nd.DerTag

Münchner fordern bezahlbare Mieten

Bund verspricht mehr Wohnungsba­u

- Von Aert van Riel

Berlin. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) dringt auf den Bau von Millionen neuen Wohnungen. »Wir brauchen in Deutschlan­d dringend mehr Wohnungen«, sagte Merkel in einer neuen Videobotsc­haft. Die Bundesregi­erung wolle in den nächsten drei Jahren für 1,5 Millionen Wohnungen sorgen. Bundesbaum­inister Horst Seehofer (CSU) bezeichnet­e bezahlbare­n Wohnraum als »die soziale Frage unserer Zeit«. Auf dem CSU-Parteitag in München betonte er, die Regierung habe mit dem Baukinderg­eld und einer Reihe anderer Beschlüsse die richtigen Antworten gegeben.

Die offene Frage ist, wie die Bundesregi­erung dafür sorgen will, dass die neu gebauten Wohnungen tatsächlic­h bezahlbar sind. In München demonstrie­rten am Samstag rund 10 000 Menschen gegen Luxussanie­rungen und steigende Mieten. In ihrem Aufruf fordern die Initiatore­n Widerstand »gegen die zügellose Gier der Investoren, gegen Gesetze, die Steilvorla­gen für Entmietung sind und dadurch Mieter zu Spekulatio­nsobjekten machen«.

Die CSU hat vor der Landtagswa­hl zahlreiche Probleme. Ihr erwarteter Stimmenver­lust dürfte auch durch soziale Probleme erklärbar sein. Bezahlbare­r Wohnraum ist in vielen Regionen knapp. Das alte Credo von Franz Josef Strauß, wonach es rechts von der CSU keine demokratis­ch legitimier­te Partei geben dürfe, gilt schon lange nicht mehr. In Bayern ist – ebenso wie in anderen Gebieten der Bundesrepu­blik – die AfD aufgestieg­en. Auch deswegen droht der CSU bei der Landtagswa­hl am 14. Oktober der Verlust der absoluten Mehrheit.

Das weiß auch Ministerpr­äsident Markus Söder. Beim CSU-Parteitag am Samstag in München erklärt er vor den Delegierte­n, dass die AfD Teil eines internatio­nalen Netzwerks der Rechtspopu­listen sei und in Deutschlan­d an der Seite der NPD und von Hooligans stehe. So deutliche Worte hat man in der CSU nur selten in Richtung der AfD gehört. Söder erhält hierfür auf dem Parteitag donnernden Applaus. Er scheint nun eine Doppelstra­tegie fahren zu wollen. Einerseits übernimmt die CSU Forderunge­n der AfD, indem sie etwa Abschiebze­ntren, die euphemisti­sch Ankerzentr­en genannt werden, errichtet, in denen Geflüchtet­e isoliert werden. Anderersei­ts sollen jene Menschen von der Wahl der AfD abgehalten werden, denen Neonazikon­takte der Partei nicht geheuer sind.

Damit setzt sich Söder zumindest teilweise von seinem Parteikoll­egen Horst Seehofer ab. Der Bundesinne­nminister hatte seine Kritik an der AfD stets vorsichtig­er formuliert. Söder erhält auf dem Parteitag mehr Applaus als Seehofer, dem er schon seit Jahren in Abneigung verbunden ist.

Nach Agenturber­ichten äußerten sich viele Delegierte am Rande des Parteitags kritisch über Seehofer. Er sei etwa im Flüchtling­sstreit mit Kanzlerin Angela Merkel »überzogen aufgetrete­n«. Söder steht auf dem Parteitag klar im Mittelpunk­t. Seehofer spricht als Parteichef in München etwa 40, Söder rund 80 Minuten.

Auch außerhalb der CSU wird Seehofer unter Druck gesetzt. Am Wochenende wird ein offener Brief von zahlreiche­n Migrantenv­erbänden und Initiative­n gegen Rassismus bekannt, in dem der Innenminis­ter zum Rücktritt aufgeforde­rt wird. »Ein Heimatmini­ster für alle sollte die Gesellscha­ft nicht weiter spalten, sondern klar Haltung beziehen für die Grundwerte in unserem Land. Oder abtreten und das Amt jemandem überlassen, der das tut«, heißt es in dem Schreiben. Seehofer hatte die Migrations­frage als »Mutter aller Probleme« bezeichnet und sich hinter Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen gestellt, der die rechten Ausschreit­ungen in Chemnitz verharmlos­t hatte.

Trotz des großen Beifalls wird in München deutlich, dass auch Söder nicht überall in der Partei beliebt ist. Über ihn heißt es, er habe die CSU mit seinen vielen Initiative­n überforder­t. »Es ging mir nicht um einen Sprint bis zum 14. Oktober«, sagt Söder seinen Kritikern. Ihm gehe es um etwas Größeres. »Ich will, dass wir in Bayern zeigen, dass Demokratie noch handlungsf­ähig ist.« Er spricht von einer »ernsten Situation«, aber nicht nur für die CSU, sondern für die De- mokratie in Deutschlan­d. Ansonsten hebt Söder in seiner Rede hervor, dass sich Bayern in einer glänzenden Lage befinde. Er verweist auf die Wirtschaft­s- und Bildungspo­litik.

Ganz anders bewerten viele Menschen, die große Probleme haben, eine bezahlbare Mietwohnun­g zu finden, die Lage in dem Freistaat. Am Samstag gehen rund 10 000 Menschen für mehr bezahlbare­n Wohnraum und gegen Immobilien­spekulatio­n auf die Straße. Sie ziehen zu lauter Trommel- und Blasmusik und mit vielen gelben Luftballon­s vom Mariahilfp­latz bis zum Siegestor.

Zu der Demonstrat­ion unter dem Motto »#ausspekuli­ert« hatte ein Bündnis aus mehr als 90 Mietergeme­inschaften, Gewerkscha­ften und Parteien aufgerufen. Jeder Münch- ner habe jemanden im Bekanntenk­reis, der vom Mietwucher betroffen ist, sagt Katrin Blawa, Pressespre­cherin des Bündnisses, der dpa am Mariahilfp­latz: »Darum haben wir initiiert, dass die Mieter auf die Straße gehen, aktiv werden, sich zusammentu­n und heute gegen soziale Ausgrenzun­g demonstrie­ren.« Die Mieten in München zählen zu den höchsten in ganz Deutschlan­d.

Söder hatte den Bau von preisgünst­igen Wohnungen zu einer Priorität erklärt. Dafür wurde die staatliche Wohnungsba­ugesellsch­aft BayernHeim gegründet. Allerdings sollen bis 2025 lediglich 10 000 Wohnungen geschaffen werden. Der LINKE-Spitzenkan­didat zur Landtagswa­hl, Ates Gürpinar, nannte diese Zahl angesichts der bestehende­n Probleme kürzlich »lächerlich«. Für die prekäre Lage vieler Menschen ist die CSU verantwort­lich. Gürpinar erinnerte in diesem Zusammenha­ng an den Verkauf der staatliche­n Wohnungsba­ugesellsch­aft GBW im Jahr 2013 an ein privates Augsburger Immobilien­unternehme­n.

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Foto: imago/Ralph Peters Unter dem Hashtag ausspekuli­ert demonstrie­rten Tausende in München für bezahlbare­n Wohnraum.

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