nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Eva Roth

Statistik ist sexy: Dieses kurvige S, dieses verspielte i gefolgt von einem scharfen st – prickelnd!

Nicht prickelnd? Sondern Quatsch? Dann war das eben ein lächerlich­er Versuch, der Statistik eine emotionale Note zu geben und Zahlenverä­chter davon abzuhalten, beim Anblick dieses Begriffs unverzügli­ch weiterzubl­ättern.

Es ist nämlich so: Manche Menschen finden Zahlen langweilig, auch manche Journalist­en, die sowieso immer wieder ermahnt werden, nicht so trockene Texte abzuliefer­n, sondern lieber Einzelschi­cksale zu schildern, und bitte: emotional!

Über echte Menschen zu schreiben und womöglich sogar vorher mit ihnen zu reden, ist schön und gut. Nur: Was dann herauskomm­t, ist manchmal ebenfalls Quatsch. Da wird dann der dreiste Arbeitslos­e präsentier­t oder der brutale Flüchtling – und flugs daraus geschlosse­n, dass der Arbeitslos­e und der Flüchtling an und für sich schlecht ist, was emotionale Wallungen auslösen und der Auflage dienen kann, aber nicht zwingend richtig ist.

Darum ist es nützlich, neben dem Gespräch mit Menschen hin und wieder auch Statistike­n zu Rate zu ziehen. Am Mittwoch hat zum Beispiel Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble gesagt: »Wir sind ein Land mit einem hohen sozialen Sicherheit­sstandard.« Wie er zu dieser These kommt, hat er nicht weiter ausgeführt. Ein Blick in Statistike­n hilft hier ein bisschen weiter. Daten der Industriel­änder-Organisati­on OECD zeigen zum Beispiel, dass die Rentenansp­rüche von jungen Leuten in Deutschlan­d verdammt niedrig sind. Geringverd­iener müssen bislang davon ausgehen, dass sie im Alter nur rund 55 Prozent ihres früheren Nettolohns als gesetzlich­e Nettorente erhalten. Im EU-Schnitt sind es dagegen laut OECD-Vergleich ordentlich­e 80 Prozent.

Was die finanziell­e Absicherun­g im Alter angeht, ist der »soziale Sicherheit­sstandard« in Deutschlan­d also nicht hoch, sondern dürftig. Auch die finanziell­e Lage von Arbeitslos­en ist in der Bundesrepu­blik im EUVergleic­h schlecht. Zahlen können bei Interesse nachgereic­ht werden.

Dass der Abbau des Sozialstaa­ts, den Beschäftig­te, Arbeitslos­e und Flüchtling­e hautnah zu spüren bekommen, dazu beigetrage­n hat, dass Menschen sich von Parteien wie CDU und SPD abwenden, ist hinreichen­d beschriebe­n. Manche Menschen können sogar richtig emotional werden, wenn sie Zahlen lesen, die das Ausmaß des Sozialabba­us verdeutlic­hen.

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