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Wohnen auf dem Schweizer Käse

Rheinland-Pfalz: Gefahren der Unterwelt von Mendig zwingen Familien aus ihren Häusern

- Von Jens Albes, Mendig

Der 9000-Einwohner-Ort Mendig in der Osteifel steht über einem riesigen Höhlensyst­em. Aus Angst vor Einstürzen sichern Experten zahlreiche Hohlräume, die vom früheren Basaltabba­u herrühren. Vor 14 Jahren hat Familie Gubenko in Mendig in der Osteifel (Rheinland-Pfalz) ein Haus gebaut. »Wir haben gewusst, dass es hier viele unterirdis­che Hohlräume vom historisch­en Bergbau gibt«, sagt Oleg Gubenko. »Aber es wurde ein Bodengutac­hten gemacht und wir waren uns sicher, dass alles gut ist.« Von wegen. Im Frühling 2018 erlebte Familie Gubenko – sie lebt in einem neueren Wohngebiet – einen Schock: Weil unter ihrem Anwesen und drei Häusern in der Nähe Hohlräume aus Sicherheit­sgründen mit einem Spezialbet­on verfüllt werden sollen, müssen sie und ihre Nachbarn während der Arbeiten bald vorübergeh­end ihre vier Wände verlassen. Niemand in dem 9000-Einwohner-Ort soll ein Unglück erleben.

Familie Gubenkos Nachbar Andreas Kiefer sagt: »Ich bin sprachlos. Wir wissen nicht, was in fernerer Zukunft mit unserem Haus sein wird.« Seine Mutter Nadja Kiefer ergänzt: »Wir wissen auch nicht, wo wir jetzt hinkommen.« Eine weitere Nachbarin, Elena Knaup, ergänzt: »Vier bis sechs Wochen lang müssen wir wohl raus. Im Oktober soll es losgehen. Wir können wohl in irgendein Ferienhaus gehen.« Die Kosten begleichen nach Behördenan­gaben die Stadt und die Verbandsge­meinde Mendig.

Knaup deutet auf ihre Häuserzeil­e: »Nur wir sind betroffen. Die Häuser auf der anderen Straßensei­te nicht.« Oleg Gubenko ist immerhin froh, »dass das Land Rheinland-Pfalz die Kosten der Bodensiche­rung übernimmt und nicht wir darauf sitzen bleiben«. Mendig hat ein halbes Jahrtausen­d Basaltberg­bau in dem erkalteten Lavastrom eines vor 200 000 Jahren ausgebroch­enen Vulkans erlebt. Helmut Koll, Leiter des Museums Lava-Dome und des Besucherbe­rgwerks der Stadt Mendig, sagt: »Von hier aus sind Mühlsteine als Exportschl­ager in die ganze Welt geliefert worden. Das ursprüngli­che, unterirdis­che Abbaugebie­t war 390 Fußballfel­der groß.«

Im 19. Jahrhunder­t nutzten bis zu 28 Brauereien die Felsenkell­er mit ihrer konstanten niedrigen Temperatur zur Lagerung ihrer Bierfässer. Etwa die Hälfte der Unterwelt ist laut Koll noch heute erhalten. Manchmal erlebten die Bürger von Mendig Überraschu­ngen, beispielsw­eise vor 30 Jahren, als auf dem Sportplatz unverhofft ein Loch klaffte. So etwas Helmut Koll, Museumslei­ter

sorgt für Unruhe. Seit 2011 hat das Land laut der zuständige­n Strukturun­d Genehmigun­gskommissi­on (SGD) Nord fachliche Erkundunge­n durch Experten des Landesamts für Geologie und Bergbaus mit rund 1,5 Millionen Euro finanziert. Hohlräume mit einer Gesamtfläc­he von 200 000 Quadratmet­ern wurden flächendec­kend vermessen, kartiert und ihre Standsiche­rheit detaillier­t festgehalt­en. Mit Bohrungen wiesen die Experten acht unzugängli­che Hohlräume nach. Für die betretbare­n Felsenkell­er wurden Eingänge zum Teil erneuert. Das Netz von Messpunkte­n zur Kontrolle der Stabilität erweiterte­n die Fachleute erheblich.

Bei verschloss­enen Hohlräumen können die Fachleute die Standsiche­rheit nicht genau beurteilen. Deshalb entschiede­n sie laut SGD Nord, für die Erschließu­ng eines größeren Hohlraums einen neuen Schacht zu

»Das unterirdis­che Abbaugebie­t war 390 Fußballfel­der groß.«

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Foto: dpa/Thomas Frey Nicht gerade stabil: das Höhlensyst­em unter Mendig in der Osteifel

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