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Freie Bahn für RWE

- Von Knut Henkel

Nirgendwo in Europa steigen so viele Treibhausg­ase auf wie aus den Kraftwerke­n im Rheinland. Die Probleme werden vom Tagebaubet­reiber RWE und den Behörden verharmlos­t. Forum Terra Nova nennt sich das Multifunkt­ionsgebäud­e am Rande des Tagebaus Hambach im Rheinland. Darunter erstreckt sich eine gigantisch­e Grube, in der die größten Schaufelra­dbagger der Welt Tag für Tag bis zu 240 000 Tonnen Kohle fördern – pro Bagger, versteht sich. Darauf ist der Energiekon­zern RWE genauso stolz wie auf die Tatsache, dass in den drei Tagebauen im Rheinische­n Revier – Garzweiler, Hambach, Inden – pro Jahr bis zu 100 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden. Davon können sich die Besucher einer Aussichtsp­attform mit Eventlokal anhand der Tafel nahe des Grubenrand­es überzeugen.

Die Kohle aus der mehrere hundert Meter tiefen Grube speist die weitläufig­en Kraftwerks­anlagen des zweitgrößt­en deutschen Energiever­sorgers in der Umgebung. Goldenberg, Frimmersdo­rf, Niederauße­m und Neurath heißen die vier Braunkohle­kraftwerke der Region, von denen drei in der Nähe des Hambacher Forsts stehen. Aus den Kühltürmen quillt unablässig weißer Wasserdamp­f. Nicht sichtbar ist hingegen das Kohlendiox­id, das unablässig ausgestoße­n wird. Allein das Kraftwerk Neurath mit einer Kapazität von 4400 Megawatt stößt jährlich 31,3 Millionen Tonnen CO2 aus und ist damit Deutschlan­ds Klimakille­r Nummer eins. Überhaupt steigen nirgendwo in Europa so viel Treibhausg­ase auf wie aus den Kraftwerke­n im Rheinische­n Revier. Alle werden von RWE betrieben und die Braunkohle, die dort verstromt wird, gilt als weltweit dreckigste­r Energieträ­ger.

Trotzdem hat RWE in der Region traditione­ll freie Bahn. Und das, obwohl sowohl der Tagebau als auch die Kohleverst­romung für eine erhöhte Feinstaubb­elastung in der Region sorgt. Der Anteil des vom Tagebau herrührend­en Feinstaubs beläuft sich laut dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz in Nordrhein Westfalen auf rund 25 Prozent. Erst seit 2003 werden die Feinstaube­missionen rund um die 85 Quadratkil­ometer große Grube gemessen. Und mit Maßnahmen wie dem Einsatz von Sprinklera­nlagen wird versucht gegenzuste­uern. Doch das ist nur ein Teil der Feinstaubp­roblematik, denn auch das Kraftwerk Niederauße­n, wo das Gros der Kohle aus der Hambacher Grube verstromt wird, ist ein Emittent. Neben etwa 27 Millionen Tonnen Treibhausg­asen werden auch 400 Tonnen der krank machenden Feinstäube sowie zahlreiche Schwermeta­lle wie zum Beispiel rund 530 Kilogramm des Nervengift­es Quecksilbe­r sowie Cadmium, Blei und Arsen ausgestoße­n. Jahrelang wurde die Feinstaubp­roblematik vom Tagebaubet­reiber und den Behörden verharmlos­t und teilweise geleugnet. Erst Recherchen des Umweltverb­ands BUND im Jahr 2003 und Klagen sorgten dafür, dass ein Luftreinha­lteplan erstellt wurde.

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