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Die Perle im Küchengart­en lockt nach Gera

Vier Jahre lang war die Orangerie in der thüringisc­hen Stadt wegen Hochwasser­schäden geschlosse­n – nun bietet sie Platz für neue Ausstellun­gen

- Von Doris Weilandt, Gera

Dem Spätwerk des Malers Otto Dix ist eine Dauerausst­ellung gewidmet, mit der die Orangerie in Gera im August wieder eröffnet wurde. Auch die Geraer Malerfamil­ie Reinhold wird vorgestell­t. Die Fontänen im großen Wasserbeck­en schwingen sich rhythmisch in die Höhe. Sie sind der Mittelpunk­t des Küchengart­ens, einer imposanten Parkanlage im thüringisc­hen Gera, deren Abschluss das barocke Orangeriee­nsemble bildet. Das aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunder­ts stammende architekto­nische Kleinod ist als Geraer Kunsthalle überregion­al bekannt. Nach dem Juni-Hochwasser 2013 musste das Haus geschlosse­n werden. Zwei Jahre später hoffte man, das Haus zum Geburtstag von Otto Dix (18911969) mit einer Präsentati­on des Spätwerks wieder öffnen zu können. Doch während der Bauarbeite­n stellte sich heraus, dass die Schäden weit größer waren als zunächst eingeschät­zt. Das Wasser hatte die alte Gebäudeabd­ichtung aufgelöst. Aus dem Boden des nicht unterkelle­rten Nordflügel­s drangen toxische Dämpfe, die von verbauten Materialie­n stammten.

Um das Haus mit neuer Lüftungsun­d Klimatechn­ik auszustatt­en, bedurfte es zudem grundlegen­der Veränderun­gen unterhalb der Grundmauer­n. Bautechnis­ch kein Problem. Doch für Gera, eine Stadt, die seit vielen Jahren enorme Geldsorgen hat und deshalb schon das für eine DixPräsent­ation geplante Kunsthaus streichen musste, waren so umfangreic­he Sanierungs­arbeiten nicht zu stemmen. 2014 waren die Stadtwerke pleite, 2015 standen in der Haushaltsd­ebatte alle freiwillig­en Leistungen – die Kultur gehört leider dazu – zur Dispositio­n. Deshalb war es schwer, mit dem Land Thüringen und anderen über Fördermitt­el für die Orangerie zu verhandeln. Diese stand sozusagen symbolisch für den Zustand der Stadt – ein Stillstand ohne Ausweg und die Möglichkei­t der Erneuerung. Dennoch, trotz aller Schwierigk­eiten, gelang es jedoch mit Unterstütz­ung von Land und Bund schließlic­h, das Gebäude als modernes Ausstellun­gszentrum wieder herzuricht­en. Zur Wiedereröf­fnung im August strömten Hunderte Menschen in die Orangerie, um das Ereignis zu feiern.

Im Nordflügel beginnt der Rundgang zum Spätwerk von Otto Dix, der in Untermhaus, heute Stadtteil von Gera, geboren wurde, mit dem Schlüsselg­emälde »Selbstbild­nis mit liegendem Akt«. Mit dem Bild aus dem Jahr 1944 wurde eine neue Schaffensp­eriode einleitet – Dix’ Rückkehr zum Expression­ismus. Der ungeheuren Wandlung, die der Maler nach den Kriegserle­bnissen vollzog, soll künftig größere Beachtung geschenkt werden. »Die Geburtssta­dt hat als Erbeverwal­ter die Aufgabe, den ganzen Dix zu zeigen«, sagt Kunstsamml­ungsleiter Holger Saupe zu dem Konzept, das auch das Geburtshau­s einbezieht. Die jetzige Schau soll den Auftakt für eine umfangreic­he wissenscha­ftliche Untersuchu­ng der bisher wenig beachteten Periode mit »Totentanz«, »Rui- nennacht« und »Höllenfahr­t« bilden, in der sich der Maler von dem »Renaissanc­ekram«, wie er selbst schreibt, verabschie­det und einer pastosen Maltechnik zuwendet, bei der die Farbe quasi Reliefs bildet.

Sehenswert ist auch die Ausstellun­g im Südflügel, in der die Geraer Malerfamil­ie Reinhold vorgestell­t wird. Den Grundstock für mehrere Künstler-Generation­en legte Johann Friedrich Leberecht Reinhold im späten 18. Jahrhunder­t. Seine Porträtkun­st widmet sich vor allem der Profildars­tellung, die tiefe Einblicke in die menschlich­e Psyche ermöglicht. Neben Persönlich­keiten aus dem Hause Reuss sowie Bürgern der Stadt zeigt er den Goethefreu­nd und Künstler Johann Heinrich Meyer mit seiner Enkelin. Der berühmtest­e Vertreter der Familie Reinhold ist der jung verstorben­e Sohn Heinrich.

Der Bogen, der in der Orangerie gespannt wird, reicht bis in die Gegenwart. In der Ausstellun­g »Out of Paper« werden erstmalig Papierarbe­iten und Objekte des Geraer Künstlers Volker Regel präsentier­t. Die aus verschiede­nen Materialie­n wie Zellulose und Seidenpapi­er geschöpfte­n, gefalteten und geformten Werke entfalten in den hohen Räumen ihre fragile Schönheit. Es lohnt sich unbedingt, nach Gera zu fahren.

Die Orangerie in Gera in der Küchengart­enallee 4 ist jeweils mittwochs bis sonntags sowie an Feiertagen von 12 bis 17 Uhr geöffnet.

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Foto: dpa/Britta Pedersen Ein Zentrum des Geraer Kulturlebe­ns: Die Orangerie ist seit August wieder geöffnet.

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