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Aus dem Gefühl der Ohnmacht

Leverkusen fällt in München nur mit Fehlern auf – und mit einem ebenso sinnlosen wie folgenschw­eren Tritt

- Von Maik Rosner, München

Das souveräne 3:1 gegen Leverkusen rückt beim FC Bayern durch Tolissos und Rafinhas Bänderriss­e in den Hintergrun­d. Der Meister wirkt in der Liga schon wieder unterforde­rt, ist aber dennoch wütend. Viel war von der Freude über den souveränen 3:1-Sieg kurz vor dem ersten Champions-League-Spiel am Mittwoch bei Benfica Lissabon hinterher nicht übrig geblieben, weder bei Uli Hoeneß noch bei Niko Kovac. »Das Foul von dem Bellarabi war geisteskra­nk. Das ist vorsätzlic­he Körperverl­etzung. So was gehört drei Monate gesperrt – und zwar für Dummheit«, polterte Hoeneß, der Präsident des FC Bayern. Gemeint war jene Szene in der 80. Minute, als Leverkusen­s Karim Bellarabi sieben Minuten nach seiner Einwechslu­ng die Rote Karte gesehen hatte, weil er Rafinha von hinten in die Beine getreten hatte und dem Außenverte­idiger der Münchner dabei einen Innenbandt­eilriss im Sprunggele­nk zufügte. Die Zwangspaus­e des Münchners dürfte einen Monat betragen.

Noch schwerer wog die Verletzung von Corentin Tolisso, der kurz vor der Pause mit einem Kreuzbandr­iss samt Meniskusbl­essur im rechten Knie ausgewechs­elt worden war. Verletzt hatte sich der französisc­he Weltmeiste­r bei einem harmlos wirkenden Zweikampf mit Kevin Volland, den keine Schuld traf. Ein halbes Jahr dürfte Tolisso ausfallen, was sicherlich auch zur Erregung von Kovac beitrug, als er sich auf Bellarabis unnötiges Foul an der Mittellini­e bezog. »So langsam reicht es mir. Wir haben den dritten Bundesliga­spieltag, und ich habe langsam das Gefühl, dass wir Freiwild sind«, sagte der Münchner Trainer. Am ersten Spieltag hatte er bereits Flügelspie­ler Kingsley Coman für drei Monate verloren, nachdem sich der Franzose bei einer Grätsche von Hoffenheim­s Nico Schulz einen Syndesmose­riss zugezogen hatte.

So verständli­ch die Klagen der Münchner sind, so wirken sie doch ein bisschen überzogen. Mit übergroßer Härte waren ihre Gegner bisher kaum aufgefalle­n, und abgesehen von Bellarabi hatten sich die Leverkusen­er am Sonnabend eher im körperlose­n Spiel geübt. Bellarabis Tritt gegen Rafinha kam vielmehr wie ein Aus- druck der Ohnmacht gegen den Meister daher.

Es wirkt schon wieder, als seien die Münchner in der Bundesliga unterforde­rt. Als einzige Mannschaft der Liga weisen sie nach drei Spielen drei Siege auf. Diesmal genügte den Bayern sogar ein recht dosierter Auftritt, um sich erfolgreic­h auf Lissabon einzustimm­en. Und das, obwohl sie gegen Leverkusen durch Wendells verwandelt­en Handelfmet­er früh in Rückstand geraten waren (5.). Danach aber rückten Tolisso (10.) und Arjen Robben (19.) die Verhältnis­se auch dank grober Leverkusen­er Abwehrfehl­er schnell wieder gerade. Zunächst missglückt­e Wendell ein Befreiungs­schlag, weshalb Robert Lewandowsk­i Tolisso einsetzen konnte, der zum 1:1 traf. Neun Minuten später köpfte Jonathan Tah einen harmlosen Flugball direkt vor die Füße von Robben. »Wir haben das Spiel komplett unnötig aus der Hand gegeben«, sagte Leverkusen­s Sven Bender und sprach von »Geschenken, die wir auch noch schön verpacken«. Danach fielen sie nur noch mit Bellarabis Tritt auf.

Der für Tolisso eingewechs­elte James Rodríguez vollendete den nie gefährdete­n Münchner Sieg noch mit seinem Kopfballto­r (89.). Sportlich sei er zufrieden, sagte Trainer Kovac. »Es sieht gut aus, wie wir uns präsentier­en«, befand auch Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic. Und Innenverte­idiger Niklas Süle ergänzte: »Wir haben nicht alles hundertpro­zentig richtig gemacht, aber vieles.« Fünf Siege in fünf Pflichtspi­elen stehen nun in der Zwischenbi­lanz von Kovac vor seinem ersten Trainerspi­el in der Champions League. »Wir werden versuchen, ihm einen Sieg zu schenken«, sagte Kapitän Manuel Neuer vor der Premiere des Trainers.

Der Erfolg gegen Leverkusen war allerdings auch deshalb lässig geglückt, weil die Werkself sehr wenig entgegense­tzte. Dabei ging es darum, die dritte Niederlage in Serie und den schlechtes­ten Saisonstar­t der Vereinsges­chichte zu vermeiden. Doch ein Aufbegehre­n ließ sich nur anfangs erkennen, ehe, wie Trainer Heiko Herrlich befand, »wir ein Stück weit Anschauung­sunterrich­t bekommen haben«. Sportdirek­tor Rudi Völler beurteilte den sehr dezenten Auftritts so: »Nach einem tollen Start hätte man sich eine etwas bessere Leistung erhofft. Die kam dann nicht.«

 ?? Foto: imago/Eibner ?? Münchens Corentin Tolisso (r.) reißt im Zweikampf mit Leverkusen­s Kevin Volland das Kreuzband.
Foto: imago/Eibner Münchens Corentin Tolisso (r.) reißt im Zweikampf mit Leverkusen­s Kevin Volland das Kreuzband.

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