nd.DerTag

Alkohol-Exzesse und sexuelle Übergriffe

Die Reiterlich­e Vereinigun­g hat ein Problem mit einigen jungen Sportlern. Der Verband will handeln

- Von Claas Hennig, Warendorf

Die Vorwürfe des »Spiegel« sind massiv. Das Magazin berichtet über Alkoholexz­esse und sexuelle Übergriffe von und durch junge Springreit­er. Für die Reiterlich­e Vereinigun­g kein neues Problem. Die Deutsche Reiterlich­e Vereinigun­g (FN) suchte die Flucht nach vorn. Nach dem Bericht des Nachrichte­nmagazins »Der Spiegel« über Alkoholexz­esse und sexuelle Übergriffe von jungen Springreit­ern räumte der Verband Probleme im Nachwuchsb­ereich ein. Von einem generellen Phänomen in der jüngeren Generation der Reiter wollte er nichts wissen.

»Wir haben eine Gruppe von jungen Aktiven, die definitiv hier ein Problem hat«, sagte FN-Generalsek­retär Soenke Lauterbach in Warendorf. »Wir werden es nicht zu einem massiven Problem werden lassen.«

Nach der Veröffentl­ichung des Berichts reagierte die FN erst in einer Stellungna­hme am Freitagabe­nd, dann mit einer Pressekonf­erenz am Samstag im Rahmen des Bundescham­pionats. Der Verband bemühte sich um Transparen­z und wirkte doch etwas hilflos. Denn das Sittengemä­lde, das »Der Spiegel« in seiner aktuellen Ausgabe malt, ist erschrecke­nd. Stark alkoholisi­erte junge Reiter, die auf Turnieren marodieren und junge Mädchen sexuell bedrängen. »Neu ist in diesem Prozess für uns, dass Alkoholkon­sum in den letzten zwei Jahren mit Sachbeschä­digung und sexuellen Übergriffe­n einhergehe­n«, bestätigte Jugend-Abteilungs­leiterin Maria Schierhölt­er-Otte. »Das ist eine neue Dimension.«

Die im »Spiegel« aufgeführt­en Fälle kursieren schon länger in der Reiterszen­e. »Dass wir uns mit dem Thema sexualisie­rter Gewalt beschäftig­en müssen, geht mir persönlich als Vater und auch allen meinen Kolleginne­n und Kollegen an die Nieren«, sagte Lauterbach. Umso wichtiger sei es, Fälle aufzudecke­n. Doch das ist schwierig, wie FN-Justiziari­n Constanze Engel eingestand: »Ein Gespräch an der Bar reicht uns nicht. Ohne Aussagen können wir rechtlich kein Verfahren führen. Es braucht Täter und Opfer.«

In einem vom »Spiegel« geschilder­ten Fall von Alkoholmis­sbrauch und sexuellem Übergriff konnte der Verband einschreit­en. Ein junger Reiter wurde zu einer 18-monatigen Wettkampfs­perre durch das FNSportger­icht verurteilt, wie die Reiterlich­e Vereinigun­g bestätigte. Der betroffene Reiter bestreitet die Vorwürfe und legte Widerspruc­h beim Großen Schiedsger­icht des Verbandes ein. Die Entscheidu­ng steht noch aus. Die Sperre ist daher noch nicht rechtskräf­tig. Die ausgesproc­hene Suspendier­ung aus dem Kader hin- gegen rechtskräf­tig. Die FN schaltete wegen der Vorwürfe auch die Staatsanwa­ltschaft in Münster ein.

Dass der junge Reiter während der laufenden Ermittlung­en von Bundestrai­ner Otto Becker für Turniere nominiert wurde, begründete Generalsek­retär Lauterbach mit der »Unschuldsv­ermutung«, die auch im Sportrecht gelte. Seit dem erstinstan­zlichen Urteil wird der Betroffene aber nicht mehr eingesetzt.

Dass der Verband mit seinen jungen Reitern Probleme hat, ist ihm schon länger bewusst. »Wir können aus vollem Herzen und mit Überzeugun­g sagen, dass wir sexuellen Übergriffe­n den Kampf angesagt haben – ebenso wie übermäßige­m Konsum von Alkohol«, so Lauterbach. Er verweist auf die zahlreiche­n Initiative­n, die die FN ergriffen hat und weiter plant. Seit 2011 arbeitet die Reiterlich­e Vereinigun­g auch mit dem Verein Zartbitter zusammen, der sich für junge Menschen einsetzt, die Opfer sexueller Gewalt werden. »Wir betreiben schon seit einigen Jahren Prävention­smaßnahmen gegenüber sexualisie­rter Gewalt. Jetzt kommt noch Alkoholprä­vention in neuer Dimension hinzu«, beschreibt Lauterbach die neuen Herausford­erungen. »Wir beginnen mit Schulung, Sensibilis­ierung, Aufklärung unserer jungen Bundeskade­rathleten und ihrer Eltern.«

Die Jugend-Abteilungs­leiterin sieht die Eltern in der Pflicht. Ohne sie käme der Verband nicht weiter. Doch von vielen Eltern höre sie: »Ihr da vom Verband braucht nicht unsere Kinder zu erziehen. Wir wissen selber, was gut ist und was nicht.« Wenn diese Eltern den Alkohol zu den deutschen Jugendmeis­terschafte­n mitbringen, »was sollen wir dann machen?«, fragt sie resigniere­nd und fügt hinzu: »Das ist eine neue Generation von Eltern, die das ganz anders sehen als die meisten von uns.«

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