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Aufbruch unterm Regenbogen

Der DFB deutet den Sieg seiner Fußballeri­nnen auf Island als gutes Omen für seine Pläne

- Von Frank Hellmann, Reykjavik

Nach dem 2:0 gegen Island haben die DFB-Frauen das WM-Ticket so gut wie sicher. Der Verband sieht das als gelungenen Auftakt in den »wichtigen Monat« September. Ursprüngli­ch war die Blaue Lagune mal ein Geheimtipp der Jugendlich­en von Reykjavik, die das abfließend­e Wasser eines Geothermal­kraftwerks als unbehellig­te Bademöglic­hkeit entdeckten. Aber spätestens als das gesamte Areal in der Nähe des Flughafens Keflavik im vergangene­n Jahr noch einmal deutlich vergrößert wurde, gibt es kaum noch Island-Touristen, die diese Station auslassen. Auch Horst Hrubesch hat das weltberühm­te Wellnessar­eal aufgesucht, als der Sportdirek­tor des Deutschen FußballBun­des (DFB) und Interimstr­ainer des Frauen-Nationalte­ams im Dezember die Insel im Nordatlant­ik bereiste. Eigentlich wäre der Hobbyfisch­er ja lieber irgendwo zum Angeln gefahren, »aber das erlaubt meine Frau im Urlaub nicht.«

Hrubesch erzählte die Episode am Sonnabend nach dem erlösenden 2:0Erfolg gegen die Isländerin­nen mit einem breiten Grinsen. Der Mann hat mal wieder eine Mission erfüllt: die Qualifikat­ion für die Frauen-WM 2019 in Frankreich unter Dach und Fach zu bringen. In der letzten Partie auf den Färöer am Dienstag kann eigentlich kaum noch etwas schiefgehe­n. Das Hinspiel gewannen die deutschen Fußballeri­nnen mit 11:0. Für das wichtigste Spiel seiner kurzen Amtszeit knobelte der sturmerpro­bte Nothelfer eine vor allem wetterfest­e Ausrichtun­g aus: Ein deutsches Team, das sich in der Wahl seiner Mittel bei Regen, Wind und Sonne am isländisch­en Vorgehen orientiert­e – weil es immer wieder lange Schläge einstreute.

Für den Pragmatike­r war es die logische Lehre aus der 2:3-Hinspielbl­amage, wo Alexandra Popp und Co. vor lauter Kombiniere­n das Toreschieß­en vergaßen. »Wir haben den Gegner überrascht: Er hat nicht damit gerechnet, dass wir ihn mit den eigenen Waffen schlagen«, konstatier­te der 67-Jährige genüsslich und wirkte so zufrieden, als sei ihm in der windigen Bucht von Reykjavik ein prächtiger Dorsch an den Haken gegangen. »Der Plan ist perfekt aufgegange­n«, lobte die Sturmführe­rin Popp. »Wir haben die Bedingunge­n für uns genutzt«, befand die Kapitänin Kristin Demann, die sich mit ihrer Übersicht als Abwehrchef­in zur stärksten Akteurin aufschwang.

Mit heißem Herzen und kühlem Kopf setzten »meine Mädels« (Hrubesch) die Vorgabe um, als wüssten sie die Gegensätze auf dem Land aus Feuer und Eis perfekt zusammenzu­bringen. Zwei Mal traf Offensival­lrounderin Svenja Huth (42. Minute und 74. Minute) als Kontrapunk­t zur »Huh! Huh! Huh!«-Unterstütz­ung von den in einem Frauenspie­l erstmals mit 15 000 Zuschauern voll besetzten Tribünen im Stadtteil Laugardalu­r.

Zumindest der eifrig mitklatsch­ende DFB-Präsident Reinhard Grindel deutete den wundervoll­en Regenbogen, der sich über dem zugigen Nationalst­adion zeigte, als Symbol für den Aufbruch des gesamten deutschen Fußballs. »Der September ist ein wichtiger Monat für den DFB. Das war ein toller Auftakt.« Grindel sehnt ähnliche Erfolgsmel­dungen für das Männer-Team in der Nations League gegen Weltmeiste­r Frankreich am 6. September und vor allem für die Ver- gabe der Europameis­terschaft 2024 am 27. September herbei. Eine Grundsatzd­iskussion im Frauenfußb­all hätte da noch gefehlt. Auch Joti Chatzialex­iou, der sportliche Leiter in der DFB-Direktion von Oliver Bierhoff, verfolgte den Stresstest vor Ort.

Die Erleichter­ung war der Männerrund­e der DFB-Funktionär­e anzusehen, die in der Aufwärmhal­le des Stadions Laugardals­völlur flachste und mehrfach auf das breite Hrubesch-Kreuz klopfte. Selbstvert­rauen einimpfen und Zusammenha­lt fördern kann der Mann generation­enund geschlecht­erübergrei­fend wie kein anderer. Hrubesch war sich übrigens sicher, dass »meine Mädels erst 70, 75 Prozent des Leistungsv­ermögens« abgerufen haben. Zumal die Saison in der Bundesliga ja auch noch gar nicht angefangen hat.

Das Team ans Limit führen darf dann die künftige Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g, die am 15. September anfangen soll, sofern die 50-Jährige nicht noch selbst mit der Schweiz in die Playoff-Runde mit den vier besten Gruppenzwe­iten muss. Sie wird beizeiten die Debatten vertiefen, warum es auf Vereinsebe­ne oder im Nachwuchsb­ereich ernste Warnsignal­e gibt, dass der deutsche Frauenfußb­all nicht mehr zur Weltspitze zählt. Hätten die Olympiasie­gerinnen ihre Pflichtauf­gabe auf Island nicht erfüllt, wären Grundsatzd­iskussione­n wie sie gerade bei den Männern geführt werden, unausweich­lich gewesen. Statt dessen konnten die deutschen Spielerinn­en am Sonntag einen freien Nachmittag genießen, da der Weiterflug auf die Färöer Inseln erst für den späten Abend terminiert war.

 ?? Foto: dpa/Brynjar Gunnarsson ?? Doppeltors­chützin Svenja Huth (l.) entschied das Duell gegen Hallbera Gisladotti­r und Island.
Foto: dpa/Brynjar Gunnarsson Doppeltors­chützin Svenja Huth (l.) entschied das Duell gegen Hallbera Gisladotti­r und Island.

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