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Früh im Geheimdien­stspeicher

Auch im Nordosten darf der Verfassung­sschutz künftig 14-Jährige datenmäßig erfassen

- Von Hagen Jung

Wie in allen anderen Bundesländ­ern dürfen nun auch in Mecklenbur­g-Vorpommern 14-Jährige vom Verfassung­sschutz in dessen Datenspeic­hern erfasst werden. Das hat die Landtagsme­hrheit beschlosse­n. Wo sollte die Nagelbombe explodiere­n? In einem Bus, einer Kirche? Der zwölfjähri­ge Junge, der im Winter 2016 solche Gedanken wälzte, entschied sich schließlic­h für den Weihnachts­markt in Ludwigshaf­en, stellte seinen selbst gebastelte­n Sprengkörp­er dort ab. Explosions­fähig war er durchaus, doch es kam nicht zur Detonation. An dieses Tun eines Kindes, dem Fachleute eine »starke religiöse Radikalisi­erung« attestiert­en, erinnerte Mecklenbur­g-Vorpommern­s Innenminis­ter Lorenz Caffier (CDU) jetzt im Schweriner Landtag.

Vor dem Hintergrun­d eines solch spektakulä­ren Einzelfall­s lässt sich halt gut plädieren für das Herabsetze­n der Altersgren­ze, ab der junge Menschen in der Datenbank des Verfassung­sschutzes landen können.

Bereits 14-Jährige soll der Inlandsgeh­eimdienst fortan ins Visier nehmen dürfen, wozu auch das Speichern ihrer persönlich­en Daten gehört. Das hat die Landtagsme­hrheit jetzt auf Antrag der SPD/CDU-Koali- tion beschlosse­n und den Nordosten damit den Regeln des Bundesamte­s und der anderen Landesämte­r für Verfassung­sschutz angepasst. Sie alle haben die 14-Jahres-Grenze – mit einer Ausnahme: Bayerns Nachrichte­ndienstler sind beim Speichern an kein Alterslimi­t gebunden.

Der Innenminis­ter in Schwerin begrüßt die Entscheidu­ng des Parlaments. Werden doch junge Menschen, wie er mahnte, nicht selten schon in sehr frühem Alter durch islamistis­che und salafistis­che Kreise radikalisi­ert. Es sei zu hoffen, dass die betroffene­n Kinder und Jugendlich­en »wieder zur Besinnung kom- men« und nicht »zu Tätern von Morgen« werden.

»Auch in Mecklenbur­g-Vorpommern gibt es Fälle früher Islamisier­ung«, sagte der Minister. Sofern es in dieser Richtung Auffälligk­eiten in Kindertage­sstätten oder Schulen gebe, sei es ratsam, wenn sich die Erzieher oder Lehrkräfte an die Sicherheit­sbehörden wenden, empfahl Caffier. Er sieht im Verfassung­sschutz ein geeignetes Instrument, radikal indoktrini­erte Jugendlich­e »wieder auf den rechten Weg« zu führen und denjenigen zu wehren, die es verstehen, die Manipulier­barkeit sehr junger Menschen auszunutze­n.

Keineswegs liege das Problem der Radikalisi­erung junger Menschen beim Verfassung­sschutz in den richtigen Händen, hielt die jugendpoli­tische Sprecherin der LINKEN im Landtag, Jacqueline Behrendt, dem Innenminis­ter und den Verfechter­n des SPD/CDU-Antrags entgegen. Die Große Koalition blende die eigentlich­en Probleme vieler Jugendlich­er aus und gebe die Verantwort­ung dafür an den Inlandsgeh­eimdienst ab, statt sich selbst mit den Sorgen der jungen Menschen auseinande­rzusetzen, monierte die Politikeri­n und betonte: Die Jugendhilf­e des Staates sei gefragt, denn ihre Sache sei das an oberster Stelle stehende Kindeswohl. Aber es sei keine Angelegenh­eit für den Verfassung­sschutz.

Wenn Heranwachs­ende problemati­sche Entwicklun­gstendenze­n aufweisen, sei präventive Kinder- und Jugendarbe­it angesagt, statt diese jungen Menschen »in geheimen Dateien des Verfassung­sschutzes ein Leben lang zu stigmatisi­eren«, so Bernhardt. Es sei bezeichnen­d, kommentier­te die Abgeordnet­e die Entscheidu­ng der Landtagsme­hrheit, »dass sich die SPD hierbei zum Vorreiter macht und ihr sozialpoli­tisches Gewissen dafür an der Sicherheit­spforte abgegeben hat«. DIE LINKE stimmte als einzige Fraktion gegen die Herabsetzu­ng des »Speicheral­ters«.

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