nd.DerTag

Das Internet erinnert sich immer

Robert D. Meyer über ein Urteil zum Recht auf Vergessen

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Als 2014 durch ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fes erstmals das sogenannte Recht auf Vergessen im Internet durchgeset­zt wurde, klang die Idee großartig: Privatpers­onen sollten die Möglichkei­t erhalten, unangemess­ene oder nicht mehr relevante Informatio­nen über sich aus dem Netz entfernen zu lassen. Doch schon dieser Richterspr­uch kannte Grenzen: Lediglich Suchmaschi­nen müssen für ihre EU-Nutzer sämtliche Links entfernen, die zu einer betroffene­n Informatio­n führen. Wer sich über einen US-Server ins Netz einklinkt, findet die Verweise weiterhin. In der seit Mai verpflicht­end anzuwenden­den Datenschut­zgrundvero­rdnung ist besagter Richterspr­uch von 2014 inzwischen gesetzlich verankert.

Ein tatsächlic­hes Recht auf Vergessen gibt es damit aber nicht: Dass der Geschäftsf­ührer einer gemeinnütz­igen Organisati­on nun vor Gericht mit dem Versuch scheiterte, Links zu alten Medienberi­chten über sich löschen zu lassen, zeigt den zweiten Grund, warum sich das Internet stets erinnert, ja sogar oft erinnern sollte. Bestimmte Informatio­nen können auch nach Jahren wichtig sein, um Zusammenhä­nge zu verstehen. Egal, ob sie einer Person im Einzelfall passt. Naiv wäre zu glauben, dass sich ein Ereignis aus dem kollektive­n Gedächtnis namens Internet löschen ließe. Es kann lediglich erschwert werden, eine Informatio­n zu finden.

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