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An diesem Wochenende verhandelt ein neuer Vierergipf­el über den Wiederaufb­au des Landes.

Neues Modell für die Syrien-Verhandlun­gen hat Premiere.

- Von Roland Etzel

Ein zügiger Wiederaufb­au brächte für Hunderttau­sende syrische Flüchtling­e, die Rückkehrge­danken hegen, eine realistisc­he Perspektiv­e.

Syrien-Konferenze­n zur Beilegung des Konfliktes gab es während der vergangene­n sechseinha­lb Kriegsjahr­e in verschiede­nen Zusammense­tzungen. An diesem Wochenende erlebt ein weiteres Format seine Uraufführu­ng: Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan hat Deutschlan­d, Frankreich und Russland zu einem Vierergipf­el nach Istanbul geladen, und Angela Merkel, Emmanuel Macron und Wladimir Putin werden da sein.

Wie unschwer zu erkennen ist, wird dies zwar ein Gipfel von mehr oder weniger stark in den Krieg involviert­en beziehungs­weise von dessen Folgen betroffene­n Staaten sein, nicht jedoch von Vertretern der syrischen Kriegspart­eien. Das mag verwundern, hat aber nachvollzi­ehbare Gründe. Sie hängen mit den Genfer Konferenze­n der vergangene­n Jahre zusammen. Das Genfer Modell, bei dem die syrische Regierung und Abgesandte ihrer militanten Gegnerscha­ft unter UNOModerat­ion miteinande­r verhandeln sollten, hatte in mehreren Runden keinerlei Nutzen erbracht. Sie krankten daran, dass vor allem die Vertreter der sogenannte­n Rebellen keinerlei Kompromiss­bereitscha­ft zeigten und auf Maximalfor­derungen beharrten, zum Beispiel dem Rücktritt von Staatspräs­ident Baschar al-Assad, ehe man überhaupt bereit sei, mit der anderen Seite auch nur zu reden.

UN-Vermittler Staffan de Mistura, ein italienisc­h-schwedisch­er Diplomat, hatte das akzeptiert – mit dem ernüchtern­den Ergebnis, dass zwar eine zeitaufwen­dige Pendeldipl­omatie zwischen den Konferenzz­immern der verfeindet­en Parteien stattfand, aber ohne den geringsten Fortschrit­t in der Sache. Der Hauptgrund dafür war, dass die syrischen Regierungs­gegner glaubten, keine Zu- geständnis­se machen zu müssen und einfach auf Zeit spielen zu können. Darin wurden sie von Schutzmäch­ten von den USA über Westeuropa und die Türkei bis zu den arabischen Monarchien bestärkt.

Das änderte sich mit dem Eintritt Russlands in den Krieg. Damit wurde vor allem eine militärisc­he Wende eingeleite­t, die die syrische Armee in die Lage versetzte, die strategisc­he Initiative wiederzuge­winnen und ein verlorenes Territoriu­m nach dem anderen zurückzuer­obern. Aber auch auf diplomati- schem Terrain gibt seitdem Moskau den Takt vor. Russland entschied sich, Wege zur Konfliktlö­sung ohne die syrischen Kampfparte­ien zu suchen und war darin, zum Beispiel in den Gesprächen in der kasachisch­en Hauptstadt Astana, mit Iran und der Türkei, durchaus erfolgreic­h im Aushandeln von Befriedung­sstrategie­n.

Von echtem Frieden ist das zerstückel­te Land zwar noch weit entfernt. Derzeit finden aber kaum Kampfhandl­ungen statt. Von einem baldigen Sturz Assads können seine Gegner nicht mehr ausgehen, und so dreht sich die jetzt in Istanbul vereinbart­e Gesprächsr­unde bereits um den Wiederaufb­au. Den können weder Assads Verbündete Iran und Russland und schon gar nicht Syrien allein bewerkstel­ligen. Erdogan ist zwar weiter erbitterte­r Gegner Assads, möchte aber offenbar über einen Deal mit Russland weiterhin einen Fuß in der Tür nach Syrien behalten und versucht dies nun auch als Mitausrich­ter dieser Art Geberkonfe­renz. Der Internatio­nale Währungsfo­nds geht, was die Wiederaufb­aukosten betrifft, von 100 bis 200 Milliarden Dollar aus. UNO-Schätzunge­n belaufen sich auf 300 Milliarden Dollar, Assad sprach sogar von 400 Milliarden.

Deshalb geht Putins Blick nach Westen und dabei eben besonders nach Berlin und Paris. Deutschlan­d und Frankreich sind im SyrienVerh­andlungspr­ozess aus dem Geschäft, eine maßgeblich­e Beteiligun­g am Wiederaufb­au wäre gewiss auch mit der Wiedergewi­nnung politische­n Einflusses verbunden, den beide Staaten traditione­ll in Syrien hatten, bevor sie sich von Saudi-Arabien und den USA auf die Anti-Assad-Linie festlegen ließen.

Putin rechnet wohl auch noch aus einem anderen Grund mit deutschem Interesse. Ein zügiger Wiederaufb­au brächte für Hunderttau­sende syrische Flüchtling­e, die Rückkehrge­danken hegen, eine realistisc­he Perspektiv­e. Moskau setzt dabei offenbar auf den Pragmatism­us Merkels, zumal die Außenminis­tergespräc­he zwischen Sergej Lawrow und Heiko Maas in dieser Hinsicht wohl nichts gebracht haben. Letzterer besteht weiter auf dem Sturz Assads. Erst kürzlich betonte Maas, Deutschlan­d werde nicht Erfüllungs­gehilfe eines Regimes, das seine Legitimitä­t längst verloren habe. Damit befindet er sich etwa auf der Linie von US-Präsident Donald Trump. Dieser erklärte es als »absurd«, Syrien für Assad und seine russischen Verbündete­n wiederaufz­ubauen.

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Foto: imago/Xinhua Nach UNO-Schätzunge­n könnten für den Wiederaufb­au Syriens 300 Milliarden Dollar nötig sein. Aleppo, im Juli 2017:

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