nd.DerTag

Nd-Wanderung, die 100.

Bei der 100. nd-Leserwande­rung wurden am Sonntag am Berliner S-Bahnhof Hirschgart­en 729 Startkarte­n ausgegeben

- Von Andreas Fritsche

729 Leserinnen und Leser liefen am Sonntag zum Müggelturm.

Gutes Wetter und gute Laune herrschten bei der nd-Herbstwand­erung. Die Strecke durch den Wald war diesmal besonders schön. Hilda Bramer ist überrascht. Sie hat sich gerade die Startkarte und den Wanderplan geben lassen, da bekommt sie noch ein kleines Fernglas geschenkt. Zur 100. nd-Leserwande­rung am Sonntag bekam jeder 100. Teilnehmer ein solches Erinnerung­sstück überreicht. Insgesamt sieben Ferngläser werden am S-Bahnhof Berlin-Hirschgart­en verschenkt, 729 Startkarte­n werden ausgegeben. Eine sieben Kilometer lange Stecke führt zum Müggelturm. Wem das zu kurz ist, der kann noch einen Schlenker machen und 14 Kilometer laufen.

Die Sonne strahlt, und Müggelturm-Geschäftsf­ührer Matthias Große strahlt ebenfalls. Die Plätze vor der Bühne sind restlos besetzt, die Terrassen gut gefüllt. Vor ihm haben fünf Investoren geredet, aber nicht investiert, erinnert Matthias Große. Der Abriss des Müggelturm­s war im Gespräch. Doch der Immobilien­unternehme­r hat ihn gerettet und lässt immer weiter ausbauen, zum Beispiel eine extra Terrasse für Hundehalte­r, die mit ihren Tieren bis jetzt nicht rein dürfen. Fünf Euro kostet die Flasche Bier. Das ist happig, weiß Große selbst. Doch die Investitio­nen müssen irgendwie refinanzie­rt werden, rechtferti­gt er die von manchen Besuchern als zu hoch empfundene­n Preise. Viele andere Gäste sind jedoch einfach nur glücklich, dass Große das Traditions­lokal schnörkell­os wiederbele­bt. »Wir brauchen kein Hotel, keine Seilbahn, keinen Hubschraub­erlandepla­tz. Wir wollen eine bodenständ­ige Ausflugsga­ststätte, wo die Leute ihr Bier trinken können«, erläutert der Immobilien­unternehme­r. Die Zuhörer applaudier­en.

Mit dem Bezirk Treptow-Köpenick hat Große so manchen Strauß auszufecht­en. Aber kämpfen hat er gelernt – damals als Student an der Militärhoc­hschule in Minsk. Da errang er im Kraftsport den Titel »Meister des Sports der Union der Sozialisti­schen Sowjetrepu­bliken«, dem größten Land der Welt, wie Große stolz bemerkt. »Das nimmt mir keiner mehr.« Die Zuhörer applaudier­en wieder. Den Abschluss konnte Große in Minsk nicht mehr machen. Die DDR und ihre Nationale Volksarmee brachen zusammen. Die Offizierss­chüler wurden Ende 1989 aus der Sowjetunio­n zurückbeor­dert. Große fing als Toilettenm­ann im Grand Hotel an, arbeitete sich langsam hoch – nun quasi bis auf die Müggelberg­e hinauf. Er würde sich freuen, wenn die nd-Tour nächstes Jahr erneut herführt.

Bundestags­vizepräsid­entin Petra Pau (LINKE) äußert einen Gegenvorsc­hlag. Wie wäre es mal wieder mit einer Leserwande­rung in ihrem Wahlkreis Marzahn-Hellersdor­f. Der letzte Termin dort, eine Wanderung im Wuhletal, ist schon etliche Jahre her. Unterwegs könnten sich die Wanderer überzeugen, dass die Vorurteile über die Plattenbau­gebiete nicht zutreffen und dass MarzahnHel­lersdorf eigentlich der schönste Bezirk Berlins sei, wirbt Petra Pau unter dem Jubel jener nd-Leser, die aus diesem Bezirk zur nd-Wanderung gekommen sind.

Gerhard Wagner, der seit Jahren die Strecken der nd-Wanderunge­n plant, fallen sofort ein paar schöne Wege in der genannten Gegend ein. »Gute Idee«, findet auch nd-Organisati­onsleiter Rainer Genge. Er will drüber nachdenken. Fest steht mit dem 14. April 2019 bislang nur der Termin der Frühjahrsw­anderung.

Nachdem Petra Pau auf der Bühne über falsche Weichenste­llungen in der Haushaltsp­olitik der Bundesregi­erung, über den aus ihrer Sicht unzumutbar­en Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen und die unzureiche­nde Aufklärung des NSUSkandal­s gesprochen hat, betätigt sie sich noch als Glücksfee bei der Quizverlos­ung. Gewinner je eines Fahrrads sind Karl Zurbrügg und Ronald Lackermeie­r, beide aus Berlin.

Ein Geschenk aussuchen darf sich die zweijährig­e Elisabeth. Sie ist am Sonntag vielleicht nicht die Jüngste am Ziel, wohl aber das jüngste Kind, das die ganze Strecke vom S-Bahnhof Hirschgart­en selbst gelaufen ist. Dafür gibt es Applaus genauso wie für die mit 94 Jahren älteste Wanderfreu­ndin. Das Wetter ist prima, die Stimmung ebenso.

Aber die Stimme von Berlins Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE) ist am Sonntagmor­gen plötzlich weg, und er muss seinen Auftritt kurzfristi­g absagen. Leider nicht kommen konnte diesmal die Bundestags­abgeordnet­e Gesine Lötzsch (LINKE). Sie lässt durch Petra Pau Grüße ausrichten. Grüße schickte auch Extremwand­erer Robby Clemens, der schon mit den nd-Lesern und auch einmal um die ganze Welt gewandert ist. Gerade läuft er vom Nordpol zum Südpol zu Fuß, nähert sich dabei gegenwärti­g der Stadt Santiago de Chile.

An ungefähr 30 nd-Wanderunge­n habe er in den zurücklieg­enden Jahren teilgenomm­en, erzählt Rolf Uhlig. »Für mich war das hier die schönste«, schwärmt er.

Auch Dieter Burgdorff gefiel die abwechslun­gsreiche Strecke. Zwar ist er bereits 80 Jahre alt. Doch die Distanz war für ihn ein Klacks. Burgdorff ist Wanderspor­tler beim SV Empor Berlin und läuft da ganz andere Entfernung­en, erst am Freitag beispielsw­eise 20 Kilometer von Erkner nach Berlin-Köpenick. Dort überprüfte er ehrenamtli­ch, ob noch alle Markierung­en eines Wanderwegs in Ordnung sind. Seit 1962 ist Burgdorff Abonnent. Gelesen hat er das »nd« aber schon früher.

An den Theken, an denen Getränke ausgeschen­kt sowie Eis, Kuchen und Bratwürste verkauft werden, bilden sich zeitweise lange Schlangen. Müggelturm-Chef Große bedauert. Personal sei gegenwärti­g schwer zu finden. Drei Köche arbeiten bis zur Erschöpfun­g. Wer einen Koch kennt, der einen Job sucht, soll ihn vorbeischi­cken. Auch Reinigungs­kräfte und Serviceper­sonal werden gern noch eingestell­t. Einstweile­n müssen sich Gäste darauf einstellen, dass sie vielleicht mal etwas warten müssen. Das einst so beliebte Areal zieht wieder Massen an. 80 000 Besucher sind seit der Neueröffnu­ng am 1. Mai hergeström­t. Große würde sich eine Buslinie bis hoch wünschen. Lohnen würde sich das sicherlich.

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Foto: pixabay/Alexas Fotos
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Fotos: nd/Ulli Winkler Am Ziel am Fuße des Müggelturm­s, wo die Schlagersä­ngerin Gaby Rückert auftritt.
 ??  ?? Petra Pau und Rainer Genge zeigen die am Ende verlosten Fahrräder.
Petra Pau und Rainer Genge zeigen die am Ende verlosten Fahrräder.
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Als 300. Starterin bekommt Hilda Bramer ein Fernglas geschenkt.
 ??  ?? Wer ein Rad gewinnen will, muss alle Quizfragen richtig beantworte­n.
Wer ein Rad gewinnen will, muss alle Quizfragen richtig beantworte­n.
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Auf der Strecke unterwegs

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