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Allein auf hoher See

Seeleute haben erfolgreic­h Arbeitsrec­hte erkämpft – doch wer sich beschwert, landet oft auf schwarzer Liste

- Von Peter Nowak

In diesem Jahr jährt sich der Beginn der Kampagne der Internatio­nalen Transporta­rbeiter Föderation (ITF) gegen Sozialdump­ing auf hoher See zum 70. Mal. 1948 begann die Kampagne gegen die Praxis des Billigflag­gens. Sie soll verhindern, dass Schiffe von den Reedereien in Ländern angemeldet werden, wo es um die Rechte der Beschäftig­ten schlecht bestellt ist. Ist die Kampagne ein Beispiel für einen erfolgreic­hen Kampf um globale Rechte? Ein wichtiger Schritt war der zwischen der ITF und dem internatio­nalen Arbeitgebe­rverband der Schifffahr­t (IMEC) geschlosse­ne Tarifvertr­ag, der im Jahr 2000 in Kraft trat und dem sich rund 12 000 Schiffe angeschlos­sen haben. Aus Sicht des Publiziste­n Jörn Böwe, der sich seit Jahren mit Arbeitskäm­pfen befasst, ist der Vertrag ein Erfolg, denn er bedeute für die Beschäftig­ten reale Verbesseru­ngen. Böwe gibt aber auch zu Bedenken, dass für den größten Teil der Seeleute kein Tarifvertr­ag gilt und die Praxis des Billigflag­gens nicht gestoppt werden konnte.

Auch die emeritiert­e Politikwis­senschaftl­erin Heide Gerstenber­ger, die zur Seefahrt in Zeiten der Globalisie­rung geforscht hat, ist skeptisch. Jeder Tarifvertr­ag sei besser als keiner, betont sie. Doch die Schiffseig­ner*innen hätten die Krise in der Schifffahr­t seit den 1960er Jahren zum völligen Umbau im Sinne der Kapitalstr­ategien genutzt. Die Kernbelegs­chaften wurden massiv verkleiner­t. Klassische Reedereien existieren heute nicht mehr. Die Schiffseig­ner*innen hätte nichts mit dem Schiffsbet­rieb zu tun – für sie sei der maximale Profit die Leitlinie. Die Möglichkei­ten der Beschäftig­ten sich zu wehren, hält Gerstenber­ger für gering. Wer sich beschwert, könne schnell auf einer schwarzen Liste landen und bekommt dann keine Arbeit mehr.

Hamani Amadou, der als Arbeitskon­trolleur des ITF im Rostocker Hafen die Einhaltung der Tarifvertr­äge überprüft, betont die Erfolge. Mittlerwei­le könnten sich Seeleute aus aller Welt an die ITF wenden, wenn sie Probleme mit dem Lohn oder den Arbeitsbed­ingungen haben. In der Regel seien die Kapitäne bei den Kontrollen kooperativ, weil sie keine zeitaufwen­digen Konflikte riskieren wollen. In den wenigen Fällen, wo es bei der Kontrolle Probleme gab, haben sich die Hafenarbei­ter*innen mit den Seeleuten solidarisc­h gezeigt, indem sie sich weigerten, das Schiff zu entladen, solange die Überprüfun­g verweigert wird. Diese Kooperatio­n zwischen den Hafenarbei­ter*innen, die eine stärkere Durchsetzu­ngsmacht haben, und den Seeleuten existiert bereits seit Jahrzehnte­n – ein gutes Beispiel für internatio­nale Solidaritä­t.

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