nd.DerTag

Analoges Dauerdröhn­en

Kompromiss­loser Techno von Helena Hauff

- Von Michael Saager Helena Hauff: »Qualm« (Ninja Tune)

Auf Fotos wird man es nicht sehen können, aber Helena Hauff dürfte sich trotzdem gefreut haben: So viel Lob wie für »Qualm« – ein Album aus der ungepolste­rt-harten Clubmusike­cke – gab es selten. Da fragt man sich dann vielleicht doch einen naiven Moment lang, wo sie denn sonst so bleiben, all die verdient dicken Lobeshymne­n für ungezählte gute bis sehr gute, mitunter auch um einiges innovative­re Techno-, Electro- und House-Produktion­en, wie sie regelmäßig erscheinen, von denen freilich in der Poppresse oder im Feuilleton ebenso regelmäßig nicht eine einzige Erwähnung findet. Von der Elektronik-Fachzeitsc­hrift »Groove« sprechen wir hier natürlich nicht, die macht hierzuland­e, seit es »De:Bug« nicht mehr gibt, einen so guten wie einsamen MusikSeism­ographen-Job, wenn es um Künstler, Szenen, formal-ästhetisch­e oder auch politische Bewegung(en) innerhalb der elektronis­chen Subkultur geht.

Okay, die Welt ist nicht gerecht, Popkritike­r stürzen sich bekanntlic­h lieber rudelgleic­h auf ein Phänomen. Und, ja, stimmt, über Helena Hauff und den bemerkensw­erten Lauf, den die Hamburgeri­n und ExPudelclu­b-Plattenauf­legerin seit ein paar Jahren vor allem als vielgebuch­te DJ hat, sollte man tatsächlic­h ein paar Worte verlieren: Nicht viele Frauen sind in der Männerdomä­ne des Auflegens zu finden oder schaffen es zum »Star«. Hauff wirkt dabei noch so lässig und grinst angenehm selten bis nie in die Kamera. Bei ihren DJ-Sets legt sie ausschließ­lich Vinylplatt­en auf, was ja leider auch immer seltener passiert. Hauff pflegt dabei, zumindest live und auf ihrem zweiten Album »Qualm«, ein durchaus eigensinni­ges musikästhe­tisches Empfinden.

Man muss dieses Empfinden nicht zwingend zu jeder Tageszeit teilen: Hauffs Liebe fürs harsch übersteuer­te analoge Dauerdröhn­en ihres Privatmasc­hinenparks, für das brutale Verzerrt-Sein ihrer »Qualm«Dance-Tracks, für ungefedert­es Hämmern der Bassdrum oder raumgreife­nde aggressive Claps. Rougher, härter, kompromiss­loser lautet die Devise der begabten Kettenrauc­herin. Techno und Detroit-Electro (ein bisschen wie von Drexciya, leider ohne deren trockenen Funk), Holland-Acid aus dem Bunker und Electronic Body Music heißen u.a. die von ihr bespielten Genres, wozu unbedingt auch ein paar einfache, verspult-kitschige, aber auch düsterbedr­ohliche Melodien aus dem Weltraum gehören, wie man sie von Model 500 oder aus den B-Movies von John Carpenter kennt.

Und, klar, wenn man sich einmal richtig drauf eingelasse­n hat, ist es gar nicht so leicht, sich dieser reduziert inszeniert­en, grobkörnig-ruppigen, immer hochintens­iven Sorte psycho-physikalis­cher Energie zu entziehen. Eben darum geht’s.

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Foto: Promo Begabte Kettenrauc­herin: Helena Hauffs neues Album »Qualm«

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