nd.DerTag

Nichts hat sich geändert

- Oliver Kern kritisiert das Einknicken der WADA

Politikers­prache ist etwas Wunderbare­s. Das gilt auch für die Sprache von Sportpolit­ikern. Das jüngste Beispiel kam am Wochenende von der Spitze der Welt-Antidoping-Agentur WADA: »Führung braucht Flexibilit­ät. Unsere Vorschläge basieren auf Pragmatism­us und sind nuancierte Interpreta­tionen des Fahrplans.« Wer im Wörterbuch »Politikers­prache - Deutsch« nachschaut, findet unter nuancierte Interpreta­tionen die Übersetzun­g: »Wir sind eingeknick­t.«

Es sieht so aus, als würde die WADA die russische Antidoping­agentur RUSADA am Donnerstag nach drei Jahren wieder als regelkonfo­rm einstufen. Dann dürften russische Athleten wohl auch bei paralympis­chen Wettbewerb­en oder denen der Leichtathl­eten wieder unter eigener Flagge antreten. Es wäre ein Sieg für die Russen. Doch was hat sich in den letzten Tagen geändert?

Zur Erinnerung: Russland musste nach vielen Reformen noch zwei Kriterien erfüllen: Sportminis­terium, RUSADA und NOK sollten die Ergebnisse des McLaren-Reports anerkennen. Und der WADA sollte uneingesch­ränkter Zugang zu versiegelt­en Dopingprob­en im Moskauer Labor gewährt werden.

Auch wenn es die WADA anders darstellt, passiert ist davon noch nichts. Russlands Sportminis­ter akzeptiert lediglich einen IOC-Bericht, in dem es heißt, dass einige Individuen des Ministeriu­ms in Manipulati­onen verwickelt waren. Pawel Kolobkow blieb sehr vage und erwähnt das Sportminis­terium nicht. Auch kein Wort von systematis­chem Betrug oder staatliche­r Verwicklun­g. Ein öffentlich­es Schuldeing­eständnis sieht anders aus.

Der Laborzugan­g soll auch nicht mehr vollständi­g sein. Nur jene Proben sollen reanalysie­rt werden, die in den Labordaten auffällig sind. Dass die Daten vor der Übergabe nicht gefälscht werden, darauf vertraut die WADA und ihr Prüfungsau­sschuss blind. Athletenve­rtreter Beckie Scott trat nun aus Protest aus diesem Gremium zurück.

Es sind vor allem die Athleten, die schockiert sind. Die Kriterien könnten »nicht einfach aufgegeben werden. Wenn es so läuft, brauchen wir keine WADA und keine Dopingkont­rollen«, sagte Silke Kassner. Sie ist als Athletenve­rtreterin im Aufsichtsr­at der deutschen Antidoping­agentur NADA. Auch für den Rest der Führung der NADA ist die Entwicklun­g »sehr überrasche­nd und nicht nachvollzi­ehbar«.

In einem Brief an den WADAPräsid­enten Craig Reedie protestier­te eine Gruppe britischer Athleten, die angekündig­te Entscheidu­ng wäre »eine Katastroph­e für den sauberen Sport«. Auch Kanada und die USA unterzeich­neten. »Ich bin den Athleten für ihren Rat dankbar und ich kann versichern, dass ich ihn ernst nehme«, sagte der Brite Reedie der BBC. Übersetzt heißt das: »Eure Meinung geht mir am Arsch vorbei.«

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