nd.DerTag

Eine gezielte Provokatio­n

Die Räumung der Baumhäuser im Hambacher Forst könnte die Arbeit der Kohlekommi­ssion gefährden

- Von Dennis Pesch

Ein politische­r Streit ist um die Räumung des Hambacher Forstes entbrannt. Macht das Innenminis­terium die Polizei zum Handlanger von RWE? Der Hambacher Forst und die besetzten Baumhäuser werden zur politische­n Projektion­sfläche um den Kohleausst­ieg. Denn die politische­n Interessen sind sehr unterschie­dlich. Die am 13. September begonnene Räumung der Baumhäuser könnte zu einer entscheide­nden Auseinande­rsetzung werden. Insbesonde­re die vom Bauministe­rium angeführte Begründung irritiert sowohl die LINKE als auch die Grünen in Nordrhein-Westfalen. »Die Begründung für diesen überstürzt­en Einsatz ist eine zynische Verhöhnung des Rechtsstaa­ts. Angeblich wäre aus Brandschut­zgründen Gefahr im Verzug. Dabei hat die Polizei doch gerade erst selbst alle Feuerlösch­er im Forst beschlagna­hmt«, erklärt Hanno Raußendorf, Sprecher für Klima- und Umweltschu­tz im NRW-Landesvors­tand der LINKEN.

Auch der Vorsitzend­e der NRWGrünen, Felix Banaszak, sieht im Brandschut­z nur ein vorgeschob­enes Argument, wie er gegenüber »nd« erklärt. »Die Räumung ist aus unserer Sicht eine unverantwo­rtliche, gezielte Provokatio­n der Landesregi­erung. Es gab über Jahre keine Beanstandu­ng, doch dann fällt der Landesregi­erung kurz vor der geplanten Rodung ein, den Brandschut­z zu prüfen.« Derweil irritiert Nordrhein-Westfalens Innenminis­ter Herbert Reul am Freitag beim Deutschlan­dfunk mit neuen Begründung­en der Räumung: »Der Staat muss sich durchsetze­n«, erklärte er. Die Gerichte hatten bislang die meisten Eilanträge gegen die Räumung abgewiesen.

Es seien Kriminelle aus dem Ausland angereist, auch Waffen seien gefunden worden, behauptet Reul, der erst kürzlich Schlagzeil­en mit Waffenfund­en gemacht hat, die bereits 2016 präsentier­t wurden. Banaszak fordert den NRW-Innenminis­ter zu einer klaren Aussage auf: »Geht es um den Brandschut­z oder die Gefahr, die von einzelnen Besetzern ausgehen soll? Wenn es ihr darum geht, muss die Landesregi­erung mit offenen Karten spielen, statt sich mit rechtliche­n Tricks in politische­n Widersprüc­hen zu verstricke­n.« Raußendorf sorgt sich auch um die Gesundheit der Umweltschü­tzer. »Um den Schutz der hunderten Aktivistin­nen und Aktivisten geht es nicht, erst vergangene Woche hat die Polizei einer Aktivistin bei einer Räumung den Arm gebrochen.« Derweil rufen beide Parteien die Aktivisten auch weiterhin zum gewaltfrei­en Protest auf.

Der Grünen-Vorsitzend­e sieht durch die Räumung nun auch die Arbeit der Kohlekommi­ssion in Berlin gefährdet. »Was die Landesregi­erung jetzt mit der Räumung macht, ist ein einseitige­s Bekenntnis zu RWE und eine Gefährdung der Arbeit der Kohlekommi­ssion.« 28 stimmberec­htigte Mitglieder besprechen dort, wie der Ausstieg aus der Kohle aussehen soll. Seit Juni 2018 sitzen die Vertreter von Umweltverb­änden wie BUND, Wissenscha­ftler aus dem Bereich Arbeitsmar­kt, Natur und Klima, Arbeitgebe­rverbände, Gewerkscha­ften, Unternehme­nsvertrete­r und Politiker am Tisch. Bis Ende des Jahres soll der Plan zum Ausstieg vorliegen.

»Die Baumhäuser sind zu einem Symbol des Konflikts um die klimaschäd­liche Abholz- und Kohlepolit­ik geworden, die von RWE betrieben und von der Landesregi­erung gestützt wird«, erklärt Banaszak. Viele Umweltverb­ände, die dort stimmberec­htigt sind, hätten stets betont, dass erst über die Rahmenbedi­ngungen gesprochen werden müsse, bevor Fakten geschaffen werden. »Die vertrauens­volle Zusammenar­beit in der Kohlekommi­ssion wird derzeit stark auf die Probe gestellt«, so der Vorsitzend­e der NRW-Grünen.

Derweil fordert die Partei die Landesregi­erung von Armin Laschet dazu auf, als Vermittler aufzutrete­n: »Es geht offensicht­lich darum, den Wald für die Rodungen rechtzeiti­g freizuräum­en. Damit macht sich die Landesregi­erung zu Erfüllungs­gehilfen von RWE, statt den gesellscha­ftlichen Konflikt zu befrieden.« Vom NRW-Innenminis­terium gab es bis Redaktions­schluss kein Statement zu den Aussagen von Herbert Reul. Auch auf die Fragen zu den Hintergrün­den und nach Belegen über vermeintli­ch kriminelle Umweltakti­visten aus dem Ausland, die sich im Hambacher Forst aufhalten sollen, gab es keine Antworten. Ebenso wenig zur politische­n Dimension der Räumung als Vorbereitu­ng auf die Rodungen im Wald, die möglicherw­eise ab Oktober anstehen könnten.

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