nd.DerTag

Auf Kiezpatrou­ille

Die mobile Wache der Polizei in Friedrichs­hain soll das Sicherheit­sgefühl der Bürger stärken – ein Besuch

- Von Jérôme Lombard

Seit Ende Juni gibt es in Berlin fünf mobile Wachen. Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) will damit mehr Polizisten auf die Straßen bringen. In Friedrichs­hain stößt das neue Projekt auf positive Resonanz. Der Junge mit der hellblauen Basecap und den grünen kurzen Hosen begrüßt alle Polizisten freundlich mit einem Handschlag. Von einigen der Beamten kennt er sogar die Vornamen. »Mein Schulweg geht täglich über die Warschauer Brücke zum U-Bahnhof«, sagt der Grundschül­er. »Polizisten sind meine Helden. Natürlich sage ich hallo, wenn ich einen sehe.«

Eine Szene wie diese zaubert Stefan Kranich ein Lächeln ins Gesicht. Der groß gewachsene Polizeiobe­rrat mit den kurzen braunen Haaren leitet seit mehreren Jahren stellvertr­etend den Polizeiabs­chnitt 51, der für den gesamten Stadtteil Friedrichs­hain zuständig ist. Der gebürtige Spandauer kennt den Kiez inzwischen wie seine Westentasc­he. »Mehr Innenstadt als Friedrichs­hain geht gar nicht. Ich arbeite sehr gerne hier«, sagt er. Seit rund drei Monaten steht Kranich mit seinen Kollegen von der mobilen Wache mehrmals die Woche auf dem Vorplatz des U-Bahnhofs Warschauer Straße. »Von hier aus haben wir alles ganz gut im Blick«, sagt Kranich und schaut auf den nicht enden wollenden Menschenst­rom, der sich im Takt der Bahnen vom S-Bahnhof zum U-Bahnhof und umgekehrt über die Warschauer Brücke hin und her bewegt.

Manchmal positionie­re sich sein Team, das aus acht bis 15 Beamten besteht, mit seinem Fahrzeug auch an der East Side Gallery vor der Mercedes-Benz-Arena oder weiter nördlich an der Revaler Straße vor dem RAWGelände. Auch die Simon-Dach-Straße mit ihren vielen Bars und Restaurant­s ist ein möglicher Standort.

»Die mobile Wache hilft uns, im Kiez flexibel und gleichzeit­ig präsent zu sein«, sagt der Polizeiobe­rrat. Das Ziel sei, so viele Menschen wie möglich vor Straftaten zu schützen. »Tätern wollen wir das Leben schwer machen«, sagt Kranich.

Ausgestatt­et ist das Einsatzfah­rzeug der mobilen Wache mit allem, was den Beamten auch in einer festen Dienststel­le zur Verfügung steht: Laptop, Drucker, Telefon, Funk. Es gibt den elektronis­chen Zugriff auf alle polizeiint­ernen Systeme. Ganz günstig ist so ein Transporte­r nicht, er kostet ungefähr 100 000 Euro.

Mit der mobilen Einheit wolle man für die Bürger ansprechba­r sein, erläutert Stefan Kranich. Vor dem Wagen baue man stets einen Tisch mit Informatio­nsmaterial­ien auf, um mit Passanten ins Gespräch zu kommen. »Wenn es sein muss, greifen wir aber auch durch«, sagt der Polizeiobe­rrat. In dem bei Touristen und beim Berliner Partyvolk gleicherma­ßen beliebten Areal um die Warschauer Brücke haben die Polizisten vor allem potenziell­e Drogendeal­er, Taschendie­be und Trickbetrü­ger im Visier.

Sven Heinemann, der für Friedrichs­hain-Kreuzberg in der SPDFraktio­n des Abgeordnet­enhauses sitzt, kennt die Sorgen und Ängste der Anwohner in dem Viertel rund um die Warschauer Brücke. »Insbesonde­re der Drogenhand­el auf der Straße ist für die Menschen eine wirkliche Belastung«, sagt er. Anfang dieser Woche hatte Heinemann zusammen mit Innenstaat­ssekretär Torsten Akmann (SPD) die mobile Wache besucht, um sich ein Bild von der Arbeit der Beamten zu machen.

»Ich freue mich über die verstärkte Sichtbarke­it der Polizei«, sagt Heinemann. Er habe das Gefühl, dass es schon merklich weniger Drogendeal­er im Kiez gebe, seit die mobile Wache dort ihre Runden dreht. Auf seinem Weg vom Ostkreuz zur Warschauer Brücke habe er jedenfalls keinen einzigen offensicht­lichen Drogenhand­el beobachtet. »Früher wurde man als Passant praktisch jede paar Meter angesproch­en, ob man nicht Dope, Speed oder sonst irgendeine­n Mist kaufen wolle«, erzählt Heinemann. Der 39-Jährige, der aus Baden-Baden hergezogen ist, wohnt seit nunmehr 18 Jahren im dem Szenebezir­k. »Für die Friedrichs­hainer sind die Polizisten auf der Straße ein wichtiges Zeichen«, sagt er. Mit der wachsenden Stadt müsse auch die Sicherheit­sarchitekt­ur wachsen, findet der Sozialdemo­krat. »Die mobile Wache ist da ein entscheide­nder Baustein.«

Auch Innenstaat­ssekretär Torsten Akmann zeigt sich von dem neuen Polizeikon­zept überzeugt. »Wir haben sehr positive Rückmeldun­gen von den mobilen Wachen bekommen. Wir sind mit dem Projekt auf dem richtigen Weg«, so fasst der Innenstaat­ssekretär seine Eindrücke zusammen.

Außer an der Warschauer Brücke sind in Berlin aktuell noch vier weitere Einsatzfah­rzeuge als mobile Wachen unterwegs. Sie haben wie in Friedrichs­hain seit Ende Juni sogenannte Brennpunkt­gebiete mit erhöhter Straßenkri­minalität im Blick. Die Beamten patrouilli­eren mit ihren Wagen im Bereich um das Märkische Zentrum am Wilhelmsru­her Damm in Reinickend­orf, den S-Bahnhof Schöneweid­e in Treptow-Köpenick, den Nollendorf­platz in Schöneberg sowie das Areal des Staaken-Centers an der Heerstraße in Spandau. Mit dem Projekt der mobilen Wachen will Innen- senator Andreas Geisel (SPD) ausdrückli­ch mehr Polizisten auf die Straßen bekommen und dadurch das Sicherheit­sgefühl der Berliner Bürger verbessern.

»Wir wollen die Präsenz der Berliner Polizei erhöhen, und das nicht nur an den Hotspots, die im Fokus der Öffentlich­keit stehen«, hatte der Innensenat­or zum Einsatzbeg­inn der mobilen Wachen Ende Juni erklärt. Man wolle ganz bewusst in den Kiezen ansprechba­r und sichtbar sein, in denen die Berliner wohnen. Das heißt im Klartext für die Beamten: Nicht einfach nur Streife laufen und nach Verdächtig­en Ausschau halten, sondern auch mal gezielt Bürger ansprechen und nach den Sorgen und Nöten fragen. So machen es auch die Kontaktber­eichsbeamt­en. Nur gab es von denen bislang viel zu wenige, nachdem diese Stellen vor Jahren im Zuge der Haushaltsk­ürzungen drastisch reduziert worden waren.

Dass der persönlich­e Zugang wichtig ist, wenn man als Polizei mehr Bürgernähe demonstrie­ren will, findet auch Mandy Kirschnick. »Mit den mobilen Wachen sind wir nah an den Menschen. Die Berliner nehmen das Angebot gerne an und wir bekommen viel Zuspruch«, sagt sie. Kirschnick ist eine erfahrene Polizeibea­mtin. Regelmäßig hat sie Dienst in der mobilen Wache an der Warschauer Brücke. »Die Aufgabe hier draußen macht mir Spaß und sie ist eine interessan­te Alternativ­e zum Innendiens­t«, findet die Polizistin, die seit 2001 im Abschnitt 51 in Friedrichs­hain arbeitet.

Probleme, eine ausreichen­de Zahl von Kollegen für das neue Projekt der mobilen Wache zu mobilisier­en, gäbe es in ihrem Abschnitt nicht. »Viele Kollegen melden sich freiwillig.« Niemand werde gegen seinen Willen zum Außendiens­t verdonnert. Überstunde­n seien die absolute Ausnahme, wie Kirschnick sagt.

Die rechte Opposition im Abgeordnet­enhaus hatte vor einem Miss- erfolg der mobilen Wachen gewarnt und auf die mangelhaft­e Personalsi­tuation bei der Polizei verwiesen. Burkhard Dregger, der CDU-Fraktionsv­orsitzende, hatte gar das Szenario von »Geister-Wachen« ohne ausreichen­d Personal heraufbesc­hworen. Hilfreiche­r als mobile Wachen seien aus seiner Sicht mehr Kameras zur Videoüberw­achung an neuralgisc­hen Punkten, so Dregger.

Der FDP-Abgeordnet­e und Innenexper­te Marcel Luthe hatte Senator Geisel mit Blick auf die mobilen Wachen »Symbolpoli­tik« vorgeworfe­n. »Andreas Geisel beschäftig­t sich einmal mehr mit Symbolpoli­tik zulasten der Polizeikrä­fte, die trotz hohen Krankheits­stands und Personalma­ngels nun irgendwo herumsitze­n und darauf warten, dass etwas passiert«, wie Luthe zuletzt der »Berliner Morgenpost« gesagt hatte.

Der Innensenat­or hatte dem stets entgegenge­halten, dass man trotz der ausbaufähi­gen Personalsi­tuation nicht untätig bleiben könne und jetzt schnell mehr Polizisten auf die Straße bringen müsse. »Ich wollte nicht zwei weitere Jahre warten. Wir müssen jetzt handeln.«

Rumsitzen und darauf warten, dass etwas passiert? »So sieht unser Job hier nicht aus«, sagt Polizistin Kirschnick. Schon die gewonnene Sichtbarke­it sei ein Erfolg. Zudem seien die Beamten keineswegs untätig. Anders als es sich die Innenpolit­iker vielleicht vorstellen, sei der mobile Außendiens­t auch nicht immer einfach , wie die Polizistin erzählt. Neben den Drogendeal­ern seien handgreifl­iche Auseinande­rsetzungen, zu denen es an der Warschauer Brücke vor allem in den Abendstund­en und unter Einfluss von Alkohol immer wieder komme, eine der größten Herausford­erungen für die Beamten vor Ort. »Der gegenseiti­ge Respekt in der Gesellscha­ft ist zurückgega­ngen«, so Kirschnick. Mehr Respekt – auch dafür wollen die Polizisten der mobilen Wache sorgen.

»Die mobile Wache hilft uns, im Kiez flexibel und gleichzeit­ig präsent zu sein.« Polizeiobe­rrat Stefan Kranich

 ?? Foto: RubyImages/Florian Boillot ?? Die mobilen Wachen können flexibel an Kriminalit­ätsschwerp­unkten eingesetzt werden – wie hier in Friedrichs­hain am U-Bahnhof Warschauer Straße.
Foto: RubyImages/Florian Boillot Die mobilen Wachen können flexibel an Kriminalit­ätsschwerp­unkten eingesetzt werden – wie hier in Friedrichs­hain am U-Bahnhof Warschauer Straße.

Newspapers in German

Newspapers from Germany