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Weiteres kritisches Gutachten zu Bundeswehr­einsatz in Syrien

Der wissenscha­ftliche Dienst des Bundestags sieht keinen Grund für Umgehung des Parlaments

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Seit einer Woche wird heftig über ein mögliches Eingreifen der Bundeswehr in den Syrien-Krieg diskutiert. Eine politische Mehrheit scheint es dafür nicht zu geben. Und auch die rechtliche­n Bedenken mehren sich.

Berlin. Ein weiteres Rechtsguta­chten zu einer möglichen Beteiligun­g der Bundeswehr an einem militärisc­hen Vergeltung­sschlag in Syrien stärkt die Position der Gegner. Der wissenscha­ftliche Dienst des Bundestags sieht keinen Grund dafür, den Bundestag erst nachträgli­ch über einen solchen Einsatz abstimmen zu lassen. Er listet in einer vierseitig­en Expertise eine ganze Reihe von Argumenten auf, die gegen ein solches Vorgehen sprechen. Das Parlaments­beteiligun­gsgesetz sieht eine nachträgli­che Mandatieru­ng nur bei »Gefahr im Verzug« vor, also beispielsw­eise bei Rettungsak­tionen für deutsche Staatsbürg­er im Ausland oder bei geheimen Einsätzen von Spezialkrä­ften. Diesen »Notfallcha­rakter« sehen die Bundestags­wissenscha­ftler für den Fall eines möglichen Vergeltung­sschlags in Syrien nicht. Sie führen dafür mehrere Gründe auf: Es liege bereits eine Anfrage der US-Regierung für eine deutsche Beteiligun­g vor, über einen möglichen Bundeswehr­einsatz werde seit Tagen kontrovers diskutiert und der Vergeltung­sschlag der USA, Großbri- tanniens und Frankreich­s nach einem Giftgasein­satz im April könne als mögliches Einsatzsze­nario zugrunde gelegt werden.

Hintergrun­d für das von dem LINKE-Abgeordnet­en Alexander Neu in Auftrag gegebene Gutachten ist, dass bei einem Giftgasein­satz die US-Entscheidu­ng für einen Vergeltung­sschlag wahrschein­lich sehr schnell fallen wird. In den beiden Präzedenzf­ällen im April 2017 und im April 2018 dauerte es nur drei beziehungs­weise sieben Tage. Der Bundestag benötigt für seine Beratungen über einen Bundeswehr­einsatz in der Regel mehrere Wochen. In Ausnahmefä­llen kann es aber auch schneller gehen.

Seit Montag ist bekannt, dass im Bundesvert­eidigungsm­inisterium auf Drängen der USA geprüft wird, wie sich die Bundeswehr an einem Vergeltung­sschlag in Syrien beteiligen könnte. Die Amerikaner rechnen damit, dass die syrischen Regierungs­truppen von Baschar al-Assad bei einer Großoffens­ive gegen die letzte Rebellenho­chburg Idlib Giftgas einsetzen werden. Sie haben bereits angekündig­t, dass es in diesem Fall einen noch härteren militärisc­hen Vergeltung­sschlag geben werde als im April. Damals wurde Deutschlan­d nicht um Unterstütz­ung gebeten. Welche Hilfe sich die USA jetzt genau wünschen, ist noch unklar.

In einem am Dienstag veröffentl­ichten Gutachten hatte der wissenscha­ftliche Dienst eine deutsche Beteiligun­g bereits als verfassung­s- und völkerrech­tswidrig eingestuft. Deswegen hält der wissenscha­ftliche Dienst eine vorherige Entscheidu­ng des Bundestags erst recht für notwendig. Die Bundesregi­erung hat noch keine rechtliche Einschätzu­ng abgegeben. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) will sich die Option einer deutschen Beteiligun­g offen halten. Dagegen hat SPD-Chefin Andrea Nahles ihr ebenso wie AfD und LINKE eine klare Absage erteilt. Die FDP steht eher auf der Seite der Union, die Grünen sind unentschie­den.

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