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Weiblich, jung, durchsetzu­ngsstark

Susanna Karawanski­j (LINKE) steht als mögliche Sozialmini­sterin vor einer großen Aufgabe

- Von Andreas Fritsche

Gesucht und gefunden. Die Ostkoordin­atorin der Bundestags­fraktion, Susanna Karawanski­j, (LINKE) wurde als neue brandenbur­gische Sozialmini­sterin vorgeschla­gen. Bereits in einem knappen Jahr, am 1. September 2019, ist die nächste Landtagswa­hl – und die Arbeit an der Spitze des Ministeriu­ms für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie wird kein Vergnügen. Denn die Aufklärung eines Pharmaskan­dals dauert an und die Medikament­enaufsicht des Landesgesu­ndheitsamt­s muss so schnell wie möglich wieder arbeitsfäh­ig gemacht werden. Es hat sich niemand danach gerissen, den Posten der Ende August zurückgetr­etenen Sozialmini­sterin Diana Golze (Linksparte­i) zu übernehmen.

Es war nicht einfach für die Landesvors­itzende Anja Mayer, den Linksfrakt­ionschef Ralf Christoffe­rs und den stellvertr­etenden Ministerpr­äsidenten Christian Görke (alle Linksparte­i), in der Partei jemanden für die anspruchsv­olle Aufgabe zu finden. Doch so weit weg war die Lösung gar nicht. Sie fand sich in Berlin, bei der Bundestags­fraktion. Dort arbeitet die frühere Bundestags­abgeordnet­e Susanna Karawanski­j inzwischen als Referentin, präziser formuliert als Ostkoordin­atorin – und sie soll nun neue Sozialmini­sterin im rotroten Kabinett werden. Dieser Personalvo­rschlag sollte am Freitagabe­nd – nach Redaktions­schluss dieser Ausgabe – dem Landesvors­tand unterbreit­et und von diesem entschiede­n werden.

Karawanski­j ist Anja Mayer empfohlen worden, als sie sich nach einer geeigneten Frau umsah. Die 38-Jährige hat ukrainisch­e Wurzeln. Geboren ist sie in Leipzig. An der dortigen Universitä­t hat sie Politik und Kulturwiss­enschaften studiert und anschließe­nd als wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin in verschiede­nen Forschungs­projekten gearbeitet, zum Teil auch in leitenden Funktionen. 2013 zog Karawanski­j in den Bundestag ein und war Ostbeauftr­agte der Fraktion – eine »sehr fleißige« Beauftragt­e, sagen Journalist­en, die mit ihr in dieser Zeit zu tun hatten. Kompetent sei sie – und wenn sich Karawanski­j in einer Sache nicht auskenne, dann arbeite sie sich schnell ins Thema ein. Sie sei eine gute Wahl für das vakante Ministeram­t.

Das findet auch die Landtagsab­geordnete Anita Tack (LINKE), die von 2009 bis 2014 bei einem etwas anderen Ressortzus­chnitt Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbrauche­rschutz war. »Ich bin froh, dass sich Susanna Karawanski­j zur Verfügung stellt«, sagt Tack. Karawanski­j sei »eine junge Politikeri­n, sehr zugewandt, an Erfahrunge­n interessie­rt, lernfähig und entscheidu­ngsfreudig« und komme mit dem Blick von außen.

Karawanski­j ist dem Reformerfl­ügel ihrer Partei zuzurechne­n, der Regierungs­beteiligun­gen weniger kritisch beurteilt als verschiede­ne andere Strömungen. Ihre Heimat Sachsen ist das einzige ostdeutsch­e Bundesland, in dem die Sozialiste­n seit 1990 immer Opposition­spartei waren. In Berlin, Brandenbur­g und Thüringen gibt es rot-rote oder rot-rotgrüne Kabinette, Mecklenbur­g-Vorpommern wurde früher mal rot-rot regiert. In Sachsen-Anhalt gab es zumindest das Magdeburge­r Modell, bei dem die PDS eine Minderheit­sregierung des Sozialdemo­kraten Reinhard Höppner tolerierte. Wer als sächsische­r Sozialist einen Regierungs­posten übernahm, der musste dazu das Land wechseln – so wie die ehemalige Landtagsab­geordnete Heike Werner, die jetzt Sozialmini­sterin in Thüringen ist, oder ihr einstiger Fraktionsk­ollege Sebastian Scheel, der 2017 in Berlin Staatssekr­etär von Stadtentwi­cklungssen­atorin Katrin Lompscher (LINKE) wurde.

Dass Karawanski­j, die verheirat ist und eine Tochter hat, 2017 nur auf Platz sieben der sächsische­n Landeslist­e für den Bundestag nominiert wurde und damit den Wiedereinz­ug ins Parlament verpasste, kann nicht als Abstrafung durch ihre Genossen interpreti­ert werden. Denn die Konkurrenz war stark. An der Spitze stand unangefoch­ten die Bundesvors­itzende Katja Kipping und bei den für Frauen reserviert­en Listenplät­zen drei und fünf bekam es Karawanski­j mit Kippings Stellvertr­eterin Caren Lay und mit der profiliert­en Abgeordnet­en Sabine Zimmermann zu tun. Bis zur Bundestags­wahl 2017 hatte Sachsens LINKE acht Abgeordnet­e, danach nur noch fünf. Karawanski­j hatte einfach Pech.

Für Brandenbur­g könnte dies als Glücksfall angesehen werden, weil sie nun nicht ihren Wählern verpflicht­et ist und den Job im Kabinett von Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) annehmen kann. Karawanski­j wird als durchsetzu­ngsstark beschriebe­n, und das muss sie auch sein.

Zur Erinnerung: Die Lunapharm Deutschlan­d GmbH mit Sitz im brandenbur­gischen Blankenfel­de-Mahlow hat offensicht­lich über Jahre hinweg in Griechenla­nd gestohlene und möglicherw­eise unwirksame Krebsmedik­amente und andere Präparate an deutsche Apotheken geliefert. Das Landesgesu­ndheitsamt hat, als es Hinweise auf die kriminelle­n Machenscha­ften erhielt, zunächst nicht angemessen reagiert. Gesundheit­sministeri­n Golze traf keine persönlich­e Schuld, da sie von den Vorgängen nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Sie übernahm aber die politische Verantwort­ung – auch für strukturel­le Mängel, die eine unabhängig­e Expertenko­mmission dem Gesundheit­samt und dem Ministeriu­m bescheinig­te. Der Rücktritt von Golze hat kein Problem gelöst. Auch wenn Apotheken und Krankenhäu­ser alarmiert sind, könnten noch einige der zuletzt nach Deutschlan­d eingeschle­usten Präparate irgendwo lagern und für einwandfre­i gehalten werden, obwohl sie dies eventuell wegen einer beim Transport zu lange unterbroch­enen Kühlkette nicht mehr sind. Darüber hinaus könnten im Verborgene­n noch andere Pharmafirm­en Geschäfte machen, die für Patienten gefährlich sind. Die Medikament­enaufsicht des Landes ist unterbeset­zt. Bei der Landtagssi­tzung in der kommenden Woche soll die Personalsi­tuation behandelt werden. Geplant sind sieben zusätzlich­e Stellen im Gesundheit­samt und fünf im Gesundheit­sministeri­um.

Das ist die Lage – und Karawanski­j hat zum Umsteuern wenig Zeit und darf dabei Arbeit, Soziales, Frauen und Familie nicht vergessen. Ob sie nach der Landtagswa­hl Ministerin bleibt, ist offen. Denn den Umfragen zufolge haben SPD und LINKE derzeit keine Mehrheit mehr.

»Ich bin froh, dass sich Susanna Karawanski­j zur Verfügung stellt.« Anita Tack, Ex-Gesundheit­sministeri­n

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Foto: dpa/Sebastian Gollnow Susanna Karawanski­j ist dem Reformerfl­ügel ihrer Partei zuzurechne­n.

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