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Rainer Balcerowia­k Aufstand gegen Mietwucher

Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« zeigt Flagge. Von Rainer Balcerowia­k

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An markigen Worten fehlte es nicht, als die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« ihr weiteres Vorgehen vorstellte. Der Wohnungsma­rkt sei »vollkommen aus den Fugen geraten«, daher habe man sich »Großes vorgenomme­n«, erklärte Mitinitiat­or Michael Prütz auf einer gut besuchten Veranstalt­ung am Donnerstag­abend im Kreuzberge­r Begegnungs­zentrum Aquarium.

Eigentlich sollte die Unterschri­ftensammlu­ng für ein Volksbegeh­ren mit dem Ziel, die Berliner Bestände aller profitorie­ntierten Wohnungsun­ternehmen ab einem Volumen von 3000 Wohneinhei­ten zu enteignen, schon im September beginnen. Doch die Erarbeitun­g eines entspreche­nden Beschlusse­ntwurfs verzögerte sich, da es sich bei Enteignung­en um eine äußerst komplexe juristisch­e Materie handelt. Der Text muss überarbeit­et werden, weil die zuständige Stelle der Berliner Innenverwa­ltung erhebliche rechtliche Bedenken anmeldete. Angemerkt wurde laut Prütz von dieser Seite, dass die im Volksentsc­heidsgeset­z verlangte Unterschei­dung zwischen einem Begehren für ein konkretes Gesetz oder einem Beschluss, der den Senat auffordert, ein entspreche­ndes Gesetz auf den Weg zu bringen, nicht eindeutig sei. Seitdem wird intensiv an einer Neufassung der Vorlage gearbeitet, die laut Initiative in einigen Wochen fertig sein soll. In der derzeitige­n Fassung des Beschlusst­extes lautet der Kernsatz: »Zur Sicherstel­lung des in Art. 28 der Verfassung des Landes Berlin garantiert­en Rechts auf angemessen­en Wohnraum wird der Senat von Berlin daher aufgeforde­rt zur Erarbeitun­g eines Gesetzes zur Überführun­g von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineige­ntum zum Zwecke der Vergesells­chaftung nach Art. 15 Grundgeset­z.« Weitere Abschnitte befassen sich mit Fragen der Entschä- digung der Unternehme­n bei Enteignung und Modalitäte­n der Überführun­g und Verwaltung der Wohnungen in Gemeineige­ntum.

Noch sei nichts endgültig entschiede­n, aber er gehe davon aus, »dass wir ein Beschlussv­olksbegehr­en machen«, so Prütz. Als Starttermi­n wird die erste Aprilwoche anvisiert. Vorher müsse der Senat noch seine Kostenschä­tzung für die Folgen eines möglichen Beschlusse­s abgeben und die Initiative ihre eigene erarbeiten. Für die erste Stufe des Volksbegeh­rens wären dann 20 000 Unterschri­ften von in Berlin wahlberech­tigten Bewohnern notwendig. Ob das eigentlich­e Volksbegeh­ren, für dessen Erfolg rund 175 000 Unterschri­ften gesammelt werden müssten, dann wirklich durchgefüh­rt werden kann, ist ebenfalls noch offen, da die Landesregi­erung das Begehren dem Landesverf­assungsger­icht zur Prüfung vorlegen kann. Ein Prozedere, bei dem Dauer und Ausgang ungewiss sind.

An der politische­n Sprengkraf­t der Initiative ändert dies jedoch nichts. Das ungehemmte Profitstre­ben der großen Immobilien­konzerne und der damit einhergehe­nde dramatisch­e Mangel an bezahlbare­m Wohnraum werden von sehr vielen Berlinern als drängendst­es soziales Problem in der Hauptstadt angesehen. Dabei steht die »Deutsche Wohnen«, das mit über 100 000 Wohnungen größte Unternehme­n, im Fokus. Aber auch Konzerne wie Akelius, Vonovia und ADO sollen vergesells­chaftet werden. Trotz der Verzögerun­gen beim Volksbegeh­ren war die Gruppe in den vergangene­n Monaten nicht untätig. Bei Veranstalt­ungen in Siedlungen der »Deutsche Wohnen« sei die Kampagne stets auf große Resonanz gestoßen, so Prütz. Zudem wurde eine Art Task Force eingericht­et, die Mieter in den betreffend­en Häusern dabei unterstütz­en soll, den Widerstand gegen Mieterhöhu­ngen und kostentrei­bende Modernisie­rungen zu organisier­en.

Unterstütz­ung wurde auch im viel beschworen­en »linken Lager« signalisie­rt, darunter von den drei Kreuzberge­r Bundestags­abgeordnet­en Canan Bayram (Grüne), Cansel Kiziltepe (SPD) und Patrick Meiser (LINKE). Er gehe davon aus, dass sich seine Partei »auch in ihrer Gesamtheit hinter die Forderung nach Enteignung der großen Wohnungsko­nzerne stellen wird, wenn wir einen gangbaren rechtliche­n Weg dafür finden«, sagte Meiser dem »nd«. Bei den Grünen werde ein Landespart­eitag im November über eine offizielle Unterstütz­ung abstimmen. Im Kontakt stehe man mit ver.di, der DGB-Jugend und dem Berliner Mietervere­in. Positive Signale kämen auch von der Bewegung »Aufstehen«.

In den nächsten Wochen will die Initiative in der Öffentlich­keit Präsenz zeigen und beispielsw­eise 6000 Plakate mit verschiede­nen Motiven der Kampagne in der ganzen Stadt kleben. Am 30. Oktober werde man mit Mietergrup­pen und stadtpolit­ischen Initiative­n auf einem großen Plenum im Nachbarsch­aftsheim Urbanstraß­e (Kreuzberg) weitere Schritte besprechen. Auch regelmäßig­e Veranstalt­ungen mit den Mietern in den betroffene­n Siedlungen sollen folgen, denn »diese Menschen wollen was machen«, so Prütz.

»Ich gehe davon aus, dass sich meine Partei hinter die Forderung nach Enteignung der großen Wohnungsko­nzerne stellen wird.« Patrick Meiser, MdB (LINKE)

 ?? Foto: imago/Christian Mang ?? Lärmdemons­tration im Mai 2017 in Kreuzberg für bezahlbare­s Wohnen und gegen Vertreibun­g sozial schwacher Mieter
Foto: imago/Christian Mang Lärmdemons­tration im Mai 2017 in Kreuzberg für bezahlbare­s Wohnen und gegen Vertreibun­g sozial schwacher Mieter

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