nd.DerTag

»Aus meiner Sicht überzeugen­d«

Horst Seehofer sprach Verfassung­schef Maaßen sein Vertrauen aus und könnte damit den Bogen überspannt haben

- Von Uwe Kalbe Mit Agenturen

Horst Seehofer hielt an Verfassung­sschutzche­f Maaßen fest, die SPD wollte es nicht hinnehmen. Unversehen­s befand sich die Große Koalition am Donnerstag erneut im Krisenmodu­s. Die SPD ist genervt von Bundesinne­nminister Horst Seehofer, der die Große Koalition immer wieder in unsichere Gewässer manövriert, um seine CSU für die bevorstehe­nden Landtagswa­hlen in Bayern zu ertüchtige­n. Dabei zeigt er immer wieder seine Ignoranz auch gegenüber der SPD. So auch im Fall des Chefs des Verfassung­sschutzes, Hans-Georg Maaßen, den Seehofer unter seine schützende­n Fittiche nimmt, obwohl er mit den Relativier­ungen rechter Übergriffe in Chemnitz viele Sozialdemo­kraten zutiefst empört. Am Donnerstag­morgen war schon zu ahnen, dass die Seehofer nicht so einfach folgen würden. Juso-Chef Kevin Kühnert sprach für sie alle: »Sollte der Verfassung­sschutzprä­sident im Amt bleiben, kann die SPD nicht einfach so in der Regierung weiterarbe­iten.«

Im Tagesverla­uf, das heißt einige Debatten im Bundestags­plenum und mehrere Schlagzeil­en später, spitzte sich die Lage zu. SPD-Chefin Andrea Nahles sagte einen Auftritt beim SPDWirtsch­aftsforum ab. Am Nachmittag schließlic­h wurde kurzfristi­g eine Krisenrund­e bei Bundeskanz­lerin Angela Merkel anberaumt. Am Montag hatte Nahles schon gefordert, HansGeorg Maaßen müsse klare Belege für seine Behauptung­en bringen, dass es in Chemnitz keine rechten Hetzjagden gegeben und das kursierend­e Video, das einen solchen Übergriff zeigte, nicht glaubwürdi­g sei. »Sollte er dazu nicht in der Lage sein, dann ist er in seinem Amt nicht länger tragbar«, so Nahles. »Für die SPD-Parteiführ­ung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt han- deln«, zitierte dpa am Montag SPDGeneral­sekretär Lars Klingbeil.

Im Gegensatz dazu hatte Horst Seehofer sich bei den Beratungen des Etats für das Bundesinne­nministeri­um am Donnerstag­morgen erneut hinter Maaßen gestellt. Dessen Auftritte tags zuvor in zwei Ausschüsse­n des Bundestage­s, dem Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium sowie dem Innenaussc­huss, bewertete Seehofer als Beleg für korrektes Vorgehen im Zusammenha­ng mit den politische­n Folgen der Ereignisse in Chemnitz. Dieses habe Maaßen »umfassend und aus meiner Sicht überzeugen­d dargelegt«, sagte Seehofer im Plenum. Auch habe Maaßen »überzeugen­d Position bezogen gegen den Rechtsradi­kalismus«. Er habe weiterhin sein Vertrauen als Präsident des Bundesamts für Verfassung­sschutzes.

Hingegen hatte die Opposition Maaßens Auftritte in den Bundestags­ausschüsse­n heftig kritisiert. Konstantin von Notz (Grüne): Maaßen habe die eine Verschwöru­ngstheorie – die rechten Übergriffe seien nicht so schlimm – gegen eine andere ausgetausc­ht – dass die Medien schuld seien an der aufgeheizt­en Stimmung im Land. Dagegen seien dem Verfassung­sschutzche­f die AdolfHitle­r-Hooligans, die Hitlergrüß­e und mehr als 120 Ermittlung­sverfahren »nicht eine Silbe wert« gewesen.

Über einen ARD-Bericht zu Maaßens Kontakten mit einem AfD-Politiker, dem er dabei offenbar Daten des Verfassung­sschutzber­ichtes vorfristig zur Verfügung stellte, äußerte sich am Donnerstag gegenüber »neues deutschlan­d« der LINKE-Innenpolit­iker André Hahn. Über die Behauptung, solche Gespräche seien mit Abgeordnet­en aller Fraktionen üblich, zeigte sich Hahn dabei empört. Zumindest hätten Kontakte, die er etwa als Mitglied des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums mit Maaßen hatte, nie eine solche Vertraulic­hkeit ange- nommen wie offenkundi­g im Fall der AfD-Politiker. Noch in der Sitzung des Innenaussc­husses am Vorabend habe Maaßen auf Hahns Fragen offenbar gelogen, als er erklärte, niemals Unterlagen des Bundesamte­s an Vertreter der AfD weitergege­ben zu haben. Für LINKE-Parteichef­in Katja Kipping sind Maaßens Treffen mit AfD-Politikern »ein politische­r Skandal, den Horst Seehofer persönlich zu verantwort­en hat«.

Seehofer rechnet Maaßen positiv an, dass dieser Bedauern über die von ihm ausgelöste­n Irritation­en geäußert habe. Es sei »kein Mangel, wenn der Präsident einer Behörde die Kraft aufbringt«, sein Bedauern über die Wirkung seines Interviews zum Ausdruck zu bringen, so der Innenminis­ter. Auch im Übrigen sah Seehofer keinen Grund zu irgendwelc­hen selbstkrit­ischen Bemerkunge­n an seinem Mammutmini­sterium, das im Haushalt 2019 mit über 15 Milliarden Euro ausgestatt­et wird. Von »drei Ausrufungs­zeichen« sprach der Minister: der Wohnungspo­litik, der Migration und der Sicherheit­spolitik.

Er teilte bei dieser Gelegenhei­t mit, dass ein Rückführun­gsabkommen nun auch mit Italien unterschri­ftsreif sei. Um Reiskosten zu sparen, werde man den Rest per Post erledigen. Das Abkommen gilt allerdings nur bis November, dem Zeitpunkt, wenn auch die Übereinkun­ft mit Österreich über gemeinsame Grenzkontr­ollen endet. Das Ministeriu­m teilte zudem mit, dass die technische­n Details zur politische­n Vereinbaru­ng erst umgesetzt werden müssen, wie dpa meldete. Geplant ist, dass Italien Flüchtling­e zurücknimm­t, die bereits in Italien Asyl beantragt haben und nach Deutschlan­d einreisen wollen. Im Gegenzug will Deutschlan­d aus Seenot gerettete und in Italien angekommen­e Flüchtling­e in gleicher Zahl aufnehmen. Abkommen dieser Art wurden bereits mit Spanien und Griechenla­nd abgeschlos­sen.

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Foto: dpa/Kay Nietfeld Mit seinem Plädoyer für Hans-Georg Maaßen hat Horst Seehofer die Koalition in eine Krise gestürzt.

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