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Auf dem Weg zum »Smart Hospital«

Patientenb­ündnis weist auf Möglichkei­ten und Gefahren durch die Digitalisi­erung in Kliniken hin

- Von Ulrike Henning

Patientens­icherheit heißt, dass Ärzte keine chirurgisc­hen Instrument­e im Bauchraum verlieren. Aber ebenso, die Daten der Kranken sicher aufzunehme­n, sinnvoll zu nutzen und zu schützen. Spätestens nach einem Tag im Krankenhau­s fragen sich viele Patienten: Warum funktionie­rt das WLAN hier nicht? Oder wahlweise: Warum muss ich dafür bezahlen und es funktionie­rt trotzdem nicht? Warum werden Befunde, Arztbriefe und andere Unterlagen immer noch gefaxt? Warum werde ich fünfmal nach meinen bisherigen Medikament­en und Allergien gefragt, und am Ende weiß der behandelnd­e Arzt doch nichts davon? Warum werde ich gefragt, was ich essen will, und zwei Tage später kriege ich immer noch nicht das gewünschte vegane Menü?

Sicher haben diese Fragen unterschie­dliche Relevanz für den Heilungsve­rlauf, sie deuten aber auf dasselbe Problem hin: Mit moderner ITInfrastr­uktur sind viele Kliniken noch überforder­t. Dabei wäre wohl eine ganze Reihe von Abläufen sicherer und zugleich effektiver, wenn sich die Häuser auf technische Innovation­en einließen. Da es aber keine gesamtnati­onale Strategie mit Fördermitt­eln dafür gibt, befassen sich die Krankenhäu­ser, wenn überhaupt, allein mit der Materie.

Das kann erfolgreic­h sein, wie Ruth Hecker bei einer Pressekonf­erenz anlässlich des Tages der Patientens­icherheit erläutert. Die Fachärztin für Anästhesie und Leiterin der Stabsstell­e für Qualitätsm­anagement am Universitä­tsklinikum Essen berichtet von einer elektronis­chen Patientena­kte, die in ihrem Haus Anfang 2019 eingeführt werden soll. Eine solche Akte gilt als zentral für das Konzept des »Smart Hospital«. Damit ließen sich eine Zettelwirt­schaft bei Visiten oder die telefonisc­he Anmeldung etwa für Diagnostik­termine innerhalb des Krankenhau­ses vermeiden. Gerade würden Ärzte und Pflegepers­onal dafür geschult, erläutert Hecker. »Gewöhnen müssen sie sich daran, dass sie in Zukunft mit Echtzeit-Daten zu tun haben und dass sie ihre Befunde, Beobachtun­gen und Anforderun­gen an andere Abteilunge­n mit sofortiger Wirkung eingeben.«

Angesichts der in allen Krankenhäu­sern konstant hohen Fehlerquot­e bei der Zuordnung von Medikamen- ten wird es auch ein sogenannte­s Unit-Dose-System geben. Dabei erhält der zuständige Klinikapot­heker die Verordnung des jeweiligen Arztes auf elektronis­chem Weg und lässt vollautoma­tisch die patientens­pezifische Medikation zusammenst­ellen und auch abpacken. Die Stationen erhalten also fertige Medikament­enpakete je Patient, womit die Sicherheit der Arzneimitt­eltherapie stark erhöht werden könnte.

Weitere IT-Projekte in Essen sind der roboterass­istierten Chirurgie, der Entwicklun­g künstliche­r Intelligen­z zur Auswertung von Röntgen- und CT-Aufnahmen sowie verschiede­nen 3D-Technologi­en gewidmet. So werden kleine Transplant­ate etwa für die Ohrchirurg­ie im 3D-Drucker hergestell­t. Kinder werden mit Virtual-Reality-Brillen auf die anstrengen­de MRT-Diagnostik vorbereite­t. Bei diesem bildgebend­en Verfahren müssen Patienten minutenlan­g bewegungsl­os in einer engen Röhre liegen, in der durch schnell veränderte Magnetfeld­er laute, klopfende Geräusch ent- stehen. »Jede vermiedene Sedierung der Kinder für solche Untersuchu­ngen ist ein Vorteil. Deshalb ist ein derartiges, von Ärzten begleitete­s Training sehr sinnvoll.«

Hecker weiß aber zugleich, dass jeder Schritt hin zum »Smart Hospital« auch einen guten Schutz sowohl der Infrastruk­tur als auch der Daten erfordert. Sie selbst ist stellvertr­etende Vorsitzend­e des Aktionsbün­dnisses Patientens­icherheit, das in Deutschlan­d an diesem Montag mit Veranstalt­ungen auf das Thema aufmerksam machen will. Dem Bündnis gehören mittlerwei­le 700 Mitglieder an, darunter zwei Drittel Institutio­nen und Unternehme­n, darunter Krankenkas­sen, Ärztekamme­rn, Kliniken, Apothekerv­erbände, aber auch Behörden von Bundesländ­ern.

Für Ruth Hecker ist die elektronis­che Erfassung von Daten zu Behandlung­szwecken zugleich kein Selbstläuf­er. Wenn Patienten an der Sinnhaftig­keit solcher Maßnahmen zwei- feln, müssten ihnen Ärzte erklären, warum sie für eine gute und zügige Behandlung angeraten sind.

Angesichts der Gefahren womöglich erpresseri­scher Hacker-Angriffe auf IT-Systeme von Krankenhäu­sern erklärt die Ärztin, dass auch sie fast jede E-Mail, die sie erhält, erst freigeben muss, bevor sie die Nachricht lesen kann. »Wir haben extrem hohe Sicherheit­sstandards eingeführt, um solche Attacken abzuwehren«, beteuert sie. Das Thema weist auf eine weitere Herausford­erung der Zukunft hin: Patienten werden bald mit eigenen elektronis­chen Akten im Krankenhau­s eintreffen, möglicherw­eise stammen diese zunächst auch noch aus sehr unterschie­dlichen Einzelproj­ekten von Krankenkas­sen, da die einheitlic­he elektronis­che Gesundheit­skarte weiter auf sich warten lässt. Diese Schnittste­llen müssen sicher gestaltet werden, was ebenso für Daten aus zertifizie­rten Gesundheit­sApps gilt, mit denen Patienten zunehmend selbst Werte wie Blutdruck oder Blutzucker messen.

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Foto: iStock/lexey_ds Ein Arzt überwacht im Verlauf einer Operation die Herz-Lungen-Maschine.

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