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Die Zeit des Hinterherr­ennens ist vorbei

Die Deutsche Eishockey Liga startet in die 25. Saison. Die Favoriten Berlin und München treffen gleich aufeinande­r

- Von Jürgen Holz

Die Deutsche Eishockey Liga geht in eine Jubiläumss­aison. Ab diesem Freitag wird ein so ausgeglich­enes Titelrenne­n wie lange nicht erwartet – auch wenn Vizemeiste­r Eisbären Berlin schon ein Fehlstart droht. Fünf Jahre ohne Titel sind offenbar genug. Denn Sportdirek­tor Stephane Richer umreißt die Erwartunge­n beim deutschen Eishockeyv­izemeister Eisbären Berlin so: »Wir wollen ein Buch mit Happy End schreiben.« Im Klartext heißt das wohl: Nach dem siebenten und letzten Titelgewin­n im Jahr 2013 soll die Meistersch­aft endlich wieder nach Berlin geholt werden. »Doch erst mal wollen wir eine attraktive Hauptrunde spielen und unter die ersten Vier kommen«, setzt Richer das erste Zwischenzi­el.

Der neue Cheftraine­r heißt Clement Jodoin. Als früherer Co-Trainer folgt er dem zu Sparta Prag gewechselt­en Uwe Krupp und ist etwas zurückhalt­ender als sein Sportdirek­tor. Der 66-jährige Kanadier, der nur einen Einjahresv­ertrag beim Rekordmeis­ter der Deutschen Eishockey Liga (DEL) erhalten hat, spricht von einem »Neubeginn«. Da werde »vieles ganz anders laufen«, aber die Eisbären hätten »eine gute Mannschaft« beisammen.

Fünf Abgänge hatten die Berliner zu ersetzen, darunter der zum Publikumsl­iebling aufgestieg­ene 40-jährige finnische Torwart Petri Vehanen, der seine Laufbahn beendete. Neun Spieler wurden neu verpflicht­et. Ob sie eine Verstärkun­g sind, wird sich erst noch zeigen müssen. Die vier Niederlage­n in der Champions Hockey League mit 3:5 und 1:6 gegen den EV Zug aus der Schweiz sowie 2:3 und 3:4 gegen den tschechisc­hen Meister HC Kometa Brno und damit das unerwartet­e Vorrundena­us waren jedenfalls eine glatte Enttäuschu­ng. Das umso mehr, weil die Eisbären in der Saisonvorb­ereitung durchaus überzeugt und alle ihre Testspiele gegen teilweise gute Konkurrent­en gewonnen hatten.

Der alte und neue Kapitän André Rankel glaubt nicht an einen »Dämpfer in der Aufbruchst­immung«, weil das »Engagement in der Mannschaft« stimme. Doch keine Frage: Das Team werde zum Saisonstar­t am Freitag auf heimischem Eis im Topduell Vizemeiste­r kontra Titelverte­idiger Red Bull München zulegen und disziplini­erter spielen müssen, soll ein Fehlstart vermieden werden.

Vor allem am neuen Spielsyste­m muss noch gefeilt werden. Unter dem neuen Trainer spielen die Berliner etwas anders als noch unter Vorgänger Krupp. »Wir wollen die Scheibe am Schläger halten und dann mit viel Geschwindi­gkeit ins gegnerisch­e Drittel kommen«, beschreibt Jodoin die Taktik. Tatsächlic­h spielen die Eisbären den Puck nicht mehr ganz so oft tief ins gegnerisch­e Drittel, um ihn sich dort in den Ecken wieder zu erkämpfen. Weniger Hinterherr­ennen, mehr Puckbesitz ist also die neue Maßgabe.

Neben diesem neuen Stil wird einmal mehr der Faktor Disziplin eine große Rolle spielen. In der Champions League hatten sich in Unterzahl die altbekannt­en Probleme mit vielen Gegentoren gezeigt. Und in Überzahl waren die Eisbären in der vergangene­n DEL-Spielzeit mit einer Erfolgsquo­te von knapp 17 Prozent das viertschwä­chste Team der Liga.

Wenn sie am Freitag in die Saison starten, wird ein Hoffnungst­räger fehlen: Marcel Noebels. Der 26-jährige Nationalsp­ieler hat die Berliner erst vor einer Woche verlassen. Der olympische Silbergewi­nner trainiert ab sofort beim NHL-Klub Boston Bruins und erhofft sich dort einen Vertrag in der NHL, die als beste Profiliga der Welt gilt. Sein Vertrag bei den Eisbären ruht vorerst, würde bei einer Rückkehr aber wieder aktiviert.

Die 14 Trainer erwarten nach vielen Wechseln in der Liga zunächst einmal ein ausgeglich­enes Titelrenne­n. Dabei war kaum einer mit seinem Meistertip­p so deutlich wie Don Jackson vom Meister aus München. Der 62-jährige Erfolgstra­iner – fünfmal Meister mit Berlin, dreimal mit München – erklärte unmissvers­tändlich: »Wir wollen immer gewinnen und unseren Titel verteidige­n.«

Bei den Bullen – mit einem geschätzte­n Etat von 13,5 Millionen Euro auch finanziell der Krösus – hat es neun Ab- und fünf Zugänge gegeben. Jackson setzt auf einen »guten Mix«, wie er sagt, betont jedoch auch, dass »es einige Zeit dauern wird, bis alles zusammenwä­chst«. Die Mannschaft sei aber nicht schlechter als zuletzt, als der Titel-Hattrick gelang. Mit ihr soll es nun einen historisch­en vierten Titelgewin­n in Folge geben. Dieses Kunststück hat es seit Einführung der Bundesliga vor 60 Jahren und der Gründung der DEL vor 25 Jahren erst einmal durch die Düsseldorf­er EG gegeben, die von 1990 bis 1993 Meister geworden war.

Zu den Mitfavorit­en werden auch die Adler Mannheim gezählt. Hier ist man dabei, sich neu zu erfinden. Die Adler gehen mit dem zweithöchs­ten Etat von 13 Millionen Euro und einer total umgekrempe­lten Mannschaft in die Jubiläumss­aison: 13 Ab- und elf Neuzugänge wurden gezählt. Trotz des Halbfinale­inzugs in der Vorsaison wurden auch gleich Trainer und Manager ausgewechs­elt. Nach dieser ungewöhnli­chen Zäsur soll nun der Angriff auf den Titel folgen, den es beim sechsfache­n Meister zuletzt 2015 gegeben hat.

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Foto: imago/Icon SMI Wischen für den Start: In der neuen DEL-Saison ist der Torraum deutlich kleiner, bildet keinen Halbkreis mehr und bietet den Goalies somit weniger Schutz.

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