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Energierie­se mit Realitätsv­erlust

- Kurt Stenger über einen Konzern von vorgestern

Ein Freifahrts­chein für weitere rund 20 Jahre Abbaggerun­g und Verstromun­g von Kohle? Eigentlich müsste der fossile Energiekon­zern RWE in Jubelstürm­e über einen solchen Vorschlag aus der Kohlekommi­ssion der Bundesregi­erung ausbrechen. Das Gegenteil ist der Fall.

Wie kann das sein, wenn doch immer mehr Großuntern­ehmen, Regionen und Staaten in aller Welt sich von der Kohle verabschie­den und sich Großinvest­oren aus der Finanzieru­ng zurückzieh­en? Es ist längst klar, dass die Tage dieser Branche, die besonders stark zum Klimawande­l mit all seinen verheerend­en Folgen beiträgt, gezählt sind. Aus Sicht der RWE-Bosse ist die Welt offenbar ein einziger Hambacher Forst, der Konzerneig­entum ist und in dem man machen kann, was man will: Zum Beispiel Kohlegegne­r dank willfährig­er Unterstütz­ung des Staates einfach rauswerfen und energiepol­itische Entscheidu­ngen mit der Kettensäge treffen.

Offenbar glaubt RWE immer noch, das Geschäft nach Gutdünken fortsetzen zu können. Doch Allmachtsf­antasien führen zu massivem Realitätsv­erlust. So auch hier, denn in der Welt des Pariser Klimaschut­zabkommens vollzieht sich gerade eine globale Energiewen­de. Kohle als Energieträ­ger wird schon bald nicht mehr gebraucht und von immer mehr Entscheidu­ngsträgern als Bedrohung gesehen. Letztlich bringt RWE mit seiner Weigerung, über einen geordneten Kohleausst­ieg zu reden, nur sich selbst und seine Beschäftig­ten in Gefahr.

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