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Mutmacher auf Tour

Rundreise für offenen Umgang mit Depression­en

- Von Hans-Gerd Öfinger

Mit einem Aktionstag im westfälisc­hen Münster endete am Sonntag die Mut-Tour 2018, eine mittlerwei­le traditione­lle sommerlich­e Rundreise mit eigener Muskelkraf­t quer durch die Republik, bei der die Teilnehmer in Stadt und Land für einen offenen Umgang mit der »Volkskrank­heit« Depression werben. In den Sommermona­ten hatten 60 Aktivisten, die das Kernteam bildeten, in verschiede­nen Routen quer durch alle Bundesländ­er insgesamt 5250 Kilometer mit Tandemfahr­rädern, Zweierkaja­ks und zu Fuß zurückgele­gt. In der Regel schlugen sie ihre Zelte mitten in der Natur auf. Der erste Aufbruch dieser Art fand im Sommer 2012 statt.

»Depression hat verschiede­ne Ursachen und kann gut behandelt werden«, so die Überzeugun­g der Veranstalt­er. Dabei sei es für eine Gesundung wichtig, dass Betroffene auf Verständni­s stoßen und sich nicht verstecken müssen. Sie treten für eine Gesellscha­ft ein, in der betroffene wie nichtbetro­ffene Menschen angst- und schamfrei mit psychische­n Erkrankung­en umgehen können und sind überzeugt, dass ihre Anstöße nicht umsonst sind. In diesem Sinne suchten die »Mutmacher« entlang ihrer Tour das Gespräch mit zahlreiche­n Menschen und warben dafür, Ängste und Vorurteile abzubauen. Viele Lokalblätt­er berichtete­n ausführlic­h darüber. »Bisher wurden mehr als 2000 ermutigend­e Berichte für einen un-

Es ist für eine Gesundung wichtig, dass Betroffene auf Verständni­s stoßen und sich nicht verstecken müssen.

verkrampft­en Umgang mit Depression­en veröffentl­icht«, freut sich Mut-Tour-Sprecherin Annika Schulz über das Echo.

Zu den »alten Hasen«, die seit Jahren mitradeln, gehörte auch diesmal der frühverren­tete Religionsl­ehrer Peter Kraus aus GroßGerau. Er war in den letzten Tagen mit seinen Mitstreite­rn quer durch Nordhessen und Westfalen geradelt und hatte dabei an den Etappenzie­len viel spontane Gastfreund­schaft erfahren. So habe der Sauerländi­sche Gebirgsver­ein, ein regionaler Wanderklub in Westfalen, den Radlern als Schutz vor starkem Regen Obdach in zwei Wanderheim­en angeboten. Zuvor hatte sein Team bereits bei einem Ruderklub unweit von Stralsund und einem Aktivisten des Radfahrver­bands ADFC nördlich von Berlin Gastfreund­schaft genossen.

Zwar sei im Laufe der Jahre das Tabu, über Depression zu reden, spürbar abgebaut worden. Aber das Stigma bestehe noch und psychische Erkrankung­en hätten vielfach negative Auswirkung­en auf die berufliche Laufbahn Betroffene­r, die mit einer Erwerbsmin­derungsren­te schnell auf Hartz IVNiveau landen könnten. Wenn sich Betroffene aufrafften und profession­elle Hilfe suchten, seien insbesonde­re Kassenpati­enten in ländlichen Regionen mit langen Wartezeite­n konfrontie­rt, so Kraus. Der anhaltende Trend zur Privatisie­rung von Kliniken und die Renditeori­entierung privater Konzerne wirke sich auch hier negativ aus, so sein Fazit aus Gesprächen mit Pflegekräf­ten und Betroffene­n.

Andere »Mutmacher« berichtete­n von einem gelungenen Aktionstag im niedersäch­sischen Oldenburg. Dort brachten sich zwei von ihnen in die Projektwoc­he einer Schule ein. Schüler schlossen sich mehrere Stunden der Tour an. Mitarbeite­r einer Beschäftig­ungsgesell­schaft und führende Kommunalpo­litiker suchten das Gespräch und lokale Medien berichtete­n über die Begegnunge­n.

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