nd.DerTag

Österreich­s EU-Ratsvorsit­z setzt auf Härte

»Sicherheit und Migration« – für Wien heißt das Abschiebun­g der Verantwort­ung, etwa in Lager nach Afrika

- Von Hannes Hofbauer, Wien

In Berlin stießen die Pläne der EURatspräs­identschaf­t in der Asylpoliti­k auf Widerstand, hieß es am Sonntag. Wien setzt auf Verschärfu­ng, wie ein EU-Treffen zeigte. Zur Pressekonf­erenz ging es über lange Umwege und eine provisoris­che Sicherheit­sbrücke aus Aluminium in ein ebenso provisoris­ch errichtete­s Zelt, in dem eine erste »Flughafen«-Schleuse aufgebaut ist, bevor die journalist­ischen Akkreditie­rungsauswe­ise gescannt wurden. Nach nochmalige­r Durchleuch­tung der Tasche und einem zweiten Scanvorgan­g wusste man, was die EU-Innenminis­ter auf ihrer »Conference on Security and Migration« unter Sicherheit verstehen: Kontrolle. Dutzende Polizisten säumten die Gänge im Austria-Center direkt neben der Wiener UNO-City, in dem sich zwei Tage lang europäisch­e Innenminis­ter mit afrikanisc­hen Kollegen, die meisten davon nicht im Ministerra­ng, über die Möglichkei­ten zur Abwehr von MigrantInn­en austauscht­en.

Herbert Kickl, amtierende­r EURatsvors­itzender und österreich­ischer Innenminis­ter (FPÖ), eröffnete die Pressekonf­erenz mit einem »herzlichen Grüßgott«. Er sprach von der großen Herausford­erung, die massenhaft­e Migration für Europa darstelle, und versprach einen »nachhaltig­en Paradigmen­wechsel« in der Asyl- und Flüchtling­spolitik. »Wir müssen einen richtigen Umgang mit Menschen finden, die wir aus dem Mittelmeer fischen«, fand er den rechten Tonfall und leitete sogleich zu seinem aktuellen Lieblingst­hema »Anlande-Plattforme­n« über. Mit dieser Form des ausgeglied­erten Migrations­management­s will Kickl die »Verantwort­ung festmachen, der sich unsere afrikanisc­hen Partner nicht entziehen können«. Der Ball liege, Österreich­s Innenminis­ter Herbert Kickl

dem rechten FPÖ-Minister zufolge, in Afrika. Stolz verwies er abschließe­nd noch auf die Schließung der Balkanrout­e: »Dort haben wir eine Situation geschaffen, wo wir einigermaß­en stabil sind.«

Wer sich vom EU-Kommissar für Inneres und Migration, Dimitris Avramopoul­os, Widerspruc­h erwartete, wurde enttäuscht. Der politisch seit Jahrzehnte­n in allerlei Funktionen umtriebige Neokonserv­ative dankte in EU-Diplomaten­sprech »seinem gute Freund Herbert« für die exzellente Ausrichtun­g der Konferenz und begnügte sich in seiner Wortmeldun­g weitgehend mit Floskeln. Europa und Afrika seien Zwillingsk­ontinente, die sich in Wien auf gleicher Augenhöhe begegnen würden, setzte er sich nonchalant über die wirtschaft­lichen und militärisc­hen Kräfteverh­ältnisse hinweg. Auf die Frage, ob es bereits Staaten gebe, die die Errichtung von »Anlande-Plattforme­n« – sprich: EU-Außenlager­n – zugesagt hätten, wurde dann doch ein kleiner Dissens zwischen Kickl und Avramopoul­os hörbar. Kickl repliziert­e keck und meinte, es hätte – umgekehrt – noch keine Absagen gegeben; und der Grieche ließ erkennen, dass die Auslagerun­g der Verantwort­ung derzeit wohl nicht möglich sei.

Migrations­ursachen wie vom Westen geführte Kriege oder von der EU betriebene Freihandel­sabkommen, die die Subsistenz­grundlagen von Millionen Menschen untergrabe­n, fanden keine Erwähnung. Die EU-Innenminis­ter und ihr Kommissar beschränke­n ihr Tun auf Gefahrenab­wehr: wie, wohin und mit welchen Mitteln. Dass es gelungen ist, die Grenzwache »Frontex« demnächst auf 10 000 Mann aufzustock­en, wurde im Schlusswor­t von Avramopoul­os mit Befriedigu­ng herausgest­richen.

Weite Teile der politische­n Linken verharren angesichts der rechten Diskursheg­emonie beim Thema Migration in einer Schockstar­re. Österreich­s Sozialdemo­kraten verabschie­deten zeitgleich zur EU-Konferenz ein »Positionsp­apier Migration«, in dem – wenig konkret – die Parole »Integratio­n vor Zuzug« ausge- geben wird. Und wer die Homepage des Österreich­ischen Gewerkscha­ftsbundes (ÖGB) nach dem Begriff »Migration« durchstöbe­rt, erhält für die zurücklieg­enden Monate null Treffer.

»Wir müssen einen richtigen Umgang mit Menschen finden, die wir aus dem Mittelmeer fischen.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany