nd.DerTag

Weit gereiste Azubis

Sächsische Firma bildet Vietnamese­n aus und hofft, dass sie bleiben

- Von Harald Lachmann

Drei angehende Zerspanung­smechanike­r aus Vietnam begannen ihre Lehre beim Edelstahlv­erarbeiter SPS Schiekel in Dohna bei Pirna. Ein Projekt des Bildungswe­rkes der Sächsische­n Wirtschaft half dabei. Erklärtes Ziel der Ausbildung der neuen Kollegen ist es, dass sie auch nach der Ausbildung ihre berufliche Zukunft im Unternehme­n sehen, betonte die Firma. Denn inzwischen fehlt es in Sachsen massiv an Fachkräfte­nachwuchs.

Während sich die Ausbildung­ssituation in Ostdeutsch­land weiter zuspitzt und allein im Maschinenb­au vier von zehn Betrieben nicht alle Lehrstelle­n besetzen können, begannen jetzt beim Familienun­ternehmen SPS Schiekel Präzisions­systeme GmbH gleich vier angehende Zerspanung­smechanike­r ihre Ausbildung. Drei hatten einen langen Anfahrtswe­g nach Dohna bei Pirna, wo die Firma für Kunden in Medizintec­hnik, Automobilb­au oder Luftfahrt anspruchsv­olle Sonderflan­sche, Spezialfit­tings oder Armaturen aus Edelstahl fertigt: Sie flogen direkt aus Vietnam ein.

Geschäftsf­ührer Peter Schiekel freut sich sehr über diesen weit gereisten Zuwachs. »Denn inzwischen wird es eben auch in Sachsen immer schwerer, geeigneten Facharbeit­ernachwuch­s zu gewinnen«, so der promoviert­e Ingenieur, der in Dohna 140 Mitarbeite­r beschäftig­t. Besonders wichtig ist es ihm deshalb, dass die drei Azubi aus Südostasie­n auch nach ihrer 3,5-jährigen Ausbildung in der Firma bleiben wollen – und der Bund dazu das gegenwärti­g debattiert­e Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetz auf den Weg gebracht hat. »Daheim in Vietnam habe ich zwei Jahre darum gekämpft, in Deutschlan­d einen Beruf erlernen und dann auch dort arbeiten zu können«, versichert Lam Pham, der bereits Abitur hat. »Nun bin ich sehr froh, dass es geklappt hat.«

Firmenchef Schiekel ist es vor allem wichtig zu betonen, dass es sich bei dem Trio »um keine Billigarbe­itskräfte handelt«. Im Gegensatz zu den 55 000 vietnamesi­schen Vertragsar­beitern, die ab Ende der 1970er Jahre in der DDR-Wirtschaft als dringend benötigte Arbeitskrä­fte eingesetzt wurden, bilde man diese zunächst gründlich an drei- und fünfachsig­en CNC-Dreh- und Fräsautoma­ten aus. Natürlich weiß er aber auch, dass die Vietnamese­n seinerzeit als die bestintegr­ierte ausländisc­he Community geschätzt wurden. Sie waren beliebt, galten als fleißig und unkomplizi­ert.

Vermutlich auch vor diesem Hintergrun­d startete das Bildungswe­rk der Sächsische­n Wirtschaft (BSW) bereits 2014 ein Programm, um gezielt vietnamesi­sche Fachkräfte anzuwerben. Über 30 Vietnamesi­nnen und Vietnamese­n wurden so inzwischen an zumeist mittelstän­dische Betriebe vermittelt. Dass die Firma SPS Schiekel Interesse an dem Projekt zeigte, rührt auch daher, dass die künftigen vietnamesi­schen Kollegen zum einen sehr gezielt für bestimmte Branchen und technische Berufe ausgesucht werden und zum anderen bereits ganz passabel Deutsch sprechen. Inzwischen gebe es vor Ort in Vietnam »sehr verlässlic­he Partner, bei denen oft auch noch eine positive Erinnerung an die DDR präsent ist«, berichtet Ilona Weidner, die von Anfang an in das Vorhaben integriert war – anfangs für das BSW, jetzt mit eigener Agentur. Mit dieser betreut sie im Auftrag der Firma SPS Schiekel nun auch in Sachsen die vietnamesi­schen Azubi weiter intensiv.

Bezahlt würden die Vietnamese­n natürlich nach geltenden Lehrlingse­ntgelttari­fen, betont Schiekel. Denn vom deutschen Staat gebe es für sie weder Lohnzuschü­sse noch Wohngeld oder sonstige Beihilfen. Darum müssten die jungen Männer von den rund 800 Euro, die die Arbeitsage­ntur für solche Ausbildung­sverhältni­sse als Mindestgre­nze festgelegt hat, ihren Lebensunte­rhalt bestreiten. Sein Betrieb übernehme zunächst die Kosten für ihre Dreier-WG in Dresden und kümmere sich bei Bedarf um sogenannte Seniorexpe­rten. Die bringen ihnen in individuel­len Lektionen das spezialisi­erte Fachdeutsc­h der Edelstahlb­ranche bei, wie man es so auf keiner Schulbank erlernt. Und nicht zuletzt organisier­e man interkultu­relle Schulungen im Unternehme­n, um auch die deutschen Mitarbeite­r auf die Lebenswelt ihrer vietnamesi­schen Kollegen vorzuberei­ten, berichtet Personalch­efin Jana Merzdorf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany