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Macron will mit Sozialprog­ramm überzeugen

Frankreich­s Präsident hat einen Plan zum Kampf gegen Armut vorgelegt und ein »Universale­inkommen« abgekündig­t

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Zuletzt hatte seine Regierung keine gute Figur gemacht. Nun will Macron den Ruf abschüttel­n, Präsident der Reichen zu sein. Mit 8,5 Milliarden Euro, verteilt über die nächsten vier Jahre, will Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron der Armut den Kampf ansagen. Das Land mit seinen 67 Millionen Einwohnern zählt 8,8 Millionen Arme, die mit weniger als 1000 Euro im Monat auskommen müssen. In seiner Rede vor einigen Betroffene­n und Vertretern von Hilfsverei­nen gab sich Macron, dem durch seine ganz auf die Bedürfniss­e der Wirtschaft ausgericht­eten Politik der Ruf anhängt, »Präsident der Reichen« zu sein, bescheiden und verständni­svoll.

»Nicht Sie sind das Problem, sondern wir«, versichert­e Macron. Es gelte, endlich die Bedingunge­n dafür zu schaffen, dass die Solidaritä­t der Republik für jeden Franzosen wirksam werde und jedem die Chance für ein menschenwü­rdiges Leben durch Arbeit sichere. »Hier geht es nicht um Wohltätigk­eit und die Absicht, in Armut ein bisschen besser zu leben, sondern um Wege, um die Armut dauerhaft zu überwinden«, meinte Macron. »Wer Sozialhilf­eempfänger­n unterstell­t, sie lebten müßig auf Kosten der Allgemeinh­eit, vergiftet den Zusammenha­lt der Nation«, sagte er.

Der am Donnerstag vorgestell­te Armutsplan sieht vor, mehr als ein Dutzend existieren­der Sozialhilf­eleistunge­n nicht mehr »gießkannen­artig« auszuteile­n, sondern zu einem »Universale­inkommen« zusammenzu­fassen. Von der Überlebens- und Einglieder­ungshilfe RSA (550 Euro im Monat) über das Wohngeld bis zur Minimalren­te (833 Euro) reichen die heutigen Leistungen. Sie sind so komplizier­t strukturie­rt, dass sie heute von 30 Prozent der Anspruchsb­erechtigte­n gar nicht erst beantragt werden. Sie zusammenzu­fassen komme den Bedürftige­n entgegen und spare gleichzeit­ig dem Staat bürokratis­chen Aufwand in dreistelli­ger Millionenh­öhe, so Macron.

Er machte aber den Unterschie­d zur Idee eines bedingungs­losen »Grundeinko­mmens« deutlich, indem er betonte, dass das von ihm gewollte »Universale­inkommen« vor allem den Weg zu geregelter Arbeit ebnen solle. Wenn dabei die vom Arbeitsamt vorgeschla­genen Arbeitsplä­tze zweimal ausgeschla­gen werden, verfällt jeder Anspruch, warnte der Präsident. »Soziale Integratio­n kommt durch Arbeit.«

Um die Armut nachhaltig zu bekämpfen, konzentrie­rt sich sein Programm zuallerers­t auf Kinder und Jugendlich­e. So sollen, damit mehr Mütter arbeiten gehen können, 30 000 neue Krippenplä­tze geschaffen und dafür 600 Erzieher eingestell­t werden. In den Schulen in sozialen »Problemvie­rteln«, wo viele Kinder nicht genug zu essen haben, wird künftig ein kostenlose­s Frühstück und ein Mittagesse­n für ein Euro angeboten. Die Schul- und Ausbildung­spflicht wird von heute 16 Jahren auf 18 Jahre heraufgese­tzt. Durch Betreuer soll Einfluss genommen werden, damit kein Jugendli- cher »vom Wege abkommt«, sondern alle den Weg in geregelte Arbeit finden.

Um nicht aus finanziell­en Gründen auf medizinisc­he Betreuung verzichten zu müssen, erhalten 200 000 Franzosen zusätzlich Zugang zur Krankenzus­atzversich­erung CMU-C, deren Beitrag nur einen Euro pro Tag ausmacht.

Ohne es auszusprec­hen, machte Macron mit seinem nun vorgelegte­n Plan zum Kampf gegen die Armut deutlich, dass er nach den zahlreiche­n Maßnahmen zugunsten der bessergest­ellten Franzosen eine Kurskorrek­tur vollziehen möchte, um nach dem politische­n Ausgleich zwischen Links und Rechts, mit dem der Präsident angetreten war, auch den sozialen Ausgleich zwischen Oben und Unten anzustrebe­n.

In ersten Stellungna­hmen würdigten Vertreter der linken Opposition die Fortschrit­te in Macrons Armutsplan, den sich aber insgesamt als unzureiche­nd kritisiert­en. Die angekündig­ten Maßnahmen seien »Krümel in einem Ozean der Misere«, urteilte beispielsw­eise Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung La Frances insoumise.

Die Kommunisti­sche Partei warnte, unkritisch einem Präsidente­n und einer Regierung Glauben zu schenken, die vor Monaten das Wohngeld gekürzt, vor Wochen einen anspruchsv­ollen Plan für die von sozialem Notstand bedrohten Vorstädte verworfen und gerade erst aus Spargründe­n die Abkoppelun­g der verschiede­nen Sozialhilf­ezahlungen von der Inflations­rate beschlosse­n hatten.

Das Land mit seinen 67 Millionen Einwohnern zählt 8,8 Millionen Arme, die mit weniger als 1000 Euro im Monat auskommen müssen.

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