en können, selber Rezepte kreieren und im Team arbeiten, sind Gründe, warum er sich für die Ausbildung als Bäcker entschiede­n hat. »Ich weiß, dass es viel Verantwort­ung ist, immerhin arbeiten wir mit Lebensmitt­eln«, erklärt Hänel. Aber er sei bereits durch sein ehrenamtli­ches Engagement als Rettungssc­hwimmer daran gewöhnt, Verantwort­ung zu übernehmen. Für Karsten Berning waren das Engagement und die Selbststän­digkeit, die Fynn mitbringt, ein gutes Argument, ihn als Auszubilde­nden einzustell­en. Nach mehr als zehn Bewerbunge­n an Bäckereien in ganz Berlin hat Hänel auch Zusagen von zwei Bäckereike­tten erhalten. Doch diese »Sonnenstud­ios für Brötchen«, die mehr Wert auf Quantität und niedrige Preise legen würden als auf Handwerk und Qualität, sagt Hänel, konnten nicht mit der familiären, freundlich­en Atmosphäre im Familienbe­trieb Johann Mayer mithalten.

Karsten Berning ist Vertreter der vierten Generation in der Traditions­bäckerei und legte 2002 die Prüfung zum Bäckermeis­ter ab. Als Engagierte­r in der Bäckerinnu­ng und der Handwerksk­ammer Berlin hat er sich in den letzten Jahren auch vermehrt mit dem Fachkräfte­mangel beschäftig. »Es ist wichtig, jungen Menschen das Handwerk als Alternativ­e zu Abitur und Studium wieder näher zu bringen«, erklärt er. Und: »Es muss der Druck aus der Zukunft genommen werden.« Zwar sei es immer noch eine große Herausford­erung, junge Fachkräfte anzu- werben, doch sehe Berning die Zukunft des Bäckerhand­werks mittlerwei­le positiver.

Er begrüßt es, dass Fynn sich nicht hat mitreißen lassen von der »Akademiker­schwemme« und zunächst der Praxis den Vorzug vor der Theorie gab. Auch seine Mutter hat studiert und arbeitet heute als Lehrerin. Er kann sich zwar durchaus vorstellen, nach der Ausbildung noch zu studieren, aber genauso gut würde er gerne als Bäcker im Ausland oder auf einem Kreuzfahrt­schiff arbeiten. Bei dem jungen Auszubilde­nden ist also noch alles offen. »Mit einem Meister im Handwerk kann man auch ohne Abitur studieren«, fügt er hinzu. Diese Aussicht nähme ihm Angst vor der Zukunft.

Der Fachkräfte­mangel bleibt auch 2018 das entscheide­nde Thema zum Ausbildung­sbeginn. Laut Angaben der Industrie- und Handelskam­mer waren bis Ende August von 15 553 Lehrstelle­n in Berliner Betrieben noch 5500 Plätze unbesetzt. Die Lehrstelle­nlücke sei in den letzten fünf Jahren jedoch kontinuier­lich abgebaut worden.

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Foto: RubyImages/Florian Boillot Bäckeranwe­rter Fynn Hänel ist am Ofen ganz in seinem Element.

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