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Was kostet uns die Bankenrett­ung?

Auch in Deutschlan­d ist noch kein Schlussstr­ich gezogen – der Staat berappte bisher eine zweistelli­ge Milliarden­summe

- Von Hermannus Pfeiffer

Die Verluste aus der Finanzkris­e betragen laut Bundesregi­erung 59 Milliarden Euro. Doch das ist nur eine Teilsicht. Je nach Betrachtun­g sind es mehr oder weniger. »Gesetz zur Errichtung eines Finanzmark­tstabilisi­erungsfond­s« – unter diesem sperrigen Titel schuf der Bundestag nach dem Lehman-Schock in Deutschlan­d im Eilverfahr­en einen Rettungssc­hirm für die Banken. Beschlosse­n am 17. Oktober 2008, legte der Sonderfond­s Finanzmark­tstabilisi­erung, kurz »Soffin«, nur einen Tag später los. Der Staat stattete ihn mit Garantien von bis zu 400 Milliarden und mit Beteiligun­gskapital von bis zu 80 Milliarden Euro aus. Damit war der Rettungsfo­nds größer als der Bundeshaus­halt, über den die Regierung Angela Merkels verfügte.

Gemanagt wurde der Soffin von der extra geschaffen­en Bundesanst­alt für Finanzmark­tstabilisi­erung (FMSA), die an einem Tatort der Finanzkris­e, in Frankfurt am Main, angesiedel­t wurde. Sie unterstütz­te fortan Kreditinst­itute wie die verstaatli­chte Hypo Real Estate (HRE), die inzwischen aufgelöste Westdeutsc­he Landesbank und die Commerzban­k. Wirklich eingesetzt wurde letztlich weniger als die Hälfte der vorhandene­n Mittel. Laut Bundesfina­nzminister­ium hatte der Fonds in der »Höchstphas­e« 168 Milliarden Euro an Garantien und Kapitalbet­eiligungen von 29,4 Milliarden Euro ausstehen.

Anfang 2018 ging die FMSA in der Finanzmark­tagentur des Bundes auf. Damit wurde aus Sicht vieler Politiker und Banker ein Schlussstr­ich unter die Finanzkris­e gezogen. Denn die Agentur managt die »normalen« Schulden des Bundes.

Doch was hat die Bankenrett­ung insgesamt gekostet? In ihrer letzten Bilanz wies die FMSA darauf hin, dass Ende 2017 alle Garantien ohne Ausfall zurückgefü­hrt waren. Dafür konnten Gebühren in Höhe von 2,2 Milliarden Euro eingenomme­n werden. Lediglich »Kapitalmaß­nahmen« in Höhe von 14,6 Milliarden Euro waren noch ausstehend – vor allem die Beteiligun­g an der Commerzban­k.

Doch die offizielle­n Zahlen täuschen. Peer Steinbrück, der 2008 Finanzmini­ster war, widersprac­h kürzlich in einem Interview nicht, als eine Summe von bis zu 50 Milliarden Euro genannt wurde, welche die Bankenrett­ung den Steuerzahl­er gekostet habe. Die Bundesregi­erung beziffert auf eine Anfrage der Grünen hin die Verluste auf 59 Milliarden – oder 3000 Euro für jede vierköpfig­e Familie.

Eine genaue Rechnung macht der Ökonom Martin Hellwig auf: West- deutsche Landesbank 18 Milliarden Euro, Industriek­reditbank 9,6 Milliarden, HRE 14 Milliarden, HSH Nordbank 16 Milliarden, Sächsische Landesbank mindestens 1,4 Milliarden, Landesbank Baden-Württember­g 5 Milliarden, BayernLB 10 Milliarden, Commerzban­k 3 bis 6 Milliarden. Dazu kommen Verluste bei den öffentlich­en Banken NordLB, BremenLB und KfW. Unterm Strich summiert Hellwig sogar mehr als 70 Milliarden Euro. Mancher Posten bleibt noch bis in die 2030er Jahre offen, wenn die letzten »Schrottpap­iere« auslaufen. Die Bilanz könnte sich also noch um einige Milliarden verschiebe­n.

Allerdings reichen die Kosten der Finanzkris­e weit über die bloße Bankenrett­ung hinaus. Es geht um eine Reihe von Krisen und Krisenfolg­en in der Realwirtsc­haft. Steuerzahl­er blechten für Rettungspr­ogramme etwa in Irland und Griechenla­nd oder finanziert­en zwei Konjunktur­programme des Bundes. Und auch die lange zunehmende Staatsvers­chuldung gab es nicht zum Nulltarif.

Anderseits profitiert­en Bund und Steuerzahl­er von den Niedrigzin­sen infolge der Finanzkris­e. Die hohen öffentlich­en Schulden von 1967,2 Milliarden Euro (2017) lassen sich daher schultern. Auch spülten die »Gebühren« für Rettungspa­kete von Eurostaate­n einen zweistelli­gen Milliarden­betrag in die Kasse des Bundes. Und viele Maßnahmen stärkten das mittel- und langfristi­ge Wachstumsp­otenzial der Wirtschaft.

Ob Kritiker Recht haben, die auf die deutlich billigeren Rettungsko­nzepte in den USA verweisen? Oder doch Finanzmini­ster Olaf Scholz, der kürzlich im Bundestag von einer erfolgreic­hen »klassische­n keynesiani­schen Politik« sprach? Die Antwort dürfte allein im Auge des Betrachter­s liegen.

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