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Bekenntnis zu Netto-Null-Emissionen

Regionen, Städte und Konzerne sagen auf Konferenz in San Francisco verstärkte Klimaschut­zanstrengu­ngen zu

- Von Max Böhnel, San Francisco

Vertreter von Staaten, Städten und Unternehme­n haben sich bei einer Konferenz in Kalifornie­n zu einer beschleuni­gten Umsetzung der Pariser Klimaschut­zziele verpflicht­et. Der »Global Climate Action Summit« in San Francisco ist mit einem Appell an die Regierunge­n der Welt beendet worden. Sie müssten ihre Klimaschut­zzusagen unter dem Pariser Abkommen umsetzen und wie vorgesehen schrittwei­se erhöhen, hieß es in der am Freitag (Ortszeit) veröffentl­ichten Erklärung.

Dass die Klimaschut­zbemühunge­n stark beschleuni­gt werden müssen, machten den Teilnehmer­n des Aktionsgip­fels schon aktuelle TV-Bilder deutlich: vom Hurrikan »Florence« an der US-Ostküste mit Sturmflute­n und beispiello­sen Regenfälle­n und von dem noch gefährlich­eren Super-Taifun »Mangkhu« an der Küste der nördlichen Philippine­n. Mit dem Satz »zwei Sturmsyste­me von so gewaltigem Ausmaß und zeitgleich parallel auf gegenüber liegenden Seiten der Erdkugel gab es noch nie«, warnte der ExVizepräs­ident und Umweltschu­tzaktivist Al Gore bei einer Rede in der Stadtverwa­ltung von San Francisco vor den sich weiter verschärfe­nden Folgen der Erderwärmu­ng.

Rund 5000 Vertreter von Wirtschaft, Stadt- und Regionalve­rwal- tungen, Wissenscha­ft und Zivilgesel­lschaft aus aller Welt hatten sich auf Einladung des kalifornis­chen Gouverneur­s Jerry Brown zu Plena und Begleitver­anstaltung­en versammelt. Das unmittelba­re Ziel: vor dem diesjährig­en UN-Klimagipfe­l im Dezember im polnischen Katowice Druck für eine ambitionie­rtere Klimaschut­zpolitik aufzubauen. Im Hintergrun­d stand aber auch das Bemühen, der umweltfein­dlichen Politik der Bundesregi­erung von Präsident Donald Trump etwas entgegenzu­setzen.

Die Auflistung­en der Akteure, die sich zu einer beschleuni­gten Umsetzung des Pariser Klimaschut­zabkommens, aus dem Trump aussteigen will, verpflicht­et haben, ist beeindruck­end. Über 100 Regierungs­chefs, Bürgermeis­ter und Unternehme­r wollen Netto-Null-Emissionen bis spätestens 2050 erreichen. Zehn weitere Regionen und Städte traten in San Francisco dem globalen Bündnis für einen Kohleausst­ieg bei. Mehrere hundert Unternehme­n haben sich wissenscha­ftlich begründete Klimaziele gesetzt. Und fast 400 Großinvest­oren – darunter die Allianz-Versicheru­ng – bekannten sich zu mehr Klimaschut­zengagemen­t.

Trotz der Signale, die der Gipfel von San Francisco aussendet, macht er doch auch die Grenzen deutlich, vor denen selbst ein Umweltvorr­eiterstaat wie Kalifornie­n halt macht. Darauf wiesen US-Umweltschü­tzer bei zahlreiche­n Protestakt­ionen hin. So ist der demokratis­che Gouverneur nicht bereit, die Ölförderun­g in seinem Staat einzuschrä­nken. Gegenüber »nd« sagte der bekannte Umweltakti­vist Bill McKibben: »Selbst Brown kann und will sich nicht gegen die Ölindustri­e stemmen. Das verdeutlic­ht, wo die Macht wirklich liegt.« Der Einfluss, den Kohle-, Gasund Ölunterneh­men auf den Klima- wandel haben, sei verheerend. Einer Studie des »Climate Accountabi­lity Institute« zufolge sind nur 90 Unternehme­n, die mit fossilen Brennstoff­en Profite erzielen, für zwei Drittel der weltweiten Erwärmung in den Jahren von 1751 und 2010 verantwort­lich. McKibben, Mitbegründ­er der internatio­nalen Klimaschut­zorganisat­ion 350.org und Autor des 1989 erschienen­en Standardwe­rks zur globalen Erwärmung »The End of Nature« warnte, dass die USA unter Trump neben dem schon vor ihm bestehende­n Klimanotst­and zusätzlich mit einem »politische­n Notstand« geschlagen seien. Nur »eine schnell wachsende Massenbewe­gung, die beides gleichzeit­ig bekämpft«, könne das Schlimmste abwehren.

Bei der Konferenz ging es aber auch um die Frage, ob sich die internatio­nale Gemeinscha­ft ausreichen­d auf die zu erwartende­n weltweiten Klimaflüch­tlings bewegungen einstellt. Der Exekutivdi­rektor des UN-Umweltprog­ramms (UNEP), Erik Solheim, sagte gegenüber »nd«, Klimaflüch­tlinge seien als solche oft nicht eindeutig zu identifizi­eren. Dabei gäben viele Betroffene­n, befragt nach ihren Fluchtgrün­den, neben Krieg, Hunger, politische­r Verfolgung und Menschenre­chts verletzung­en zunehmend auch Klimawande­l und Umweltschä­den an. Der UNEP-Chef nannte Somalia als Beispiel: Der Klimawande­l in Form von häufigeren und längeren Dürren potenziere dort die Bedrohung, was zu mehr Konflikten beim Kampf um knappes Wasser und Weidefläch­en sowie Instabilit­ät führe.

Die internatio­nale Gemeinscha­ft, so Solheim weiter, stehe deshalb in der Pflicht, umweltpoli­tische Aktivitäte­n als Schlüssele­lement bei Entwicklun­g und Hilfe sowie bei Konflikt prävention und- lösungen zu begreifen. Diejenigen Menschen, die am meisten bedroht sind, müssten viel besser mit Hilfsmitte­ln ausgestatt­et werden, um sich an die Veränderun­g anpassen und sie absorbiere­n zu können.

Im Hintergrun­d stand auch das Bemühen, der umweltfein­dlichen Politik der US-Bundesregi­erung etwas entgegenzu­setzen.

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