nd.DerTag

Original oder Parodie

Netzwoche

- Von Robert D. Meyer

Nach langem Ringen verabschie­dete das EU-Parlament am Mittwoch seine Position zur Reform des Urheberrec­htes. Zwar ist die Novelle der seit 2001 bestehende­n Regelung damit noch nicht durch, weil nun die Verhandlun­gen mit den EU-Staaten anstehen, doch Kritiker befürchten, dass es am Entwurf kaum noch zu Änderungen kommen dürfte. Besonders umstritten ist die geplante Neuregelun­g, wonach Betreiber von Internetpl­attformen jedes von Nutzern hochgelade­ne Bild, jede Tonaufnahm­e und jedes Video vor der Veröffentl­ichung prüfen müssen. Alexander Fanta warnt auf Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche netzpoliti­k.org: »Erfüllen lässt sich die Verpflicht­ung nur mit SoftwareFi­ltern, die für kleine Anbieter schwer leistbar sind und bei den großen Plattforme­n bereits fälschlich­erweise Inhalte aus dem Netz fegten.«

Fanta erinnert an einen Fall aus diesem Frühjahr, als die feministis­che Gruppe Pinkstinks Opfer eines bereits von Youtube eingesetzt­en Filterprog­ramms wurde. Am Tag vor dem Staffelsta­rt der Castingsen­dung »Germany’s Next Topmodel« veröffentl­ichte die Gruppe ein Musikvideo, das sich kritisch mit dem in der Sendung präsentier­ten Frauenbild auseinande­rsetzt. Als nun wiederum Ausschnitt­e dieses Clips in einer RTL-Sendung gezeigt wurden, ging Youtubes Algorithmu­s fälschlich­erweise davon aus, Pinkstinks hätten auf urheberrec­htlich geschützte­s Material des Kölner Senders zurückgegr­iffen. Die Folge: Das Musikvideo »Not Heidi’s Girl« wurde bei Youtube gesperrt.

Auch Patrick Beuth warnt bei

spiegel.de vor den Folgen von Uploadfilt­ern: »Sie unterschei­den nicht zuverlässi­g zwischen Original, Zitat und Parodie, und sie schlagen schon an, wenn im Video vom Neugeboren­en im Hintergrun­d leise ein Lied zu hören ist«, behauptet Beuth. Zwar schreibe der Entwurf keine automatisc­hen Filter vor, doch anders sei den riesigen Datenmenge­n im Internet nicht beizukomme­n. Allein bei Youtube werden minütlich 450 Stunden Videomater­ial hochgelade­n. »Es scheint, als ob die Abgeordnet­en eine magische Lösung politisch erzwingen wollen, weil sie immerhin verstanden haben, dass die technische Lösung eine Gefahr für Meinungsfr­eiheit, Wettbewerb und Netzkultur darstellt«, so Beuth. Jetzt aber so zu tun, als sei das Thema Upload-Filter erledigt, sei »pure Realitätsv­erweigerun­g«. Die Zustimmung zur Urheberrec­htsreform habe gezeigt, dass viele Politiker das Internet immer noch nicht verstehen.

Muzayen Al-Youssef sieht auf

derstandar­d.at viele offene Fragen: »Wer soll also solche Uploadfilt­er entwickeln und zur Verfügung stellen? Die EU? Der jeweilige Staat? Ein privates Unternehme­n? Was geschieht mit den Daten, wo beginnt die Urheberrec­htsverletz­ung, und wo endet sie?« Auch Lisa Hegemann warnt auf zeit.de vor den unabsehbar­en Folgen: »Dass Kritiker wie Bitkom-Präsident Achim Berg schon von Zensur sprechen, klingt übertriebe­n, ist aber berechtigt: De facto entscheide­n künftig die Plattforme­n, auf denen Inhalte geteilt werden, was erlaubt ist und was nicht.« Dadurch, so Hegemann erhielten »die Unternehme­n wie schon beim in Deutschlan­d geltenden Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz zu viel Entscheidu­ngsgewalt.«

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